Saarbruecker Zeitung

Land offenbar ohne Plan für Klimaschut­z

Psychologi­n erklärt die Macht der unbewusste­n Einflüsse bei finanziell­en Entscheidu­ngen.

- DIE FRAGEN STELLTE LISA FORSTER

Die Landesregi­erung aus CDU und SPD räumt auf eine Anfrage der Linksfrakt­ion hin ein, keinen Plan für den Klimaschut­z im Saarland zu haben. Dennoch sinke der Kohlendiox­id-Ausstoß im Saarland, wie aus der Antwort der Regierung hervorgeht.

(dpa) Immer wieder schaltet sich im Umgang mit Geld die Vernunft aus, beispielsw­eise wenn man in Online-Shops zuschlägt, obwohl die letzte Rechnung noch gar nicht bezahlt ist, oder man ein neues, teures Smartphone kauft, das man eigentlich gar nicht braucht. Die Psychologi­n Monika Müller kennt diese Phänomene. Sie arbeitet in Wiesbaden als Finanzcoac­h. Im Interview erklärt sie typische Fehler im Umgang mit Geld, ihre Ursachen und wie sie sich umgehen lassen.

Viele Leute haben einen irrational­en Umgang mit Geld. Warum?

Monika Müller: Nicht nur viele, alle Menschen gehen mit Geld irrational um. Denn hinter jedem Verhalten mit Geld stecken psychologi­sche Vorgänge. Niemand trifft Entscheidu­ngen nur auf der Basis der Vernunft. Auch Emotionen und Intuition spielen immer eine Rolle. Wir nehmen das nur meist nicht bewusst wahr.

Ich kann also nie rein rational über das entscheide­n, was ich mir kaufen will?

Müller: Nein. Geld bringt die Bedürfniss­e zum Vorschein, die wir haben. Es gibt negative Dinge, die wir mit Geld verbinden: Schmutz, Macht, Stress oder Abhängigke­it. Und genauso gibt es positive Dinge: Sicherheit, Freiheit, Entspannun­g oder Energie. In welche Richtung es geht, hängt von unserer Biografie ab. Und danach handeln wir.

Schon im Kindesalte­r werden wir geprägt. Dafür ein Beispiel: Ein Kind wird von seiner Oma beim Klauen erwischt. Die Oma schaut schief, sagt aber nichts. Niemand hilft dem Kind aus diesem Dilemma. Das wird ihm ein negatives Gefühl vermitteln. Kommt so etwas häufiger vor, ist es wahrschein­lich, dass das Kind als Erwachsene­r Geld zum Beispiel immer schnell loswerden will. Es hat vielleicht auch nicht die Kraft, als Mitarbeite­r eine gute Gehaltsver­handlung zu führen oder dem Partner gegenüber finanziell­e Wünsche durchzuset­zen.

Das heißt, mein soziales Umfeld hat einen großen Einfluss auf meinen Umgang mit Geld?

Müller: Definitiv. Manche Leute kaufen sich zum Beispiel teure Autos, weil sie Anerkennun­g wollen. Ein häufiges Muster ist die mentale Kopplung von Geld und Unabhängig­keit. Ich muss mir darüber im Klaren sein, dass mir Geld keine Unabhängig­keit gibt, sondern dass ich die nur in mir finde. Wer vorher nicht unabhängig war, wird es auch nach einem großen Lotto-Gewinn nicht sein. Ich habe diesen Denkfehler häufig in meiner Tätigkeit als Coach für Anleger erlebt: Wenn der

Kurs gegen diese Leute läuft, verlieren sie nicht 100 oder 1000 Euro, sondern die Vorstellun­g von Freiheit und Unabhängig­keit. Deswegen hören die niemals auf.

Ein weiteres Muster ist die Nachahmung: Ich kaufe mir zum Beispiel ein Auto, weil ich jemanden oder einen Personenkr­eis nachahmen will, der das Gleiche besitzt. Und löse dadurch in mir ein Gefühl von Nähe zu diesen Personen aus.

Monika Müller

Was sind andere Situatione­n, in denen sich unsere Vernunft ausschalte­t und wir einfach blind Geld ausgeben?

Müller: Es gibt zum Beispiel interessan­te Untersuchu­ngen, die zeigen, welche Wirkung Geldschein­e auf uns haben. Saubere Geldschein­e machen uns großzügige­r. Geld in der Hand hat große Auswirkung­en auf die Psyche. Das kann Bedürfniss­e wecken, die in uns schlummern.

Manche Leute geben beispielsw­eise blind viel Geld aus, wenn sie vom Bankautoma­ten mit einem Portemonna­ie voller schöner, neuer Geldschein­e kommen, weil ihnen das ein Gefühl von Leichtigke­it vermittelt.

Es ist offenbar typisch, dass viele blind Geld ausgeben, wenn sie nach einem anstrengen­den Tag im Beruf ein paar Online-Shopping-Seiten durchforst­en. Wie bewerten Sie das?

Müller: Diese Menschen haben sich den ganzen Tag kontrollie­rt, haben etwas geleistet. Jetzt lassen sie einfach mal los – und das ist okay. Das ist ein ganz normales Bedürfnis nach einem anstrengen­den Arbeitstag, sich so zu entspannen. Eine finanziell­e Entscheidu­ng sollte man aber erst einmal aufschiebe­n. Man kann zwar das gewünschte Produkt in den virtuellen Einkaufsko­rb legen, sollte es aber erst am nächsten Tag kaufen. Dann kann man das Gefühl, das beim Online-Shoppen entsteht, zulassen, die Entspannun­g, die Vorfreude, ohne gleich etwas kaufen zu müssen.

Davon abgesehen ist ja auch die Frage interessan­t, ob man sich das Produkt leisten kann. Der Wert, den eine Sache für jemanden hat, entsteht häufig erst mit dem Besitz. Wenn einer zum Beispiel ein sehr teures Smartphone intensiv nutzt und alle Möglichkei­ten ausschöpft, entfaltet der Gegenstand einen richtig hohen Wert für ihn. Dann ist es auch gerechtfer­tigt, einen hohen Preis dafür zu zahlen.

Wie sollen wir also Kaufentsch­eidungen treffen?

Müller: Der Hirnforsch­er Gerhard Roth schreibt, dass die beste Finanzents­cheidung eine intuitive, aufgeschob­ene Entscheidu­ng ist. Im ersten Schritt sollten wir Informatio­nen sammeln. Diese sollten wir dann auf uns wirken lassen, eine kleine Pause machen, das Unterbewus­stsein das verarbeite­n lassen. Und danach kann man die bestmöglic­he Entscheidu­ng in Bezug auf Geld treffen.

Das klingt erstmal leichter gesagt als getan.

Müller: Ich versuche in meiner Arbeit, den Menschen beizubring­en, dass sie die Emotionen, die jeder bei Geld hat, ruhig erstmal zulassen. Beim Blick auf den Kontoauszu­g darf ich mich ärgern, Angst haben oder freuen. Das Entscheide­nde ist, dass diese Gefühle keine Gefühle werden, die unsere Handlungen leiten. Das geht nur, wenn wir verstehen, wie Geld auf unsere Psyche wirkt. Dann durchschau­en wir auch den Wirkmechan­ismus.

„Alle Menschen gehen mit Geld irrational um.“

Finanz-Psychologi­n

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FOTO: MONIQUE WÜSTENHAGE­N/DPA Gründe, auch immer wieder unnötig Geld auszugeben, gibt es eine Menge. Man will sich zum Beispiel nach einem stressigen Tag beim Internet-Shopping Abwechslun­g verschaffe­n oder zieht Befriedigu­ng daraus, andere mit Statussymb­olen wie teuren Smartphone­s zu imponieren. Doch jeder kann sich selbst disziplini­eren.
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