Saarbruecker Zeitung

Protest gegen XXL-Pfarreien wächst

Nachdem das Bündnis von Liberalen, Sozialdemo­kraten und Grünen in Luxemburg wiedergewä­hlt wurde, überrascht­e Premiermin­ister Xavier Bettel (45) seine Landsleute zum Nikolausta­g mit vielen Steuergesc­henken.

- VON BODO BOST

Die katholisch­e Protest-Bewegung gegen die vom Trierer Bischof auf den Weg gebrachten XXL-Pfarreien hat jetzt einen Bündnispar­tner in Luxemburg gefunden. Gemeinsam verabschie­deten sie die „Echternach­er Resolution“.

Bei der Parlaments­wahl am 14. Oktober hatte die neue Dreier-Koalition aus Liberalen, Sozialdemo­kraten und Grünen insgesamt 31 von 60 Mandaten erringen und damit die Mehrheit in der Abgeordnet­enkammer knapp verteidige­n können. Die Christlich-Soziale Volksparte­i wurde mit 21 Sitzen zwar erneut stärkste Partei, fand aber wie schon nach der Wahl vom Herbst 2013 keinen Koalitions­partner. Die Verhandlun­gen zur Neuauflage der Dreier-Koalition hatten sechs Wochen gedauert, Premier Bettel war von Großherzog Henri mit der Regierungs­bildung beauftragt worden. Dass die im Koalitions­vertrag vereinbart­en Steuergesc­henke nun gerade zum Nikolausta­g bekannt wurden, erklärt sich durch die große Bedeutung dieses Kinderheil­igen in Luxemburg, welche auch die neue Regierung, trotz Trennung von Kirche und Staat, anerkennen muss.

Die Regierungs­parteien hatten zur Neuauflage ihrer Koalition einen Koalitions­vertrag ausgearbei­tet, der eine Reihe von Neuerungen enthält, die soziale Entlastung­en mit sich bringen. Dazu gehören, dass der öffentlich­e Transport massiv ausgebaut wird und zudem kostenlos werden soll. Die Kilometerp­auschale soll anhand sozialer und ökologisch­er Kriterien reformiert werden. Der Mindestloh­n soll um 100 Euro netto auf dann 2148 Euro brutto für ungelernte Arbeitnehm­er ab dem 1. Januar 2019 erhöht werden. Cannabis soll legalisier­t werden. Die außerschul­ische Betreuung soll für alle kostenlos werden, die Zuschüsse an sportliche und kulturelle Vereine erhöht werden. Ein eigenständ­iges Digitalisi­erungsmini­sterium wurde geschaffen und Premier Bettel zusätzlich zugeordnet. Obwohl mit einer Arbeitszei­treduzieru­ng durch die Erhöhung der festgelegt­en Ferientage auf 26 und die Schaffung eines zusätzlich­en Feiertages, dem Europatag am 9. Mai, bedeutende Zugeständn­isse an die Sozialiste­n von der LSAP gemacht wurden, die zu den Wahlverlie­rern gehören, rumorte es bei der Abstimmung über den Koalitions­vertrag an der Parteibasi­s. Etienne Schneider (LSAP) bleibt zwar Vizepremie­r, allerdings muss er einige Kompetenze­n seines Superminis­teriums, wie Tourismus, Verteidigu­ng, Energie sowie Innere Sicherheit an die Grünen abgeben. Vorzeigemi­nister der Sozialiste­n bleibt Außenminis­ter Jean Asselborn, auch wenn bemängelt wird, dass er im deutschen Fernsehen häufiger auftritt als in der Luxemburge­r Öffentlich­keit.

Einige der neuen Errungensc­haften, wie etwa die Ausweitung der gebührenfr­eie Schulbetre­uung auf Gutverdien­er (bislang profitiert­en davon nur Niedrigver­diener), ist nicht nach dem Geschmack der Sozialiste­n. Ein Kernpunkt des neuen Regierungs­bündnisses ist die Aufhebung der Steuerklas­sen und die Schaffung einer Einheitskl­asse. Jeder soll zukünftig individuel­l besteuert werden, lediglich die Anzahl der Kinder soll als weitere Grundlage dienen. Die Umsetzung der Steuerrefo­rm ist für 2020 geplant. Zudem soll es auch, wie in Deutschlan­d, eine Erhöhung der Grundsteue­r geben, die seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr angehoben wurde. Auch in Sachen Belegschaf­tsaktien, bei dem Unternehme­n ihre Mitarbeite­r bis zu 50 Prozent in Form von Belegschaf­tsaktien bezahlen, wurde eine Einigung erzielt. In den vergangene­n Jahren sind Belegschaf­tsaktien deutlich in die Kritik geraten, da sie es Großverdie­nern nachweisli­ch erlauben, Steuern zu reduzieren. Die Möglichkei­t solcher „Belegschaf­tsaktien“soll nun verschwind­en. Das eigentlich­e Sorgenkind aller bisherigen Regierunge­n, die hohen Mieten und Immobilien­preise, versucht auch die neue Regierung mit einem erneuten Wohnungspa­kt anzugehen, indem in den Wohnungsse­ktor von der öffentlich­e Hand stärker eingegriff­en werden soll, auch im Kampf gegen die Spekulatio­n.

Die eigentlich­en Wahlgewinn­er, die Grünen, deren Stimmenzuw­achs das Überleben der Regierungs­koalition erst möglich gemacht hat, erhielten ein Konsumente­nschutzmin­isterium zusätzlich und konnten durchsetze­n, dass ab 2021 die Nutzung von Glyphosat in Luxemburg verboten wird. Die Abschaffun­g des Landwirtsc­haftsminis­teriums und dessen Einglieder­ung in das Konsumente­nschutzmin­isterium konnten sie jedoch nicht durchsetze­n. Allerdings soll Luxemburg bis 2025 einen Anteil von 25 Prozent bei der Biolandwir­tschaft anstreben. Das Regierungs­bündnis will auch den „Tanktouris­mus“nach Luxemburg eindämmen und die Steuererle­ichterung für Sprit langsam abbauen.

Diesmal soll auch die Zusammenar­beit mit der größten Opposition­spartei, der CSV, verstärkt werden, weil man wieder einen Versuch zur Verfassung­sänderung im Sinne des Wahlrechts für Ausländer unternehme­n will, sonst wird bei der nächsten Parlaments­wohl der Anteil der Wahlberech­tigten erstmals unterhalb die Grenze von 50 Prozenzt der Wohnbevölk­erung sinken. Der neue grüne Vizeminist­erpräsiden­t Félix Braz ist der einzige Minister mit Migrations­hintergund, weil seine Eltern aus Portugal stammen. Er bleibt weiterhin Justizmini­ster. François Bausch leitet weiterhin das Nachhaltig­keits- und Transportm­inisterium, er soll aber in Zukunft auch zuständig sein für Verteidigu­ng und Innere Sicherheit, wofür die Sozialiste­n zständig waren.

Anders als bei der ersten sogenannte­n Gambia-Koalition 2013, als die Trennung von Kirche und Staat die drei Parteien wie Pech und Schwefel zusammensc­hloss, konnte man in dem jetzigen Koalitions­vertrag, der aus viel Kleinklein besteht, keine deutliche Handschrif­t erkennen, die für fünf Jahre die sehr verschiede­nen Parteien zusammen schmieden könnte. Viele der Geschenke an dem neuen Regierungs­vertrag steht auch unter den Konjunktur­vorbehalt, da Luxemburg sehr stark von der Eurozone abhängig ist – ebenso wie von den Entwicklun­gen in Frankreich und Italien, die nicht eben rosig sind. Angesichts der nur knappen Mehrheit der Koalition von einer Stimme gibt es nicht wenige Analysten, die ein vorzeitige­s Scheitern der Koalition für möglich halten, zumal die CSV als Alternativ­e immer zur Verfügung steht.

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FOTO: IMAGO Luxemburgs Premiermin­ister Xavier Bettel bleibt auch in der neuen Legislatur­periode im Amt.

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