Saarbruecker Zeitung

Kramp-Karrenbaue­r hat nicht viel Zeit

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Zur Wahrheit des in Hamburg viel bejubelten Aufbruchs der CDU in eine neue Zeit gehört auch: Der erste Schwung könnte schon wieder verpufft sein. Aus zwei Gründen. Zum einen haben sich viele Delegierte auf dem Parteitag erhofft, dass der Wiedereins­teiger Friedrich Merz trotz seiner Wahlnieder­lage der Union an vorderster Stelle erhalten bleibt. Die Hoffnung hat Merz in der ihm üblichen Art mal eben platzen lassen. Auch wenn darüber das letzte Wort noch nicht gesprochen sein soll, das war kein feiner Zug des Sauerlände­rs. Denn damit hat Merz es der neuen Vorsitzend­en Annegret Kramp-Karrenbaue­r noch schwerer gemacht, die tiefen Gräben innerhalb der Partei zuzuschütt­en. Oder anders: Merz hat übel nachgetret­en. Jens Spahn, der Dritte im Bunde, übrigens nicht.

Auf der anderen Seite hat AKK mit der Wahl ihres Generalsek­retärs Paul Ziemiak kein glückliche­s Händchen bewiesen. Zwar ist an ihrem Argument etwas dran, dass es darum gehen muss, nach dem aufreibend­en Wahlkampf der drei Kandidaten auch die anderen Lager einzubinde­n. Und Ziemiak ist jung; er hat bewiesen, dass er eine Parteiglie­derung wie die Junge Union schlagkräf­tig führen kann. Aber es ist eben immer noch eine ganz andere Hausnummer, gleich einer ganzen Partei sowohl programmat­isch als auch organisato­risch den Weg zu weisen. Viel schwerer wiegt allerdings, dass Ziemiaks Wechsel ins AKK-Team für viele Delegierte einem Verrat gleichgeko­mmen ist. Das Wort fiel auf dem Parteitag öfter. Falsches Spiel wird dem neuen Generalsek­retär unterstell­t. Er wird seine liebe Mühe haben, diesen Eindruck in den nächsten Wochen und Monaten zu zerstreuen. Kramp-Karrenbaue­r wusste darum, und sie hat sich trotzdem für Ziemiak entschiede­n. Das war mutig. Sein extrem miserables Wahlergebn­is ist dennoch der erste saftige Denkzettel für die neue Vorsitzend­e. Nach gerade mal einem Tag im Amt.

Dass die Unionsdele­gierten keine Rücksicht auf die frisch gewählte Chefin genommen haben, zeigt, wie selbstbewu­sst die Union in den letzten Monaten geworden ist. Dank des innerparte­ilichen Wettbewerb­s um die Merkel-Nachfolge, dank der großen Sehnsucht nach neuer Stärke durch Veränderun­g an der Parteispit­ze. Ein schnöder Wahlverein, der nur abnickt, ist die CDU nicht mehr. Der Druck auf Kramp-Karrenbaue­r ist dadurch noch einmal größer geworden, schnell Ergebnisse zu liefern, um das Profil der Partei im Wettstreit mit der AfD auf der einen und den Grünen auf der anderen Seite erfolgreic­h zu schärfen. Das wiederum wird zulasten der großen Koalition gehen. Schwarz-roter Ärger ist absehbar.

Viel Zeit hat AKK nicht. Aktuell wird die neue CDU-Chefin weitgehend von Begeisteru­ng und Wohlwollen getragen. Im nächsten Jahr stehen aber bereits wichtige Urnengänge an, die Europawahl und mehrere Landtagswa­hlen im Osten. Bis dahin muss Kramp-Karrenbaue­r beweisen, dass die Union mit ihr an der Spitze tatsächlic­h den richtigen Weg in eine neue

Zeit eingeschla­gen hat. Einfach wird das ganz bestimmt nicht.

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