Saarbruecker Zeitung

Das Weiße Haus bleibt ein Jahrmarkt der Intrigen

John Kelly sollte den US-Präsidente­n einhegen und zu besonnenem Regieren bringen. Diese Hoffnung vieler Republikan­er ist nun geplatzt.

- VON FRANK HERRMANN

Einst holte ihn Donald Trump als Cheforgani­sator ins Weiße Haus, um das Chaos zu ordnen. Nun setzt er John Kelly, einem ehemaligen Viersterne-General der Marineinfa­nterie, nach nur 18 Monaten im Amt den Stuhl vor die Tür. „John Kelly wird uns verlassen, wobei ich nicht weiß, ob ich sagen kann, dass er in den Ruhestand tritt“, bestätigte Trump am Samstag, was seit Wochen durch die Gerüchtekü­che schwirrt. Tatsächlic­h, so berichten es amerikanis­che Medien, sollen der US-Präsident und sein Stabschef zuletzt kaum noch miteinande­r geredet haben. Eisiges Schweigen habe geherrscht zwischen den beiden. Als Nachfolger Kellys wird Nick Ayers gehandelt, der Stabschef des Vizepräsid­enten Mike Pence, ein 36 Jahre alter Netzwerker mit guten Kontakten, für den sich Trumps Tochter Ivanka und deren Mann Jared Kushner stark gemacht haben.

Überrasche­nd kommt das alles nicht, zumal es zu Trumps Stil gehört, Personal in einem Tempo auszutausc­hen, wie man es von kaum einem seiner Vorgänger kannte. Gut einen Monat nach dem Dämpfer der Kongresswa­hlen, bei denen die Demokraten das Repräsenta­ntenhaus eroberten, versucht er in die Offensive zu kommen, indem er neue Leute ins Kabinett holt. Anstelle des geschasste­n Südstaatle­rs Jeff Sessions soll William Barr, ein Republikan­er aus Trumps Heimatstad­t New York, Justizmini­ster werden und damit auf einen Posten zurückkehr­en, den er Anfang der 90er bereits unter George Bush innehatte. Heather Nauert, ehemals Fernsehmod­eratorin des konservati­ven Senders Fox News, löst Nikki Haley als UN-Botschafte­rin ab. Schon seit Längerem wird darüber gemunkelt, dass auch die Tage von James Mattis, eines vorsichtig realpoliti­sch denkenden Ex-Generals, an der Spitze des Pentagon gezählt sind. Die Entlassung Kellys, glauben manche, könnte den Boden dafür bereiten.

Mit dem bevorstehe­nden Abgang seines Stabschefs ist wohl endgültig die Hoffnung gestorben, dass sich Donald Trump einhegen lässt von besonnener­en Köpfen in seinem Umfeld. Wenn man einem zugetraut hatte, diesen US-Präsidente­n mit seinen oft haarsträub­enden Tweets, seinen populistis­chen Instinkten, seiner Geringschä­tzung von Erfahrung und Expertise gleichsam in ein Korsett halbwegs berechenba­ren Regierens zu zwingen, dann war es John Kelly.

Der frühere General würde für geordnete Verhältnis­se sorgen, er würde Trump vor dessen schlimmste­n Exzessen bewahren, gründliche Debatten ansetzen, so dass Entscheidu­ngen nicht aus dem Bauch heraus fallen. Das war die Erwartung, doch nun ist auch Kelly gescheiter­t. Tatsächlic­h gelang es ihm zwar zunächst, ein wenig Ordnung in den bis dahin heillos chaotische­n Regierungs­alltag zu bringen. Konnte zuvor jeder von Trumps Vertrauten das Oval Office betreten, wann immer es ihm gefiel, setzte Kelly geregelte Abläufe durch. Auf sein Drängen wurde der ultrarecht­e Stratege Steve Bannon in die Wüste geschickt. Mit der Zeit aber, schildert Bob Woodward in seinem Enthüllung­sbuch „Fear“, verstärkte sich auch bei Kelly das Gefühl, auf verlorenem Posten zu stehen.

Trump ist eben Trump geblieben. Ein dünnhäutig­er Egomane, der auf Dauer niemanden duldet, der ihm widerspric­ht, und sei es auch nur gelegentli­ch. Und das Weiße Haus ist, was es schon vor Kellys Amtsantrit­t war: eine Schlangeng­rube, ein Jahrmarkt der Intrigen. Wie das Paar Ivanka Trump und Jared Kushner verwandtsc­haftliche Nähe ausnutzt, um die eigenen Günstlinge nach oben zu bringen, lässt an den Hof eines Königs denken. Bleibt die Frage, wer in diesem Weißen Haus noch dienen möchte, wenn man von vornherein weiß, dass dort eigentlich nur katzbuckel­nde Leichtgewi­chte gefragt sind.

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EVAN VUCCI/AP/DPA ?? Stabschef John Kelly konnte den Regierungs­stil des US-Präsidente­n nicht verändern.
FOTO: EVAN VUCCI/AP/DPA Stabschef John Kelly konnte den Regierungs­stil des US-Präsidente­n nicht verändern.

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