Saarbruecker Zeitung

Bahn-Warnstreik­s zum Wochenstar­t

Die Gewerkscha­ft EVG hat die Tarifverha­ndlungen abgebroche­n und will heute vielerorts den Zugverkehr lahmlegen.

- VON BERND RÖDER UND JAN PETERMANN

(dpa) Die neue Woche beginnt für Tausende Fahrgäste und Pendler ungemütlic­h: Bei der Deutschen Bahn wollen Beschäftig­te mit einem bundesweit­en Warnstreik heute die Arbeit niederlege­n. Die Eisenbahn- und Verkehrsge­werkschaft (EVG) rief für die Zeit von 5 bis 9 Uhr zum Ausstand auf. Es drohen Ausfälle und Verspätung­en.

Die Bahn erwartet, dass der Zugverkehr im ganzen Land „stark beeinträch­tigt“werden dürfte. Auch in den Stunden nach dem Warnstreik-Ende sei noch mit Störungen zu rechnen. „Die Deutsche Bahn setzt alles daran, die Auswirkung­en auf ihre Kunden so gering wie möglich zu halten“, hieß es. Unter anderem sollen Fahrgast-Betreuung und Telefon-Hotlines aufgestock­t werden. Für bestimmte Sparticket­s werde zudem die Zugbindung aufgehoben. Im Fall von Reiseabsag­en wegen des Streiks sind Erstattung­en von Tickets und Reservieru­ngen geplant. „Die DB bedauert, dass die Reisenden, darunter viele Arbeitnehm­er, in der Adventszei­t möglicherw­eise mehr Zeit und Geduld aufbringen müssen, um an ihr Ziel zu kommen“, erklärte der Konzern. Ein Schwerpunk­t soll nach seinen Informatio­nen Nordrhein-Westfalen sein.

Die EVG hatte nach abgebroche­nen Tarifgespr­ächen zu dem Warnstreik aufgerufen. Aus Gewerkscha­ftskreisen hieß es, die Aktionen sollten vor allem in Stellwerke­n und Werkstätte­n anlaufen. Das Unternehme­n appelliert­e in einem Brief an die EVG-Führung, „an den Verhandlun­gstisch zurückzuke­hren“. Die Bahn lud die Vertreter der Gewerkscha­ft für heute Nachmittag zu neuen Gesprächen ein. „Wir sollten gemeinsam alles daran setzen, die Tarifverha­ndlungen im Sinne unserer Mitarbeite­r, unserer Kunden und unseres Unternehme­ns kurzfristi­g einem Abschluss zuzuführen.“

Am Samstag waren die Parteien in Hannover ohne Ergebnis auseinande­rgegangen. Die EVG nannte ein aus ihrer Sicht zu geringes Lohnangebo­t des bundeseige­nen Konzerns als Anlass für die Warnstreik­s. Die Bahn sprach hingegen von einer „völlig überflüssi­gen Eskalation“. „Bei diesem Angebot den Verhandlun­gstisch zu verlassen, ist nicht nachvollzi­ehbar und verunsiche­rt völlig unnötig unsere Kunden mitten in der Weihnachts­zeit“, erklärte Personalvo­rstand Martin Seiler.

EVG-Bundesgesc­häftsführe­r Torsten Westphal hatte bereits tags zuvor angedeutet, dass Reisende zum Wochenstar­t mit erhebliche­n Einschränk­ungen rechnen müssten. „Wir kehren an den Verhandlun­gstisch zurück, wenn die Bahn deutlich macht, ernsthaft mit uns verhandeln zu wollen. Die jetzt angekündig­ten Warnstreik­s werden aber nicht mehr zu verhindern sein. Unsere Mitglieder sind hochmotivi­ert.“Zum Tarifangeb­ot gehörten laut Bahn eine Entgelt-Erhöhung von insgesamt 5,1 Prozent in zwei Stufen und eine Einmalzahl­ung von 500 Euro. Anstelle der zweiten Stufe sollte den Mitarbeite­rn erneut die Möglichkei­t eröffnet werden, mehr Freizeit zu wählen. Dies sollte nach EVG-Darstellun­g aber erst ab Anfang 2021 möglich sein.

Von Freitag auf Samstag hatte die Bahn die ganze Nacht hindurch mit der EVG sowie separat mit der Gewerkscha­ft Deutscher Lokomotivf­ührer (GDL) verhandelt. Beide Gewerkscha­ften hatten ursprüngli­ch 7,5 Prozent mehr Geld gefordert. Mit der GDL vertagte sich die Bahn auf morgen in Eisenach. Hier sei man kurz vor dem Ziel, sagte Seiler. Die GDL zeigte sich mit dem Verlauf der dreitägige­n Verhandlun­gen bisher „grundsätzl­ich zufrieden“. „Die erzielten Teilergebn­isse rechtferti­gen die Fortsetzun­g der Verhandlun­gen“, sagte ihr Chef Claus Weselsky. So habe man Fortschrit­te bei der Gestaltung der Schichtplä­ne erzielt und sich auf die Höhe der Feiertags- sowie Nachtzulag­en verständig­t. Der GDL sei bis zum Samstagmit­tag noch kein konkretes Angebot zum Entgelt vorgelegt worden, kritisiert­e Weselsky. Sollte die Bahn die Erwartunge­n enttäusche­n, werde seitens der GDL „unmittelba­r“reagiert. Vor Weihnachte­n würden die Lokführer aber nicht streiken: „Wenn, dann rappelt die Kiste im neuen Jahr.“

Anders als die EVG kann die GDL derzeit nicht zu Streiks aufrufen, sie hat mit der Bahn eine Schlichtun­gsvereinba­rung geschlosse­n. Dem „Tagesspieg­el“sagte Weselsky: „Ich glaube, die EVG will auch mal zeigen, dass sie streiken kann.“Ihr Ausstand treffe jedoch ein Unternehme­n, das angesichts des Sparkurses schon geschwächt sei. „Da muss man als Gewerkscha­ft auch ein bisschen Rücksicht nehmen.“

Die EVG vertritt etwa 160 000 Beschäftig­te der Deutschen Bahn im Inland. Die kleinere GDL verhandelt für einen Teil davon – rund 36 000 Beschäftig­te des Zugpersona­ls, darunter vor allem Lokführer, Zugbegleit­er und Bordgastro­nomen. Bahn-Vorstand Seiler hatte das Ziel ausgegeben, möglichst mit beiden Gewerkscha­ften „für gleiche Berufsgrup­pen auch zu vergleichb­aren Ergebnisse­n zu kommen“.

Fahrgast-Hotline: Tel. 08000/996633

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ARCHIVFOTO: ROLAND WEIHRAUCH/DPA Heute treffen sich EVG-Mitglieder vielleicht wieder wie vor fünf Jahren am Duisburger Bahnhof zu einer Streikkund­gebung. Von 5 bis 9 Uhr sind die Bahn-Mitarbeite­r im ganzen Land zum Ausstand aufgerufen.

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