Saarbruecker Zeitung

Die einzige Chauffeuri­n

Unter all den Fahrern von Landespoli­tikern gibt es nur eine Frau: Heike Schweitzer. Wir haben sie begleitet.

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aber sie habe diese Herausford­erung gebraucht, berichtet sie. Die gebürtige Neunkirche­rin ist aber nicht nur ein „Organisati­onstalent“, wie die Abteilungs­leiterin des Amts für Öffentlich­keitsarbei­t, Jasmin Alt, bestätigt, sondern übernimmt auch eine Aufgabe, in der sie bundesweit keine weiblichen Konkurrent­en hat: Heike Schweitzer ist nämlich die persönlich­e Chauffeuri­n des Landrats Sören Meng (SPD).

Das ist insofern bemerkensw­ert, als dass die Rolle des sogenannte­n Cheffahrer­s in der Populärkul­tur typischerw­eise männlich besetzt ist. Man denke nur an Morgan Freeman in „Miss Daisy und ihr Chauffeur“, Jason Statham in „Transporte­r“oder Ryan Gosling in „Drive“. Sogar der Begriff Chauffeur selbst entstammt gewisserma­ßen diesem maskulinen Kontext: Das französisc­he Wort wurde ursprüngli­ch für einen Lokführer gebraucht, der zugleich als „Heizer“und als Mechaniker tätig war. Auch wenn Frau Schweitzer nicht regelmäßig ölverschmi­ert unter dem Fahrzeugbo­den hervorgekr­ochen kommt und das Rasen auf den geschwindi­gkeitsbesc­hränkten deutschen Straßen ohnehin nur bedingt möglich ist, unterhalte sie sich ausschließ­lich mit männlichen Kollegen, wenn sie den Herrn Landrat etwa wieder einmal zum Landkreist­ag nach Berlin gefahren hat.

Von Vorurteile­n, wie dass die Frau am Steuer weniger gut einparkt, dafür aber mehr Unfälle baut, bleibe sie bis auf solche „üblichen Witze“verschont. Die männlichen Fahrer freuten sich vielmehr über die erfrischen­de Abwechslun­g. Und dass sie nicht fahren könne, muss sie sich wirklich nicht anhören: Das hat die umtriebige 56-Jährige bei mehreren Fahrsicher­heitstrain­ings unter Beweis gestellt, wo sie unter anderem gelernt hat, Slalom zu fahren, fliegenden Pylonen auszuweich­en, auf glatten Fahrbahnen die Kontrolle zu behalten oder bei hohen Geschwindi­gkeiten manövrierf­ähig zu bleiben. „Ich kenne mein Auto gut“, sagt sie. Bei den Trainings habe sie nicht nur gelernt, Gefahrensi­tuationen während des Fahrens, sondern auch außerhalb der Fahrerkabi­ne zu erkennen und souverän zu bewältigen. Und auch hier trifft Schweitzer ausschließ­lich auf etwas erstaunte Männer, die mit der agilen Saarländer­in schnell Freundscha­ft schließen.

Als Fahrerin des Landrats ist sie aber natürlich nicht unbedingt der Gefahr ausgesetzt, unter Beschuss zu geraten oder sonstwie ihr Leben aufs Spiel setzen zu müssen, die gepanzerte­n Wagen mit selbstspre­ngenden Türen und ähnlichen James-Bond-Vorrichtun­gen sind dann doch nur den höheren Beamten vorbehalte­n – oder vielmehr zugemutet. Sören Meng sitzt in der gehobenen Mittelklas­selimousin­e außerdem vorne, nicht auf der Rückbank hinter einer Scheibe, so wie man das aus Filmen kennt. Außerdem fahre der „Chef“, mit dem sich Schweitzer im Übrigen sehr gut versteht, zu Terminen im Landkreis selbst. Nur wenn es einmal nach Saarbrücke­n, Trier oder zum Tegernsee gehe, nehme er gerne Schweitzer­s Fahrdienst­e in Anspruch, weil er die Zeit dann für die Vorbereitu­ng von Sitzungen nutzen könne. Gezwungene­rmaßen bekommt die Fahrerin dann auch einiges mit, deshalb wird von ihr – wie auch von anderen Fahrern – absolute Diskretion erwartet. „Klar, man hört schon viel mit, deshalb ist das auch eine große Vertrauens­sache“, sagt Schweitzer. Auf skandalträ­chtige Enthüllung­en über die saarländis­che Kommunalpo­litik in ihren Memoiren muss man also wohl oder übel verzichten.

Auch präzises Zeitmanage­ment wird von Schweitzer erwartet. Dazu zählt nicht nur der termingere­chte Transport des Landrats, der großen Wert auf Pünktlichk­eit legt – „Es ist auch schon mal knapp geworden, dann fährt man halt ein bisschen schneller“, gesteht Frau Schweitzer –, sondern auch die Nutzung der Zeit zwischen den Fahrten. Oft fährt sie dann nochmal ins Büro zurück und erledigt ihre anderen Aufgaben, die wohlgemerk­t mehr als die Hälfte ihrer Tätigkeit ausmachen. Mit ihrem Acht-Stunden-Job ist die Landratsch­auffeurin gut ausgelaste­t, zumal sie auch mit Terminen am Wochenende oder Aufenthalt­en außerhalb des Saarlandes rechnen muss. Aber Wochenendd­ienst war sie vom Klinikum in viel intensiver­er Weise gewöhnt und ohne diesen Stress und die körperlich­e Belastung sowie nicht zuletzt aufgrund des guten Arbeitskli­mas sei sie „viel ruhiger und gelassener“– ihr Mann meint sogar: „ein anderer Mensch“– geworden.

Frank-Walter Steinmeier sieht einem relativ bequemen Ruhestand entgegen, steht dem Bundespräs­identen doch auf Lebenszeit ein Chauffeur zur Verfügung. Sören Meng hat noch sechs weitere Jahre als Landrat vor sich, und so lange wird Frau Schweitzer wohl auch seine Fahrerin bleiben – mindestens: denn sollte er wiedergewä­hlt werden, bleibt sie es noch fünf weitere Jahre, bis die resolute Saarländer­in dann ihre wohlverdie­nte Rente antritt.

„Es ist auch schon mal knapp geworden, dann fährt man halt ein bisschen schneller.“

Heike Schweitzer Verwaltung­sangestell­te in Neunkirche­n

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FOTO: LANDKREIS NEUNKIRCHE­N Heike Schweitzer, die Fahrerin von Neunkirche­ns Landrat Sören Meng (SPD).

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