Ford will 1600 Jobs in Saarlouis streichen
Der US-Autohersteller kündigt einen massiven Stellenabbau an. Der Betriebsrat will Widerstand leisten.
SAARLOUIS Schlechte Nachrichten für die Ford-Belegschaft in Saarlouis. Im Zuge eines scharfen Kostensenkungsprogramms in Europa will der US-Konzern im Saarland massiv Stellen abbauen. Etwa 1600 der insgesamt 6300 Jobs sollen gestrichen werden. Das entspricht einer kompletten Schicht. Der Stellenabbau soll möglichst sozialverträglich abgewickelt werden, sagte eine Ford-Sprecherin. Rund 400 Beschäftigte würden demnächst in Ruhestand gehen. Verträge von 500 Leiharbeitern würden nicht verlängert. In der Stammbelegschaft sollen „unter dem Strich 640 Arbeitsplätze wegfallen“, zum Großteil durch Altersteilzeit und Abfindungen.
Der Stellenabbau ist Folge einer drastischen Kürzung der Produktion, die Ford sich vorgenommen hat. Die Fertigung des C-Max und des Grand-CMax, also des Familien-Vans, soll im kommenden Jahr wegen stark rückläufiger Nachfrage auslaufen. Dann soll in Saarlouis nur noch der Focus gebaut werden. Außerdem soll von Drei- auf ZweiSchicht-Betrieb umgestellt werden. Der Autobauer will mit den Sanierungsschritten das Europa-Geschäft wieder rentabel machen. In diesem Jahr sind zunehmend Verluste aufgelaufen. Das Ziel sind sechs Prozent Rendite.
Gestern wurde die Belegschaft in Saarlouis auf einer Betriebsversammlung über die Pläne informiert. Betriebsratschef Markus Thal will den Stellenabbau nicht widerspruchslos hinnehmen. „Ganz so einfach geht das nicht“, sagte er und will die anstehenden Gespräche mit dem Management ergebnisoffen führen. Thal verweist auf eine Betriebsvereinbarung, in der eine Jobgarantie bis 2021, ein DreiSchicht-Betrieb sowie die jährliche Fertigung von 350 000 Autos festgeschrieben sei.
Die saarländische Politik reagierte erschüttert. „Der angekündigte Stellenabbau bei Ford in Saarlouis ist eine schlimme Nachricht für den Standort“, sagte Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD).
„Das ist eine schlimme Nachricht für den Standort.“
Anke Rehlinger (SPD) Saar-Wirtschaftsministerin
VOLKER MEYER ZU TITTINGDORF
SAARLOUIS Die Hochstimmung vom Mai ist verflogen. Damals feierten Mitarbeiter und Management im Saarlouiser Ford-Werk mit einer Riesen-Show den Produktionsstart der neuen, nunmehr vierten Generation des Focus. Nun stehen harte Einschnitte bevor. Eine komplette Schicht soll gestrichen werden. Statt rund um die Uhr im Drei-Schicht-Betrieb soll das Werk nur noch in zwei Schichten laufen – mit einer entsprechend kleineren Belegschaft. 1600 Arbeitsplätze von insgesamt 6300 fallen damit weg, wenn in den anstehenden Gesprächen mit dem Betriebsrat die Pläne der Geschäftsführung nicht noch abgemildert werden. Gestern Nachmittag wurden die Mitarbeiter auf einer Betriebsversammlung informiert. „Die Belegschaft ist enttäuscht – angesichts dessen, was sie in den vergangenen Jahren geleistet hat“, gerade im Vorfeld des Starts für den neuen Focus, sagte Betriebsratschef Markus Thal.
Der Stellenabbau soll möglichst sozialverträglich ablaufen, kündigte eine Ford-Sprecherin an. Rund 400 Beschäftigte gingen demnächst in Ruhestand. Die Verträge von etwa 500 Leiharbeitern, die im Juni auslaufen, würden nicht verlängert. Etwa 640 Mitarbeitern der Stammbelegschaft drohe der Jobverlust. Über Altersteilzeit und Abfindungen lasse sich aber dieser Arbeitsplatzabbau schaffen. Aufgrund der Altersstruktur der Belegschaft sei das Potenzial sogar größer als erforderlich, sagte die Sprecherin. Einer Betriebsvereinbarung zufolge sind Kündigungen bis 2021 ausgeschlossen. Solche Vereinbarungen enthalten aber Klauseln, die Gespräche über Jobabbau erlauben, wenn sich die wirtschaftliche Situation ändert. Und „das ist der Fall“, sagte die Sprecherin.
Der Betriebsratschef sieht das alles ganz anders. „Ganz so einfach geht das nicht“– gerade wegen der Betriebsvereinbarung. Darin sei zum Beispiel ausdrücklich ein DreiSchicht-Betrieb festgeschrieben. Reden könne man, wenn sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen änderten, aber „ergebnisoffen“, betonte Thal. Mit anderen Worten: Die Pläne für den Stellenstreichungen will die Arbeitnehmervertretung nicht widerspruchslos hinnehmen. Zumal Thal nicht glaubt, dass die Pläne des Managements einen sozialverträglichen Jobabbau zulassen. So bedeute ja Altersteilzeit nicht, dass die Mitarbeiter sofort aus dem Betrieb raus seien. Wenn also im kommenden Sommer der Zwei-Schicht-Betrieb anläuft, haben nach Thals Auffassung mehr als 600 Stamm-Beschäftigte keine Arbeit. Es müsse Ersatzbeschäftigung her oder eine wirklich sozialverträgliche Lösung. Oder ein neues Modell in der Fertigung, was aber bislang nicht in Sicht sei, sagte Thal.
Ganz überraschend kommen die schlechten Nachrichten nicht. Seit dem Sommer machen sich die Mitarbeiter in den europäischen Werken Sorgen. Denn Europa gilt in den Augen der Spitzenmanager am Ford-Hauptsitz in Dearborn nahe der US-Autohochburg Detroit als die größte Baustelle im Konzern. Ford-Chef Jim Hackett hatte im Juli seinem Unmut freien Lauf gelassen: „Wir sind extrem unzufrieden mit unserer Leistung in Europa.“In den drei Monaten bis Ende Juni stand unter dem Strich ein Verlust von 73 Millionen Dollar. Die Kosten würden daher „aggressiv attackiert“, verkündete der Konzern. 25,5 Milliarden Dollar sollen bis 2022 gespart werden. Und dazu sollen die europäischen Standorte offenbar erheblich beitragen. Zumal die Verluste in Europa sich in den folgenden Monaten noch ausgeweitet haben. Im dritten Quartal belief sich das Minus auf 192 Millionen Dollar. Auch die deutschen Werke sind gefordert, obwohl sie profitabel arbeiten, wie es kürzlich noch hieß. Ford will in Europa nämlich nicht nur zurück in die schwarzen Zahlen. Ziel sind sechs Prozent Rendite vom Umsatz.
Ein Grund für schlechte Zahlen ist offenbar auch der Brexit. „Der spielt eine große Rolle“, sagte eine Ford-Sprecherin. Dort sei die Nachfrage insbesondere nach dem auch in Saarlouis produzierten C-Max besonders stark zurückgegangen. Wie überhaupt der C-Max ein besonderer Problemfall ist. Ford-Finanzchef Robert Shanks hatte den Kompaktvan C-Max im Sommer ausdrücklich als Beispiel für ein Modell genannt, das unterdurchschnittliche Ergebnisse liefert. Nun zieht das Management Konsequenzen. Die Fertigung des C-Max soll im kommenden Jahr auslaufen. Im Werk Saarlouis soll künftig nur noch der Focus gebaut werden. Nach Unternehmensangaben wurden 2013 in Deutschland noch mehr als 200 000 C-Max verkauft, 2018 noch 126 000. In diesem Jahr werden in Saarlouis etwa 282 000 Autos gebaut, sagte die Ford-Sprecherin. Davon seien gerade mal etwa 54 000 C-Max. Für das nächste Jahr wollte sie keine Prognose abgeben. Im Frühjahr hatte Betriebsratschef Thal noch angekündigt, dass jährlich 350 000 Auto in Saarlouis gefertigt werden sollten. So stehe es übrigens auch in der Betriebsvereinbarung, betonte er gestern.
„Ganz so einfach geht das nicht.“
Markus Thal
Betriebsratschef von Ford Saarlouis