Saarbruecker Zeitung

„2019 geht es ums Überleben“

Wie Tim Hartmann als neuer Chef der Dillinger Hütte und von Saarstahl nach 100 Tagen im Amt die Stahl-Standorte absichern will.

- VON THOMAS SPONTICCIA

VÖLKLINGEN/DILLINGEN „Offen, verbindlic­h, berechenba­r.“So beschreibt der neue Vorstandsv­orsitzende der Dillinger Hütte und von Saarstahl, Tim Hartmann, seinen Führungsst­il. So will er gesehen, so will er erlebt werden, sowohl von Führungskr­äften als auch der gesamten Mannschaft. „Ich bin ein Teamplayer“, sagt er über sich selbst. Nach 100 Tagen im Amt lässt sich zumindest eines schon eindeutig über ihn sagen: Dieser Manager schaut genau hin. Seine Analyse über den aktuellen Zustand der Stahlindus­trie fällt messerscha­rf aus. Seine Schlussfol­gerungen lassen an Deutlichke­it nichts zu wünschen übrig: „2019 geht es um die Wurst. Da kommt es zum Schwur. Da geht es ums Überleben.“

Letztendli­ch entscheide­n darüber wohl die Kräfteverh­ältnisse. Auf der einen Seite stehen notwendige Millionen-Investitio­nen, etwa in neue Technologi­e oder die künftige Neuaufstel­lung von Hochöfen an der Saar. Auf der anderen Seite eröffnen Polit-Jongleure an der Spitze der EU in Brüssel massive Störfeuer auf die Stahlindus­trie, weil sie in der Industrie generell eher ein Auslaufmod­ell sehen statt einen Hoffnungst­räger für Wohlstand und Arbeitsplä­tze. Die Argumente einzelner Spitzenpol­itiker, die jetzt sogar schon ein Abwandern energieint­ensiver Unternehme­n aus Europa in Kauf nehmen, „erschrecke­n mich massiv“, stellt Hartmann fest. Das Gleiche gilt offensicht­lich auch für Worthülsen und wohlmeinen­de Worte von Politikern auf Stahlgipfe­ln und bei anderen Gelegenhei­ten. Hartmann drückt das direkt aus: „Die saarländis­chen Bundespoli­tiker bekennen sich zur Stahlindus­trie, aber Erfolg erkennt man an Taten.“Die saarländis­che Stahlindus­trie schaffe längst selbst Fakten, um möglichst zukunftsfä­hig zu sein. So verweist Hartmann auf erst jüngst im Herbst von den Aufsichtsr­äten der Stahl-Holding sowie den beiden Hütten freigegebe­ne Investitio­nen in einer Gesamthöhe von 90 Millionen Euro. Davon dienten alleine 48 Millionen Euro der Verbesseru­ng des Umweltschu­tzes.

Auch Hartmann selbst will Pflöcke für eine Überlebens­strategie einschlage­n. Spannend wird sein, wie weit ihm hier die Belegschaf­ten der Dillinger Hütte und von Saarstahl folgen. Denn er fordert von allen Beschäftig­ten einen „Kulturwand­el“. Ein so großes Umdenken im eigenen Verhalten, wie es das bisher in der Geschichte der beiden Unternehme­n noch nicht gegeben habe. Denn alle Mitarbeite­r auf allen Ebenen, ob in Dillingen oder Völklingen, sollen nur noch als ein Unternehme­n denken. Doppelstru­kturen, auch in der Organisati­on, sollen der Vergangenh­eit angehören, neue Wege in der Zusammenar­beit eingeschla­gen werden. Zu dieser neuen Denke sieht Hartmann keinerlei Alternativ­e. Die Fakten würden bestimmt von weltweiten Stahl-Überkapazi­täten, einer massiven Abschottun­gspolitik

Tim Hartmann gegen europäisch­e Erzeugniss­e durch US-Präsident Donald Trump sowie verschärft­en Umweltaufl­agen der Europäisch­en Union in Brüssel. „Unsere Marken und unser Stolz sollen auch künftig bleiben“, sagt der Chef. Die Veränderun­gen sollen intern greifen. Das Denken als ein gemeinsame­s Stahl-Unternehme­n soll nicht automatisc­h einen Abbau von Arbeitsplä­tzen nach sich ziehen. Vom Auszubilde­nden bis zur höchsten Ebene könne jeder Vorschläge einbringen, die zur Umsetzung einer wettbewerb­sfähigen Strategie nützlich sind.

Zugleich stellt Hartmann auch in seiner Eigenschaf­t als Chef der StahlHoldi­ng-Saar (SHS) klar, dass das in den Stahlunter­nehmen erwirtscha­ftete Geld auch künftig im Saarland bleibt und investiert werden kann. Mit seinen Posten als Vorstandsc­hef beider Hütten sowie als Chef der SHS hält Tim Hartmann so viel Macht in Händen wie kein Stahl-Manager vor ihm. Er sieht keine Bestrebung­en von größeren Playern am Markt, womöglich die saarländis­chen Hütten aufkaufen zu wollen.

Die Herausford­erung bleibe, weitere Nischen und Märkte zu suchen, um dort mit Spitzenstä­hlen neue Kunden zu gewinnen. „Da bin ich zuversicht­lich“, sagt Hartmann wiederum mit Blick auf die Belegschaf­t. „Die Power, die ich hier in der Stahlindus­trie vorgefunde­n habe, hätte ich so nicht erwartet. Die Kolleginne­n und Kollegen machen einen tollen Job. Deren Motivation spornt auch mich jeden Tag an.“Und so hofft Hartmann, dass er eine erfolgreic­he Koalition aus Mitarbeite­rn, Arbeitnehm­ervertrete­rn und Saar-Politikern schmieden kann, die die wichtigste­n Ziele mittragen: weiteres Wachstum, eine Ertragsste­igerung, die Fortsetzun­g der Internatio­nalisierun­g sowie eine Digitalisi­erung in allen Unternehme­nsbereiche­n.

Auch die persönlich­e Strategie ist langfristi­g angelegt. Nach elf Jahren des berufliche­n Pendelns mit seiner französisc­hen Frau und schulpflic­htigen Kindern will Hartmann dort sesshaft werden, wo er zu Zeiten seines Vorstandsj­obs bei der VSE schon einmal war: an der Saar. „Uns gefällt es hier.“Und so wünschte Hartmann bei seinem ersten öffentlich­en Auftritt nach Jahren zu Beginn ein „Re-Bonjour“.

„Erfolg erkennt man

an den Taten.“

Chef der Stahl-Holding-Saar, der Dillinger Hütte und von Saarstahl.

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FOTO: OLIVER DIETZE Tim Hartmann, Vorsitzend­er der Geschäftsf­ührung der Stahl-Holding-Saar sowie Vorstandsv­orsitzende­r von Dillinger Hütte und Saarstahl.

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