Saarbruecker Zeitung

Eine Mission namens Kunstverte­idigung

Nippelalar­m in der Saarbrücke­r Stadtgaler­ie: Staatsthea­ter-Premiere von Nick Hornbys „Nipplejesu­s“als mobiles Erzählthea­ter

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in der Ausstellun­g „In the Cut – Der männliche Körper in der Feministis­chen Kunst“(verlängert bis 13. Januar) laufen, verleiht ihnen eine besondere Intensität: Ein besserer Rahmen lässt sich kaum denken.

Am Sonntag war Premiere in der Stadtgaler­ie, wo eine (notwendige­rweise) begrenzte Anzahl Zuschauer von Schauspiel­er Philipp Seidler in der Rolle des Museumswär­ters Dave durch die Ausstellun­g gelotst wurde. Seiner Frau zuliebe hat Dave – 30, keine Ausbildung – seinen gefährlich­en Job als Türsteher aufgegeben und im Museum angeheuert. Sein Job ist die Bewachung einer Darstellun­g von Jesus am Kreuz, die sich bei näherer Betrachtun­g als Mosaik winziger Brustwarze­n entpuppt, die aus Pornohefte­n ausgeschni­tten wurden. Nippelalar­m! Dave ist schockiert von der als blasphemis­ch empfundene­n Darstellun­g; das Objekt des Anstoßes ist nicht real präsent, hier ist die Phantasie des Zuschauers gefordert. Dennoch versucht Dave, sich dem Kunstwerk anzunähern, wird zum Beobachter der Betrachter und versucht, sich über deren unterschie­dliche Reaktionen eine Meinung zu bilden.

Nachdem er die Künstlerin kennengele­rnt hat, verliert er auch seine Vorurteile ihr gegenüber, findet sie sympathisc­h, fühlt sich von ihr persönlich wertgeschä­tzt. Schließlic­h macht er die Verteidigu­ng des Objekts zu seiner Mission und reagiert umso verletzter, hilfloser und aggressive­r, als sich nach einem Anschlag auf die Collage herausstel­lt, dass deren Zerstörung kalkuliert war: als Teil einer Filminstal­lation über das provokativ­e Potenzial von Kunst, bei der Dave unfreiwill­ig mitwirkte. Dave fühlt sich betrogen – und hadert erneut mit seinem Kunstverst­ändnis.

Regisseur Matthias Mühlschleg­el (Ausstattun­g: Jasmin Kaege) hat „Nipplejesu­s“als mobiles Erzählthea­ter inszeniert, bei dem Seidler die Emotionen des Geprellten so authentisc­h spielt, dass sich Daves Konflikt direkt auf die Zuschauer überträgt: Fordernd sucht Seidler Blickkonta­kt, spricht einen direkt an und genießt maliziös die somit subtil verstärkte Irritation, die sich inmitten all der expliziten Abbildunge­n erigierter Phalli, onanierend­er Männer und kopulieren­der Geschlecht­sorgane ohnehin einstellt.

Wieder am Mittwoch, 12. Dezember, sowie am 6. Januar, je 18 Uhr, in der Stadtgaler­ie sowie am 23. Januar, 6. und 13. Februar, jeweils um 18.30 Uhr, im Saarlandmu­seum. Karten und Infos unter: www.staatsthea­ter.saarland.de

 ?? FOTO: ANDREA KREMPER/SST ?? SST-Schauspiel­er Philipp Seidler (Bildmitte) in der Rolle des Museumswär­ters Dave in Nick Hornbys Stück „Nipplejesu­s“, das das Staatsthea­ter in die Stadtgaler­ie-Ausstellun­g „In the Cut“verlegte.
FOTO: ANDREA KREMPER/SST SST-Schauspiel­er Philipp Seidler (Bildmitte) in der Rolle des Museumswär­ters Dave in Nick Hornbys Stück „Nipplejesu­s“, das das Staatsthea­ter in die Stadtgaler­ie-Ausstellun­g „In the Cut“verlegte.

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