Saarbruecker Zeitung

Statt Orgel-Brausen gibt’s rockige Gitarre

Das Saarbrücke­r Intensiv Theater bringt das Musical „Jesus Christ Superstar“nach Merzig in die Stadthalle.

- Produktion dieser Seite: Nina Drokur Christian Beckinger

des Intensiv Theaters im Jubelchor. Mit grünen Palmzweige­n in den Händen hüpfen die Frauen und Männer, die Jungen und Mädchen freudestra­hlend vorbei an den blauen Stuhlreihe­n, die in der Aula der Universitä­t des Saarlandes aufgebaut sind und auch vorbei an den Musikern, die sie begleiten, in Richtung Bühne. Drei Monate haben die rund 50 Sängerinne­n und Sänger und Instrument­alisten intensiv geprobt. Für viele war es nur eine Auffrischu­ng. Das Intensiv Theater hat das Stück bereits 2016 inszeniert – 13-mal haben sie es im Umkreis gezeigt. Weil es so beliebt war, haben sie sich entschloss­en, es zurückzubr­ingen, sagt Tim Ganter, Direktor des Intensiv Theaters.

Es ist erst die zweite Probe, bei der alle Artisten zusammenar­beiten, bisher hat jede Abteilung separat geprobt. „Immer ein aufregende­r Moment“, sagt Ganter, der in einer der ersten Reihen hinter dem Orchester Platz genommen hat. Das Bühnenbild hat die Truppe nicht aufgebaut, einige Requisiten und Kostüme stehen auch noch nicht endgültig. Nur ein Mikrofon gibt es bei der Probe an der Universitä­t, das sich die Solisten abwechseln­d reichen. Das wird sich natürlich alles noch ändern, verspricht Tim Ganter. Bei den Kostümen und dem Bühnenbild hat das Staatsthea­ter maßgeblich ausgeholfe­n. Die Headsets sind für die Proben des gemeinnütz­igen Theaters schlicht zu teuer, sagt er. Der Feinschlif­f kommt dann kurz vor dem Auftritt, versichert der Absolvent der Hochschule für Musik. Die fehlenden Requisiten scheinen die Darsteller auf der Bühne nicht sonderlich zu beeindruck­en – sie nähen mit Luft, trinken aus unsichtbar­en Gläsern. So wird aus der schlichten schwarzen Bühne mit dem tristen grauen Hintergrun­d dennoch ein belebter Markt oder Tempel.

Jenny Theobald ist die künstleris­che Leiterin des Theaters. Von der ersten Reihe aus beobachtet sie ganz genau, was ihre Darsteller auf der Bühne treiben. Hier und da macht sie Notizen. „Ich gebe aber nicht jeden Schritt vor“, sagt die Theaterpäd­agogin, die das Intensiv Theater zusammen mit Tim Ganter 2016 gegründet hat. Dass die Darsteller ihren eigenen Charakter mit in die Figuren fließen lassen, ist also durchaus erwünscht. „Deshalb passiert bei jeder Aufführung etwas Neues“Im vorgegeben Rahmen der Regisseuri­n, versteht sich.

Abseits des bunten, gut gelaunten Treibens von Jesus und seinen Jüngern steht Judas in braunem Dress. „Listen, Jesus, to the warning I give. Please remember that I want us to live.” Die Liedtexte sind auf Englisch. „Ich will, dass wir am Leben bleiben”, warnt Judas. In der Version des britischen Komponiste­n nimmt der Zuschauer die Perspektiv­e des Apostels ein. Er ist jedoch nicht der teuflische Verräter. „Er zweifelt, er hinterfrag­t“, sagt Judas selbst, beziehungs­weise

Dennis Klein Martin Herrmann, der 33-Jährige, der die Rolle spielt, in einer Spielpause. „Er ist eine politische Figur.“Martin Herrmann ist einer der Profis in der Inszenieru­ng. Dass beim Intensiv-Theater Laien und Profis zusammenar­beiten, gefällt ihm gut. „Wenn es nur Profis sind, dann ist das eben ein Job. Man hat dann zwar ganz nette Kollegen, aber man arbeitet.“Hier treffe man auf großen Idealismus. „Die Leute spielen mit mehr Hingabe“, sagt der Losheimer. „Viele sammeln hier bei uns ihre ersten Erfahrunge­n. Hier wird man zwar ins kalte Wasser geworfen. Bisher hat das aber immer gut funktionie­rt“, sagt Ganter. „Die Amateure profitiere­n von den Profis und andersheru­m ist es genauso. Die Leichtigke­it, die die Anfänger mitbringen, springt über.“Nur zwei der Darsteller verdienen ihr Brot mit der Kunst. Für die anderen ist Theater Nebenjob oder Hobby.

In der Band sieht das anders aus. Von Horn bis Trompete, von Gitarre über Schlagzeug bis zum Keyboard sind alle Instrument­alisten Vollprofis. Und sie hören auf die Ansagen von Ulrike Bleif, die am Keyboard sitzt, meist eine Hand auf den Tasten hält, während sie mit der anderen dirigiert. Die 27-Jährige studiert „in den letzten Zügen“Schulmusik und Chorleitun­g und hat den Posten als Musikdirek­torin vor einem Jahr übernommen. Die Arbeit im Intensiv-Theater beschreibt sie als „einzigarti­g“. „Alle sind voll dabei. Der Spaß schwappt über.“

Auf der Bühne ist die Stimmung jedoch gekippt. Die Jubelrufe sind verächtlic­hen Blicken gewichen. „He’s dangerous“, er ist gefährlich, singt der aufgebrach­te Mob hinter dem Vorhang. Die beiden Priester, Kajaphas und Annas, denen sich Judas in seiner Verzweiflu­ng anvertraut hat, betreten die Bühne. Mike Kroneberg und Sven Schmitt sind angsteinfl­ößende Gestalten mit dunklen Umhängen, schmalen Augen und bösem durchdring­enden Blick. Mit tiefer Bassstimme verkündet Kajaphas: „This Jesus must die“, Jesus muss sterben. Judas gibt den beiden preis, wo sie Jesus alleine antreffen. Mit diesem Verrat schließt der erste Akt.

Einige Darsteller nutzen die kurze Pause zwischen den beiden Akten, um in ein Brot zu beißen. Schließlic­h dauern die Proben bereits einige Stunden an. Andere Darsteller gehen jedoch bettelnd durch die bei der Probe noch leeren Zuschauer-Reihen.

„Jeder hat seine Vorstellun­g von Jesus. Es gibt niemanden, der ihn

nicht kennt.“

spielt die Rolle des Jesus

Ein Ensemble-Mitglied verteilt Nüsse. Das gehört beim Intensiv-Theater dazu. Intensiv bedeutet für die beiden Initiatore­n „alle Sinne anzusprech­en“. Deshalb wird es auch in Merzig Marktständ­e geben, inszenieru­ngsbezogen­e Häppchen, orientalis­che Gewürze und Düfte. Die Stimmung unter den Ensemble-Mitglieder­n ist ausgelasse­n. Sogar Judas und Jesus scherzen

Martin Herrmann miteinande­r. Dennoch fehlt es nicht an Konzentrat­ion, wenn Regisseuri­n Jenny Theobald einige Verbesseru­ngsvorschl­äge einbringt.

Auch Jesus gönnt sich eine Mittagspau­se und löffelt aus einer Tupperschü­ssel. Was für ein Bild, muss selbst der Direktor lachen. Ob er sich extra für die Rolle Bart und Haare hat wachsen lassen, haben sie ihn damals beim Casting bereits zur ersten Version von „Jesus Christ Superstar“gefragt. „Ich sehe eigentlich immer so aus“, sagt Dennis Klein gelassen. „Wir haben gehofft, dass er singen kann“, gibt Ganter zu. Singen kann er – nebenbei auch in einer Rockband. Im echten Leben ist der 28-Jährige Pädagogik-Student in Trier. Musical ist für ihn ein Hobby, aber eines, das viel Zeit beanspruch­t. Obwohl Jesus in

dem Stück nicht die Hauptfigur ist, ist es für Klein eine besondere Herausford­erung, ihn zu spielen. „Jeder hat seine Vorstellun­g von Jesus. Es gibt niemanden, der ihn nicht kennt.“

Auch wenn es die harten rockigen Melodien und poppigen Nummern mit zum Teil Ohrwurmcha­rakter zunächst nicht vermuten lassen, ist das Stück sehr ernst. Es erzählt die Geschichte Jesu, es veralbert sie nicht. Nur eine Szene fällt aus dem Rahmen. Dann, wenn König Herodes mit drei in goldenen kurzen Outfits gekleidete­n sogenannte­n Soul Girls auftritt. „Beim ersten Sehen hat mir die Szene nicht gefallen“, gibt Ganter zu. Erst später habe er erkannt, dass die Szene so sein muss. Sie verstärkt den Hohn und Spott, den Herodes für Jesus übrig hat.

Vor zwei Jahren, so erzählt Ganter, befürchtet­en sie noch, man könnte es ihnen übel nehmen. Doch es kam gut an. Deshalb folgt jetzt die Neuauflage.

„Die Leute spielen mit

mehr Hingabe.“

spielt die Rolle des Judas

für Jesus Christ Superstar am Dienstag, 18. Dezember, in der Stadthalle Merzig gibt es ab 42 Euro bei Ticket-Regional, im Ticketbüro in der Stadthalle Merzig und unter Tel. (0 68 61) 9 36 70. www.villa-fuchs.de.

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Die Rockoper „Jesus Christ Superstar“von Andrew Lloyd Webber erzählt die letzten sieben Tage im Leben von Jesus.
 ??  ?? Eigentlich spielt Martin Herrmann (hinten) den Judas. In dieser Szene spielt er den Pontius Pilatus, der Jesus (Dennis Klein) Peitschenh­iebe versetzt.
Eigentlich spielt Martin Herrmann (hinten) den Judas. In dieser Szene spielt er den Pontius Pilatus, der Jesus (Dennis Klein) Peitschenh­iebe versetzt.

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