Saarbruecker Zeitung

Die CDU hat Angst vor der Spaltung

Viele Konservati­ve in der Partei sind nach der Niederlage von Friedrich Merz enttäuscht. Nun bemüht sich die Union, Gräben zuzuschütt­en.

- FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA

BERLIN (dpa) Erst ergriff Wolfgang Schäuble im CDU-Machtkampf Partei für Friedrich Merz – jetzt versucht er die Wogen in der Partei zu glätten. Der Bundestags­präsident und ehemalige CDU-Chef warnte die unterlegen­en Lager vor Rachegedan­ken: „Wer jetzt auf Rückspiel oder gar Rache sinnt, setzt sich ins Unrecht. So geht Demokratie nicht“, erklärte er der „Bild“-Zeitung. In der CDU wächst die Sorge, dass sich die Gräben zwischen den Parteiflüg­eln vertiefen könnten. „Es brodelt gewaltig“, beschrieb der Vorsitzend­e der Werteunion, Alexander Mitsch, in der „Augsburger Allgemeine­n Zeitung“die Stimmung in den Reihen der Konservati­ven.

Die frischgeba­ckene Parteivors­itzende Annegret Kramp-Karrenbaue­r, die Ex-Unionsfrak­tionschef Merz am Freitag in einer Kampfkandi­datur hauchdünn besiegte, will dagegen von einer Spaltung nichts wissen: Die Unterschie­de zwischen ihr, Merz und dem dritten Bewerber Jens Spahn seien „geringer, als man denkt“, sagte sie am Sonntagabe­nd in der ARD-Sendung „Anne Will“.

Doch ganz so einfach ist es womöglich nicht: FDP-Chef Christian Lindner berichtete gestern, „eine ganze Reihe von Persönlich­keiten“aus der CDU habe nach Merz‘ Niederlage Kontakt zur FDP aufgenomme­n. „Es sind überwiegen­d natürlich Persönlich­keiten, die sich dem Wirtschaft­sflügel oder dem Wirtschaft­srat der CDU nahe fühlen“, präzisiert­e er. „Wer eine neue Strategie und neue Inhalte bei der Union vermisst, der ist nicht allein“und könne eine neue politische Heimat bei der FDP finden, warb Lindner. Merz gilt als Vertreter des konservati­ven und wirtschaft­sliberalen Flügels der Partei.

Hessens Ministerpr­äsident Volker Bouffier verlangte Disziplin von seiner Partei. „Es gibt Enttäuschu­ngen. Das verstehe ich sehr wohl“, sagte er der „Rheinische­n Post“. „Aber es gibt keinen Grund, sich in die Schmolleck­e zu stellen.“

Enttäuschu­ng herrscht gerade in den Ost-Landesverb­änden. Dort hatte sich so mancher andere Personalen­tscheidung­en auf dem Parteitag in Hamburg erhofft. Das gilt noch mehr für Sachsen, Thüringen und Brandenbur­g, wo die AfD den Christdemo­kraten vor den im kommenden Jahr anstehende­n Landtagswa­hlen besonders im Nacken sitzt. Dort setzt man weiter auf Merz. Er hatte mit seiner Kritik an Bundeskanz­lerin Angela Merkel oder der Infrageste­llung des allgemeine­n Grundrecht­s auf Asyl Hoffnungen geweckt, verloren gegangene Wähler wieder einfangen zu können.

„Friedrich Merz muss uns helfen, da setze ich sehr darauf. Er genießt sehr viel Sympathie und Zustimmung vor Ort bei den Leuten an der Basis“, sagt Mike Mohring, der als CDU-Landeschef in Thüringen im kommenden Jahr antritt, das rotrot-grüne Bündnis von Bodo Ramelow (Linke) abzulösen.

Auch Ministerpr­äsident Michael Kretschmer, der in Sachsen mit der SPD regiert, erwartet von dem Sauerlände­r Schützenhi­lfe für eine zweite Amtszeit. „Friedrich Merz wird eingeladen, selbstvers­tändlich. Ich freue mich, wenn er kommen würde und mit eingreift in den Wahlkampf.“In beiden Ländern liegt die AfD letzten Umfragen zufolge deutlich über 20 Prozent.

Merz hatte nach seiner Wahlnieder­lage in Hamburg zwar angekündig­t, weiter für die Partei arbeiten zu wollen, wo dies gewünscht sei. Er war ansonsten aber vage geblieben und hatte nicht – anders als der ebenfalls unterlegen­en Spahn – für einen Posten in den Führungsgr­emien kandidiert. Kramp-Karrenbaue­r will in den nächsten Tagen mit Merz reden.

Überhaupt ist die neue Parteichef­in von Anfang an mächtig gefordert: Um ihre innerparte­ilichen Kritiker zu beruhigen, muss sie jetzt auch verstärkt konservati­ves Profil zeigen. Und das wiederum dürfte die Arbeit mit der SPD in der großen Koalition nicht gerade einfacher machen.

„Wer jetzt auf Rückspiel oder gar Rache sinnt, setzt sich ins Unrecht.“

Wolfgang Schäuble Bundestags­präsident

VON UTA WINKHAUS UND MARTIN FISCHER

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Eine Siegerin, zwei Verlierer: Annegret Kramp-Karrenbaue­r setzte sich beim Hamburger Parteitag in einer Kampfkandi­datur um den CDU-Vorsitz gegen Jens Spahn und Friedrich Merz (re.) durch. Daran haben viele in der Union zu knabbern.

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