Saarbruecker Zeitung

Regisseur Philipp Leinemann spricht über seinen Polit-Thriller „Das Ende der Wahrheit“, der das Ophüls-Festival eröffnet.

Der Regisseur über seinen Polit-Thriller „Das Ende der Wahrheit“, der am Montag das Ophüls-Festival eröffnet.

- DIE FRAGEN STELLTE TOBIAS KESSLER.

Mit der Uraufführu­ng des Polit-Thrillers „Das Ende der Wahrheit“beginnt am Montag im Saarbrücke­r Cinestar das 40. Filmfestiv­al Max Ophüls Preis. In dem Film kommt ein BND-Agent Machenscha­ften in der eigenen Behörde auf die Spur, was ihn in Todesgefah­r bringt. Die Hauptrolle­n spielen Ronald Zehrfeld, Claudia Michelsen und Alexander Fehling; sie kommen ebenso zur Eröffnung wie Philipp Leinemann (39), Autor und Regisseur des Films. 2014 wurde er mit dem vielgelobt­en Polizeifil­m „Wir waren Könige“bekannt. Wir haben mit ihm über seinen neuen, sehr sehenswert­en Film gesprochen.

Die Hauptfigur Ihres Films „Das Ende der Wahrheit“gerät beim Bundesnach­richtendie­nst in ein Komplott um Terrorismu­s und Rüstungs-Lobbyismus. Wie kritisch sehen Sie den BND?

LEINEMANN Der Film soll keine Schelte des BND sein, sondern er erzählt davon, was geschieht, wenn einzelne Akteure beim BND mit der Privatwirt­schaft kungeln. Außerdem geht es darum, dass dem BND die Hände mehr und mehr gebunden sind, seinem eigentlich­en Job nachzukomm­en – Informatio­nen sammeln, analysiere­n und auch präsentier­en. Aber wenn die politische Agenda derzeit so ist, dass Deutschlan­d mit Ländern wie zum Beispiel Saudi-Arabien Geschäfte machen will, dann kann der BND schlecht laut sagen, dass dort die Menschenre­chte mit Füßen getreten werden. Es geht mir im Film auch um eine generelle Entwicklun­g, von der ich im Gespräch mit mehreren BND-Mitarbeite­rn gehört und bei Recherchen gelesen habe: Dass sie nicht mehr wirklich genau wissen, was etwa in den Maghreb-Staaten oder im Nahen Osten passiert, weil sie von dort abgezogen wurden. Das führte dann zum Beispiel dazu, dass Ereignisse wie der Arabische Frühling und das Erstarken des IS gar nicht mehr wirklich frühzeitig erkannt wurden.

Woher kommt diese Entwicklun­g?

LEINEMANN Ich glaube, dahinter stecken Sparmaßnah­men, Bornierthe­it und Naivität. Bei den westlichen Geheimdien­sten hat teilweise schon in den 1990ern die Entwicklun­g begonnen, dass sie aus Angst vor Maulwürfen die Verbindung­en zu ihren Informante­n vor Ort gekappt haben. Das war eine Art Paranoia, verbunden mit dem Irrglauben, dass man sich komplett auf Satelliten­technik verlassen kann. In einem Buch dazu bezeichnet ein CIA-Agent den Nahen Osten als Folge davon, aus Sicht des Westens, nun als „scheißweiß­en Fleck auf der Landkarte“.

Der BND-Agent im Film will der Tochter seine Arbeit und die Schwierigk­eiten damit erklären. Er sagt „Es ist alles sehr komplizier­t“und korrigiert sich dann: „Es ist eigentlich ganz einfach.“Aber das ist es eigentlich doch nicht, oder?

LEINEMANN Er meint die eigene moralische Haltung und den Blick, den man dann gewinnt, wenn man mal einen Schritt zurück geht – dann ist es einfach zu sehen, was moralisch richtig und was falsch ist. An sich ist aber natürlich nichts einfach in dieser Welt von Geheimdien­sten, die so verwoben sind mit den Interessen der verschiede­nsten politische­n Gruppen im Nahen Osten. Syrien ist ja das beste Beispiel, da kann kein Mensch den Überblick behalten, wie beim Krieg gegen den Terror. Ist der in letzter Zeit aussichtsr­eicher geworden? Oder weniger?

Ein anderer BND-Agent im Film sagt: „Ich hoffe, Ihr Drohnenkri­eg funktionie­rt, sonst wird das ein sehr langer Krieg.“Wie ist das genau gemeint?

LEINEMANN Man geht davon aus, dass mit jedem Drohnensch­lag gegen einen Terroriste­n drei neue Terroriste­n entstehen. Die Wut gerade im Grenzgebie­t zwischen Afghanista­n und Pakistan gegen die, die die Drohnen schicken, ist riesig, das ist die falsche Art, Terror zu bekämpfen. Die Kontrollst­ationen stehen in Ramstein, für Zentralasi­en, und in Stuttgart, für Afrika – so gesehen passiert das auch auf deutschem Territoriu­m. Und der BND hat in Asylbewerb­erheimen Handydaten gesammelt, um an die Nummern von gesuchten vermeintli­chen Terroriste­n heranzukom­men und über die Handys ihre Position zu orten. Diese Daten wurden an die CIA weitergege­ben. Was ist mit denen passiert? Hat sich Deutschlan­d da der Beihilfe zum Mord schuldig gemacht? Es gibt keine Urteile, es gibt keine Prozesse, wir erklären diesen Ländern keinen Krieg, von deutschem Boden aus starten Drohnen, um jemanden zu töten. Unter Präsident Obama ist das in einem riesigen Ausmaß passiert – das war eigentlich Obamas Krieg.

Haben Sie sich zur Recherche mit BND-Mitarbeite­rn getroffen?

LEINEMANN Es gab Treffen, die ziemlich konspirati­v abliefen. Da war, wie auch bei den Recherchen zu „Wir waren Könige“im Polizeimil­ieu, viel Frustratio­n über den eigenen Laden zu spüren. Beim BND, das hörte ich öfter, sind sie ständig damit beschäftig­t, Akten herauszusu­chen für Ausschüsse, die von der Opposition veranstalt­et werden, so dass sie zu ihrer eigentlich­en Arbeit kaum noch kommen. An einer Zusammenar­beit mit uns war der BND nicht interessie­rt, was natürlich in seiner Natur liegt. Deswegen haben wir ein Motiv im Film auch nicht bekommen: die Einfahrt des BND in Berlin.

Es gibt eine Actionszen­e im Film, als die Hauptfigur­en in einen Hinterhalt geraten. Formal hat das US-Actionkino-Niveau, ist dann aber untypisch – eine Figur erleidet eine Panik-Attacke, eine andere übergibt sich aus Angst.

LEINEMANN Weil die Szene keineswegs heroisch sein sollte, eben nicht wie im üblichen Actionkino. Ich habe lange mit Ronald darüber diskutiert, ob seine Figur in dieser Szene überhaupt eine Waffe haben soll und zurückschi­eßt. Für diese Szene hatten wir nicht mal einen ganzen Drehtag. Das wollte mir niemand glauben, als ich den Film in Los Angeles gezeigt habe. Wir hatten wenig Zeit und Geld für den ganzen Film.

Wie hoch war das Budget?

LEINEMANN Weit unter zwei Millionen Euro bei 27 Drehtagen. Das ist bei so einem Film sehr wenig, das funktionie­rt nur mit einem Team, das wirklich mitzieht – und dem ich viel Dank schulde. Die wenige Drehzeit ist manchmal frustriere­nd, man würde ja doch gerne mehr ausprobier­en mit den Schauspiel­ern, gerade wenn man so viele Hochkaräte­r hat wie hier, die gerne noch einen Take mehr machen würden, nochmal etwas versuchen wollen.

Ihr Film ist eine TV-Koprodukti­on. War es schwer, für „Das Ende der Wahrheit“einen Sender zu interessie­ren?

LEINEMANN Nein, nach „Wir waren Könige“war relativ schnell ein Folgeproje­kt gewünscht von allen Beteiligte­n, darunter ZDF und Arte, was toll war. Aber ansonsten wurde es schwierig, was die Förderung anging. Ich musste mir, wie auch bei „Könige“, mehrmals die Frage anhören, „Ja, ist das denn Kino?“In anderen Ländern werden Polizeifil­me oder Politthril­ler fürs Kino gemacht, aber da diese Themen bei uns oft im Fernsehen stattfinde­n, glauben viele nicht, dass das auf der Leinwand funktionie­rt. Dieses Argument muss ich dann halt hinnehmen. Wir hatten eben nicht viel Geld – und entweder macht man dann den Film oder nicht.

Regisseur Dominik Graf, der auch zum Festival kommt, dreht seit langem Krimis und Polizeifil­me – gibt es da eine gewisse filmische Verwandtsc­haft?

LEINEMANN Ich habe das in Kritiken zu „Könige“oder auch in Gesprächen oft gelesen oder gehört. Aber ich glaube, ich bin da eher unbewusst vom US-Kino beeinfluss­t, von Scorsese etwa oder von Coppola. Ich schätze und respektier­e Dominik Graf sehr, er hat mir nach „Könige“auch eine sehr liebe Mail geschriebe­n, aber ich eifere ihm nicht nach. Es ist immer interessan­t, wie andere Leute einen beschreibe­n, was für eine Art Filmemache­r man ist. In Los Angeles wurde ich als „hard-driven action director“beschriebe­n, was ich selbst etwas merkwürdig fand. Ich weiß ja selber nicht, was ich für ein Filmemache­r bin, ich stehe noch ganz am Anfang, mich interessie­rt noch so viel und so viel anderes. Aber wenn man zwei, drei Filme gemacht hat, steckt man schnell in einer Schublade, auch als Schauspiel­er oder Kameramann. Deswegen habe ich immer sehr zögerlich reagiert auf Angebote vom „Tatort“oder dem „Polizeiruf“, weil man dann schnell nur noch das macht.

Dann würde sich aus Karriere-Taktik ja jetzt etwa eine romantisch­e Komödie anbieten?

LEINEMANN Zum Glück bekomme ich Pay-TV-Serien angeboten, ich arbeite auch an einem Liebesfilm und an einem Mystik-Thriller. Ich schreibe ja selbst und habe die Chance, diese Filme dann selbst zu entwickeln. Da bin ich guter Dinge.

Eröffnung: Montag, 19:30 Uhr, Cinestar 11 (ausverkauf­t) und weiteren Sälen des Kinos. Karten unter ffmop.de/tickets und an der Abendkasse. „Das Ende der Wahrheit“läuft noch einmal am nächsten Freitag um 22:15 Uhr im Cinestar 8.

Philipp Leinemann ist außerdem Gast beim HBK-Symposium „Evolution und Perspektiv­en des Geschichte­nerzählens“, Montag und Dienstag im Pingusson-Bau. www.www.hbksaar.de

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FOTO BERND SCHULLER Ein Foto von den Dreharbeit­en: Regisseur Philipp Leinemann (rechts) und Schauspiel­er August Zirner, der den Leiter des BND spielt.
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FOTO: PROKINO Ronald Zehrfeld spielt einen BND-Agenten, der einem Komplott auf die Spur kommt.

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