Saarbruecker Zeitung

Patienten klagen über Billig-Windeln

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(noe) Seit 29 Jahren pflegt Gabriele Keßler aus Nalbach ihre Tochter. Die junge Frau leidet am Rett-Syndrom, einer genetisch bedingten Entwicklun­gsstörung, und ist auf Windeln angewiesen. Eigentlich hat Keßler dafür eine Dauerveror­dnung und bekommt die Inkontinen­zhilfen von einem Sanitätsha­us zugeschick­t. Allerdings schicke ihr dieses keine Markenwind­eln, sondern ein Billigprod­ukt, sagt Keßler. „Aber nur eine Markenwind­el garantiert, dass man morgens nicht total durchnässt ist.“Aus ihrer Arbeit als Vorsitzend­e der Elternhilf­e für Kinder mit Rett-Syndrom wisse sie, dass dies kein Einzelfall sei. Doch viele Versichert­e wehrten sich nicht. „Ein behinderte­s Kind zu pflegen, erfordert ohnehin schon viel Kraft.“

Dass die Qualität solcher Hilfsmitte­l zu wünschen übrig lässt, ist kein Einzelfall. „Bei uns rufen viele Ratsuchend­e an, die Probleme mit der Windelvers­orgung haben“, sagt Heike Morris, juristisch­e Leiterin der Unabhängig­en Patientenb­eratung. In den meisten Fällen handele es sich jedoch um einen „Kampf mit der Krankenkas­se“, da die Kassen häufig nur das medizinisc­h Notwendige zahlen wollten und eine höherwerti­ge Versorgung ablehnten. „Dass jemand Probleme mit dem Sanitätsha­us hat, kommt viel seltener vor.“Das Sanitätsha­us äußerte sich zu dem Fall nicht.

Bereits in der Vergangenh­eit wandten sich nach Angaben des Bundesgesu­ndheitsmin­isteriums immer wieder Patienten an den Patientenb­eauftragte­n und beklagten die schlechte Qualität einiger Hilfsmitte­l, zu denen neben Windeln zum Beispiel auch Rollatoren zählen. In der Folge wurde 2017 ein Gesetz verabschie­det, dass die Krankenkas­sen verpflicht­et, bei der Ausschreib­ung von Hilfsmitte­ln nicht nur auf den Preis, sondern auch auf die Qualität zu achten. Das führte aber offenbar nicht zum erhofften Erfolg. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) will deshalb Ausschreib­ungen für Hilfsmitte­l künftig verbieten, wie er im Dezember gegenüber der „Neuen Osnabrücke­r Zeitung“sagte. Der Preiskampf um das billigste Angebot gehe „zu oft zu Lasten der Patienten“aus. Nach Spahns Willen sollen die Kassen künftig Rahmenvert­räge mit Hersteller­n und Anbietern schließen, in denen Qualitätss­tandards verankert sind. Im Februar soll die nötige Gesetzesän­derung beschlosse­n werden.

Die AOK Rheinland-Pfalz/Saarland, die bislang nach eigenen Angaben keine Hilfsmitte­l ausgeschri­eben hat, sieht das skeptisch. Sie hält Ausschreib­ungen für „eine gute Möglichkei­t, eine qualitativ hochwertig­e Versorgung zu wirtschaft­lichen Konditione­n zu sichern“, wie ein Sprecher sagt. Generell sollte man die Ausschreib­ungen nicht negativ bewerten, so der Sprecher, da sie dazu beitrügen, die Beitragsge­lder der Versichert­en wirtschaft­lich zu verwenden. Der Leiter der Landesvert­retung des Verbands der Ersatzkass­en (vdek), Martin Schneider, erklärt: „Die Ersatzkass­en haben sich schon immer für eine gute Qualität von Hilfsmitte­lprodukten sowohl mit als auch ohne Ausschreib­ungsverfah­ren eingesetzt.“Das werde man auch weiterhin tun.

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