Saarbruecker Zeitung

Weil es nicht nur in Europa eine Moderne gab

Das K20 in Düsseldorf bricht mit „Museum Global“den eurozentri­stischen Blick auf die Moderne auf.

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wurden. Die europäisch­e Moderne soll so als Teil einer weltumfass­enden Entwicklun­g für den Besucher nachvollzi­ehbar werden. Von einer Initiative der Kulturstif­tung des Bundes ausgehend, der auch schon das Museum für Moderne Kunst in Frankfurt am Main und die Nationalga­lerie in Berlin gefolgt sind, erzählt das Kuratorent­eam um Susanne Gaensheime­r sieben „Mikrogesch­ichten eine exzentrisc­hen Moderne“und bricht diese an Werken der eigenen Sammlung. Für Gaensheime­r als neue Direktorin der Kunstsamml­ung Nordrhein-Westfalen nicht nur eine Möglichkei­t, die eigenen Werke noch besser kennenzule­rnen, sondern auch eine Chance, erstmals seit 1986 die Dauerausst­ellung im K20 neu zu hängen.

Damit kein Missverstä­ndnis entsteht: Bei den 150 gezeigten Arbeiten handelt sich nicht um eine Neuhängung, die mit ein paar wenigen Leihgaben aufgepeppt wird, sondern um eine veritable Sonderauss­tellung, die durch die eigene Sammlung ergänzt wird. Den Prolog bildet das 1960 erworbene Konvolut von Paul-Klee-Werken, das den Grundstock der ein Jahr später gegründete­n Kunstsamml­ung bildete. Weil in dem provisoris­ch genutzten Jägerhof (in dem sich heute das Goethe-Museum befindet) nicht genug Platz war, ging die Klee-Sammlung seinerzeit auf Tournee und wurde bis zur Eröffnung des heutigen Hauses am Grabbeplat­z 1986 rund um den Globus geschickt. Als Kulturbots­chafter, sozusagen, um nach dem Zweiten Weltkrieg Deutschlan­d ein Stück weit zu rehabiliti­eren. Paul Klee, der von den Nazis als „entartet“diffamiert und 1933 als Professor aus der Düsseldorf­er Akademie entlassen wurde, schien dazu der ideale Mann zu sein. Dass der vom Auswärtige­n Amt verfasste Abschlussb­ericht der Tournee vermerkt, dass Klee bei seinem Gastspiel in Israel von der hebräische­n Presse fast ausschließ­lich als „Schweizer Künstler“wahrgenomm­en wurde (seiner Schweizer Mutter wegen), ist nur eine von vielen kleinen Geschichte­n, die diese klug konzipiert­e Ausstellun­g erzählt.

In sieben Kapiteln widmet sich die Schau der Abkehr vom traditione­llen Akademismu­s, den die Avantgarde überall auf der Welt zwischen 1910 und 1960 vollzogen hat. Manches Epigonale ist darunter, aber auch so manche Entdeckung. Da hängt die „Nackte Schönheit“(1912) von Yorozu Tetsugoro, die als erstes Bild des Modernismu­s in Japan gilt, gleich neben Ernst Ludwig Kirchners „Mädchen unter Japan-Schirm“(1909) und zeugt davon, dass beide sich von Van Gogh und Henri Matisse beeinfluss­en ließen. Daneben entpuppt sich beim genauen Hinsehen die abstrakte „Kompositio­n“(1915), die man zuerst für einen Kandinsky gehalten hat, ebenfalls als Arbeit Tetsugoros. Kein Wunder, wurden seine Werke in Japan ihrer ungewohnte­n Subjektivi­tät wegen doch oft westlichen Künstlern zugeordnet.

Das bunte Gemälde „Carnaval“(1924) des Brasiliane­rs Emiliano di Cavalcanti dagegen zeigt Einflüsse von Chagall und George Grosz. Wie sein Landsmann Vicente do Rego Monteiro, der sich von Fernand Léger inspiriere­n ließ, nahm Cavalcanti die Avantgarde in Europa wahr, wollte sie aber mit der brasiliani­schen Kunst verschmelz­en und propagiert­e die Umsetzung des „fabelhaft Tropischen“. Der Schriftste­ller Mário de Andrade ging sogar soweit, als eigenen Stil den „Urwaldismu­s“auszurufen.

Kaum einen der gezeigten Künstler kennt man. Obwohl viele von ihnen nach Deutschlan­d oder Frankreich kamen, um dort zu studieren. Amedeo Modigliani­s in Paris entstanden­es Porträt des Malers Diego Rivera zeugt davon. 1921 ging Rivera nach Mexiko zurück und malte dort seine riesigen Wandbilder (Murals). Auch die indisch-ungarische Malerin Amrita Sher-Gil, die schon bei der letzten Documenta wiederentd­eckt wurde, studierte in Paris und sah dort Bilder von Paul Gauguin. Nach ihrer Rückkehr ins indische Simla wurde sie dort als Vertreteri­n der „typischen, modernen französisc­hen Malschule“verspottet. Ihr soll in Düsseldorf demnächst eine Retrospekt­ive gewidmet werden. Das zeigt, dass Susanne Gaensheime­r es mit der Globalisie­rung ernst meint und an ihrem Haus wirklich ein neues Kapitel aufschlage­n will.

Bis 10. März. Di bis Fr: 10-18 Uhr, Mi: 1019 Uhr, Sa/So: 11-18 Uhr.

 ?? FOTO: ISABELLA MATHEUS/ © TARSILA DO AMARAL LICENCIAME­NTOS/KUNSTSAMML­UNG NRW ?? „Antropofag­ia“(1929), ein Gemälde der brasiliani­schen Künstlerin Tarsila do Amaral (1886-1973).
FOTO: ISABELLA MATHEUS/ © TARSILA DO AMARAL LICENCIAME­NTOS/KUNSTSAMML­UNG NRW „Antropofag­ia“(1929), ein Gemälde der brasiliani­schen Künstlerin Tarsila do Amaral (1886-1973).

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