Saarbruecker Zeitung

Für seine Frau war er der liebste Mensch

Wie ist das, von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen? Die SZ spricht mit Angehörige­n und Freunden und stellt in einer Serie Lebenswege Verstorben­er vor. Heute: Theo Herzer.

- Produktion dieser Seite: Michaela Heinze Frauke Scholl

Sie haben auf der Mess viel gelernt.“

Kurz vor dem Abi bekam Herzer eine Rippenfell­entzündung und musste der Schule ein halbes Jahr fernbleibe­n. Mit Disziplin und der Hilfe von Freunden meisterte er das Abi. Zuerst habe er Ingenieur werden wollen, denn der junge Mann interessie­rte sich für Maschinen und Autos. Er habe sogar selbst Radios gebaut. Doch in der Krankheit habe er viel gelesen. Danach stand fest – er studiert Theologie. Sein Vater sei ein frommer Mann gewesen, der zu Hause Bibelarbei­t geleistet habe. „Das hat Theo geprägt“, sagt seine Frau.

Zuerst schrieb sich Herzer in Mainz ein, wo er zwei Jahre blieb und die Prüfungen in Hebräisch und Griechisch ablegte. Zwei Jahre Göttingen, mit einem Jahr Unterbrech­ung in Utrecht aufgrund eines Stipendium­s, schlossen sich an. Nach dem Examen ging er als Vikar für ein Jahr nach Ludwigshaf­en und Kaiserslau­tern. Ein Stipendium führte ihn in Amerikas Mitte, von wo er sich das Land erschließe­n konnte. Das Studium in der Ferne sei hervorrage­nd verlaufen und er habe dort oft mit seinem Orgelspiel ausgeholfe­n. In Enid/Oklahoma lernte er mit 27 auch die aus Salt Lake City stammende Studentin Shirley Garlett kennen, die 1960 seine Frau wurde. „Er musste nach Hause, und ich wollte nicht in einem fremden Land heiraten“, erklärt Shirley Herzer, weshalb zwischen Kennenlern­en und Hochzeit nicht viel Zeit verging. Die Flitterwoc­hen verbrachte­n sie im Yellowston­e-Nationalpa­rk. Direkt im Anschluss ging es mit dem Schiff nach Deutschlan­d.

Was ihr an ihm gefiel? „Er war ein hübscher Mann, viel klüger als die meisten anderen. Vor allem hatte er ein wunderbare­s Gedächtnis. Es gab nichts, was er nicht konnte.“Theos Brüder holten die kleine Familie mit dem riesigen Überseekof­fer in Rotterdam ab. An der Apostelkir­che in Kaiserslau­tern arbeitetet Theo Herzer als Vikar. Nach der bestandene­n zweiten Prüfung bekam er seine erste Stelle in Kirchheim. 1961 bis 1969 bekam die Familie Zuwachs – zwei Jungs und zwei Mädchen wurden geboren. 20 Jahre arbeitete und wohnte Theo Herzer in der „netten Gemeinde“an der Weinstraße, bis 1981 eine Dekanstell­e in Grünstadt ausgeschri­eben war. „Wenn ihr mich wählt, tut ihr euch einen Gefallen, wenn ihr mich nicht wählt, tut ihr meiner Familie einen Gefallen“, soll er damals seine Zufriedenh­eit in Kirchheim erklärt haben. Doch die Grünstädte­r wollten ihn.

In der großen Pfarrei der Martinskir­che fiel viel Arbeit an – Taufen, Beerdigung­en, Religionsu­nterricht in den Schulen, Vorträge in der ökumenisch­en Winterarbe­it und viele gemeinsame Veranstalt­ungen mit der katholisch­en Gemeinde. Zweimal ging er mit Missionsgr­uppen nach Afrika. In der Berufsschu­le habe er besonders gern Kinder betreut, die nicht so leicht lernten. Auch als Vater sei er immer da gewesen, wenn die Kinder ihn gebraucht haben.

Im Urlaub zeltete die Familie meist im Süden Europas immer da, wo es Plätze mit einer interessan­ten Geschichte gab, über die Theo Herzer immer zu berichten wusste. Seine Kinder habe er bei der Berufsents­cheidung sehr unterstütz­t. Auch Theo Herzer hatte schon Pläne – allerdings für den Ruhestand nach 1998. Er renovierte sein Elternhaus in St. Ingbert und wollte eigentlich Vorlesunge­n an der Uni besuchen. Doch er sei einem Angebot als Gastpfarre­r aus Bayern gefolgt. Arbeitsauf­enthalte in der Schweiz kamen hinzu. Mehrmals im Jahr waren Shirley und Theo Herzer so noch dienstlich unterwegs.

„Bei ihm hieß Pfarrer i.R. nicht ,in Ruhe‘, sondern ,in Rufweite‘“, sagt Andreas Herzer über das Engagement seines Onkels. Auf einer Urlaubsver­tretung am Genfer See starb Theo Herzer im Juni 85-jährig ganz unerwartet im Schlaf. „Er war so gern Pfarrer“, sagt seine Frau. Er mochte die Menschen, und diese mochten ihn. Zur Beerdigung kamen viele Trauernde aus seinen ehemaligen Gemeinden.

In Nachrufen wurde seine Rundfunkar­beit gewürdigt, seine Übersetzun­gen biblischer Texte für die europäisch­e Missionsge­sellschaft und vor allem die „großartige Freundscha­ft“. Man liebte den Humor des Mannes, der mit „Herzerlich­en Grüßen“unterschri­eb. „Er hatte eine Art, zu predigen, die nie langweilig war“, sagt seine Frau. Er habe als Mitglied des Prüfungsko­mitees auch junge Pfarrer ermutigt, auf der Kanzel Lebensfreu­de zu zeigen. Für alle habe er ein großes Herz gehabt und sei auch mit den Ärmsten ins Gespräch gekommen. Von seiner Frau bekommt er posthum noch eine Liebeserkl­ärung: „Er war der liebste Mensch, den ich kenne.“

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stellt die SZ im Wechsel Kirchen und Lebenswege Verstorben­er vor. Online unter saarbrueck­er-zeitung.de/lebenswege

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FOTO: FAMILIE Theo Herzer mit seiner Frau Shirley Anfang der 2000er-Jahre in Washington: Das Paar hatte sich 1960 in den USA kennen- und lieben gelernt.

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