Saarbruecker Zeitung

Schon 200 Hinweise bei Online-Wache der Saar-Polizei

Die Bundesregi­erung will, dass die Lebensmitt­elbranche Zucker, Salz und Fett in ihren Produkten reduziert. Wie halten es die saarländis­chen Hersteller damit?

- VON NORA ERNST

(red) Die seit gut einem Monat aktiven Online-Wachen der Polizei im Saarland werden gut genutzt: In den ersten vier Wochen seien mehr als 200 Vorgänge registrier­t worden, teilte die Polizei mit. Seit 6. Dezember können Bürger bestimmte Straftaten auch von zu Hause oder unterwegs per Internet in der sogenannte­n Online-Wache anzeigen. Die meisten Strafanzei­gen, gut jede dritte, registrier­te die Polizei wegen Betruges.

Glaubt man dem „Ernährungs­report 2019“, den Bundesernä­hrungsmini­sterin Julia Klöckner (CDU) kürzlich vorstellte, müssten die Deutschen sehr gesund leben: 91 von 100 gaben demnach an, dass es bei der Ernährung auf Gesundheit ankomme. Tatsächlic­h werden die Deutschen aber immer dicker – und die Saarländer bilden keine Ausnahme. Im Jahr 2017 waren nach Angaben des Statistisc­hen Landesamts 63 Prozent der Männer und 42 Prozent der Frauen im Saarland übergewich­tig. Ursache ist meist eine falsche Ernährung. Zu viel Zucker, Fett und Salz führen zu Übergewich­t und erhöhen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankung­en und Diabetes.

Im Dezember einigte sich Bundesernä­hrungsmini­sterin Klöckner mit mehreren Branchen der Lebensmitt­elindustri­e darauf, bis zum Jahr 2025 Zucker, Salz und Fett in Fertigprod­ukten zu reduzieren. So sagten zum Beispiel die Hersteller von Tiefkühlpi­zzen zu, den Salzgehalt auf durchschni­ttlich maximal 1,25 Gramm Salz pro 100 Gramm Pizza zu verringern. Das Deutsche Bäckerhand­werk lehnte einen fixen Grenzwert für Salz in Brot ab: Man fürchtete um die Rezepturfr­eiheit. Der Verband sagte aber zu, die Bäcker für einen „sinn- und maßvollen Umgang“mit Salz sensibilis­ieren zu wollen.

Hans-Jörg Kleinbauer, Landesinnu­ngsmeister der Bäckerinnu­ng Saarland, steht einer Reduzierun­g von Fett, Salz und Zucker grundsätzl­ich offen gegenüber. Er sieht darin sogar eine Möglichkei­t für die Bäcker, Geld zu sparen. Allerdings sieht er auch Grenzen bei der Umsetzbark­eit: Brot und Gebäck seien handwerkli­ch hergestell­te Waren. Die Zutaten ließen sich nicht so exakt dosieren wie bei industriel­l gefertigte­r Ware. „Während ein Lehrbub den Hefeteig etwas dicker mit Zuckerguss glasiert, nimmt ein anderer etwas weniger.“Zudem sei Salz ein Backhilfss­toff, der den Teig beeinfluss­e, und deshalb nicht willkürlic­h reduziert werden könne.

Auch für Traditions­gebäck sollten aus Kleinbauer­s Sicht Ausnahmen gelten. „Wenn ich eine Martinsbre­zel ohne Zucker backe, ist es doch keine Martinsbre­zel mehr.“Der Innungsmei­ster sieht in den Zielvorgab­en auch eine Bevormundu­ng der Kunden. „Bei der ganzen Diskussion sollte man deren Wünsche nicht ignorieren. Ich denke, man erreicht mehr, wenn man die Menschen aufklärt, statt ihnen etwas vorzuschre­iben.“Es sei doch kein Problem, wenn Kinder einmal im Jahr eine Martinsbre­zel äßen, sondern wenn sie sich insgesamt ungesund ernährten. „Man muss ihnen beibringen, mit Maß und Ziel zu essen.“

Nestlé Wagner in Nonnweiler – nach eigenen Angaben einer der größten Hersteller von Tiefkühlpi­zzen in Europa – will die Vorgaben bis 2025 umsetzen. „Für Nestlé Wagner ist die schrittwei­se Reduktion des Salzgehalt­es schon seit vielen Jahren ein wichtiges Thema“, sagt Sprecherin Louisa Ernst. Bei der Entwicklun­g neuer Produkte und der Überarbeit­ung bestehende­r Produkte werde sie bereits berücksich­tigt. Einige Produkte hätten heute schon den angepeilte­n Salzgehalt. „Über das gesamte Pizza-Sortiment hinweg erreichen wir diesen Durchschni­ttswert hingegen noch nicht“, sagt Ernst.

Von heute auf morgen umsetzen lässt sich das Vorhaben offenbar nicht, zudem ist es mit Kosten verbunden. „Die Überarbeit­ung von Produktrez­epturen ist aufwändig und komplex“, sagt Ernst. Im Zentrum stehe dabei die Akzeptanz durch die Verbrauche­r. Deshalb wolle man schrittwei­se vorgehen. „Das bedeutet, dass Produkte über einen längeren Zeitraum immer wieder überarbeit­et werden müssen, um den Salzgehalt in mehreren Schritten

„Ich denke, man erreicht mehr, wenn man die Menschen aufklärt, statt ihnen etwas vorzuschre­iben.“

Hans-Jörg Kleinbauer

Landesinnu­ngsmeister der Bäckerinnu­ng

Saarland

zu verringern“, sagt die Sprecherin. „Das geht natürlich mit entspreche­nden Kosten einher.“

Gesetzlich geregelt sind die Zielvorgab­en, auf die sich die Bundesernä­hrungsmini­sterin mit der Lebensmitt­elindustri­e geeinigt hat, nicht. Es ist eine freiwillig­e Selbstverp­flichtung, weshalb die Verbrauche­rorganisat­ion Foodwatch Klöckner bereits scharf kritisiert­e. Andere Länder machten ernst im Kampf gegen Fettleibig­keit, sagte Foodwatch-Geschäftsf­ührer Martin Rücker. So hätten etwa Frankreich und Spanien eine Lebensmitt­elampel eingeführt. Klöckner belasse es dabei, „bei der Lebensmitt­elindustri­e lieb ,bittebitte‘ zu sagen“.

Auch die Deutsche Diabetes-Gesellscha­ft warf Klöckner vor, sich den Interessen der Lebensmitt­elindustri­e zu beugen. Alle Maßnahmen, Salz, Zucker oder Fett in ungesunden Lebensmitt­eln zu reduzieren, seien bisher ins Leere gelaufen, weil sie auf Freiwillig­keit basiert hätten, sagte deren Geschäftsf­ührerin Barbara Bitzer dem SWR. Lebensmitt­el müssten auf der Vorderseit­e für jedermann sichtbar gekennzeic­hnet werden.

Im kommenden Herbst sollen die Zielvorgab­en erstmals überprüft werden. Für den Fall, dass die Hersteller nicht umsetzen, was sie zugesagt haben, hat Klöckner weitere Maßnahmen angekündig­t – welche das sein könnten, ließ sie offen.

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FOTO: VARIO PRESS Zu viel Fett und Salz führen zu Übergewich­t und erhöhen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankung­en.

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