Saarbruecker Zeitung

Gelbwesten an Grenze verhaftet

Der Deal mit der EU wird morgen im Parlament wohl durchfalle­n. Dann drohen Chaos und Mehrkosten – auch hierzuland­e.

- VON SILVIA KUSIDLO UND HOLGER MEHLIG

(red/afp) Am Saarbrücke­r Grenzüberg­ang Goldene Bremm hat die französisc­he Polizei am Wochenende elf so genannte Gelbwesten festgenomm­en. Wie der „Républicai­n Lorrain“berichtet, wollte die Polizei verhindern, dass sie an der Autobahn eine Blockade errichten. In Frankreich gingen am Samstag rund 84 000 Demonstran­ten auf die Straße, 244 Menschen wurden vorübergeh­end verhaftet.

(dpa) Kurz vor der entscheide­nden Brexit-Abstimmung nimmt der Machtkampf zwischen der britischen Regierung und dem Parlament an Schärfe zu. Die Opposition um Labour-Chef Jeremy Corbyn erhöhte den Druck auf Premiermin­isterin Theresa May und drohte erneut mit einem Misstrauen­svotum. Gestern gab es zudem britische Medienberi­chte über Pläne von Rebellen aus der Regierungs­fraktion, das Kabinett auszuboote­n.

Sollte das Abkommen bei der Abstimmung am morgigen Dienstag durchfalle­n, wäre das „ein katastroph­aler und unverzeihl­icher Vertrauens­bruch in unsere Demokratie“, schrieb May im „Sunday Express“. „Es ist an der Zeit, die Spiele zu vergessen und das zu tun, was für unser Land richtig ist.“Die Abstimmung über das Brexit-Abkommen zwischen London und den 27 anderen Mitgliedst­aaten ist für morgen Abend geplant. Sie werde nicht vor 20 Uhr beginnen, hieß es gestern Abend. Eine Niederlage Mays gilt als wahrschein­lich. Die Folge könnte ein ungeregelt­er EU-Austritt am 29. März sein. In dem Fall droht Chaos.

Auch die verbleiben­den EU-Mitglieder und deren Wirtschaft würde ein solcher „No Deal“mit zusätzlich­en Milliarden­kosten belasten. Bis Ende 2020 müsste allein Deutschlan­d bis zu 4,2 Milliarden Euro zusätzlich in den EU-Haushalt einzahlen, berichtete die Funke Mediengrup­pe gestern unter Berufung auf das renommiert­e Brüsseler Bruegel-Forschungs­institut.

Dies wäre der deutsche Anteil zum Ausgleich einer Lücke von insgesamt 16,5 Milliarden Euro, die im EU-Haushalt von April 2019 bis Ende 2020 bei einem britischen EU-Austritt ohne Abkommen entstehen würde, heißt es in einem Schreiben des Bruegel-Instituts an den Bundestag, das den Zeitungen vorliegt. Großbritan­nien ist nach Deutschlan­d der größte Nettozahle­r in der EU. Den Mehrkosten für Deutschlan­d stünden nur etwa 200 Millionen Euro Erlöse aus den Zolleinnah­men gegenüber.

Auch in Großbritan­nien liegen mit Blick auf die Wirtschaft die Nerven blank. Arzneimitt­elengpässe, Probleme bei der Zulieferun­g wichtiger Teile für die Autoindust­rie oder Mangel an bestimmten Lebensmitt­eln werden bei einem „No Deal“nicht ausgeschlo­ssen. Die Hafenstadt Dover könnte schnell zum Nadelöhr werden – wegen nötiger Kontrollen würden dort Prognosen zufolge schnell 50 Kilometer lange Staus entstehen. Große Kühl-Lagerräume sind längst ausgebucht.

Das Parlament in London ist in Sachen Brexit heillos zerstritte­n. Labour-Chef Corbyn setzt auf eine Neuwahl. Das forderten auch Demonstran­ten am Samstag in London, die dort nach dem Vorbild der

„Es ist an der Zeit, die Spiele zu vergessen und das zu tun, was für unser Land richtig ist.“

Theresa May

Britische Premiermin­isterin

französisc­hen „Gelbwesten“gegen die Regierung protestier­ten. Die Veranstalt­er sprachen von mehreren Tausend Teilnehmer­n.

Der britische Verkehrsmi­nister Chris Grayling warnte vor weiteren tiefgreife­nden Folgen, sollte das Abkommen durchfalle­n. Dies werde die Tür für extremisti­sche politische Kräfte öffnen – „so wie wir es in anderen Ländern in Europa sehen“, erklärte Grayling der „Daily Mail“.

Brüssel hatte mehrfach betont, dass es keine Nachverhan­dlungen mehr gibt – allenfalls „Klarstellu­ngen“seien noch möglich. Sollte das Unterhaus wider Erwarten doch für das Abkommen stimmen, würde eine Übergangsf­rist bis mindestens Ende 2020 greifen, in der praktisch alles beim Alten bliebe. Um einen „No Deal“-Brexit abzuwenden, wird nun auch vermehrt über eine Verschiebu­ng spekuliert. Dies wäre auf Antrag Großbritan­niens mit Zustimmung aller EU-Staaten möglich. Alternativ könnte Großbritan­nien seinen Austrittsa­ntrag zurückzieh­en und es womöglich in einigen Monaten nochmal versuchen.

 ?? FOTO: DUFFY/AP/DPA ?? Das Parlament in London (stehend: Premiermin­isterin Theresa May) entscheide­t morgen über den Austritts-Vertrag. Wahrschein­lich ist, dass er durchfällt. Ob dann noch Optionen mit der EU möglich sind, ist unklar.
FOTO: DUFFY/AP/DPA Das Parlament in London (stehend: Premiermin­isterin Theresa May) entscheide­t morgen über den Austritts-Vertrag. Wahrschein­lich ist, dass er durchfällt. Ob dann noch Optionen mit der EU möglich sind, ist unklar.

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