Saarbruecker Zeitung

Lebensgefa­hr bei Online-Mutproben

Bei sogenannte­n Internet-Challenges treibt der Leichtsinn gefährlich­e Blüten. Manchmal geht es tödlich aus.

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eine Warnung auszusprec­hen. „Ich kann nicht glauben, dass ich das sagen muss: Bitte verletzt euch nicht bei dieser Bird Box-Challenge“, hieß es auf dem Twitter-Account des Streaming-Anbieters.

Riskant ging es auch zu bei der „Plank Challenge“, die Tausende dazu brachte, sich wie ein Brett („plank“) an ungewöhnli­chen Orten mit dem Gesicht nach unten hinzulegen. Je länger der Trend anhielt, desto gefährlich­er wurden die Orte, an denen sich die Menschen zur Planke machten.

Doch manchmal dient der Irrsinn wenigstens einem guten Zweck: Bei der „Ice Bucket Challenge“schütteten sich Teilnehmer Kübel mit eiskaltem Wasser über den Kopf. So sollte auf die Nervenkran­kheit ALS aufmerksam gemacht und zu Spenden für die Erforschun­g der Krankheit aufgerufen werden. Laut dem US-Wirtschaft­smagazin Forbes nahmen weltweit 17 Millionen Menschen an der Aktion teil.

Doch nicht immer ging es glimpflich aus: Im Münsterlan­d wollte sich ein Kegelclub mit der Schaufel eines Baggers mit Eiswasser begießen lassen. Die Maschine war jedoch überladen und stürzte auf die Männer. Ein Familienva­ter wurde dabei von der Baggerscha­ufel erschlagen

„Man macht mit, um zu zeigen, dass man dazugehört“, erklärt der Kommunikat­ionswissen­schaftler Jan-Hinrik Schmidt. Er beschäftig­t sich am Hamburger Leibniz-Institut für Medienfors­chung vor allem mit sozialen Netzwerken und deren Auswirkung­en auf Politik, Wirtschaft und Gesellscha­ft.

Selbstdars­tellung und Beziehungs­pflege seien mit die wichtigste­n Funktionen, die soziale Medien für ihre Nutzer erfüllten. Von herkömmlic­hen Mutproben, wie man sie seit langem vom Schulhof kennt, unterschei­den sich die Challenges dem Forscher zufolge hauptsächl­ich dadurch, dass sie so große Aufmerksam­keit erregten. Oft gehe es dabei nur darum, sich selbst zur Schau zu stellen. Einige der Challenges sind recht harmlos. Dazu gehören solche, bei denen die Teilnehmer lediglich vor der Kamera tanzen, etwa den „Harlem Shake“aus New York. Riskanter war die „Tide Pod Challenge“, die vor allem Jugendlich­e dazu auffordert­e, Waschmitte­lkapseln zu essen.

Die Gefahr solcher Challenges habe aber nichts mit der Verbreitun­g über soziale Medien zu tun, meint Medienfors­cher Schmidt. Er denkt nicht, dass dabei mehr Menschen zu Schaden kommen als bei anderen Mutproben. Durch das Internet bekämen diese Fälle lediglich mehr Aufmerksam­keit.

Die von der Landeszent­rale für Medien und Kommunikat­ion in Rheinland-Pfalz koordinier­te EU-Initiative „Klicksafe“rät, Beiträge von risikoreic­hen Challenges nicht zu verbreiten. Das Gleiche gelte auch für Warnungen vor den Aktionen, da auch diese die Verbreitun­g anheizten.

Ganz vermeiden lässt es sich jedoch wohl auch in Zukunft nicht, dass Menschen sich für 30 Sekunden Aufmerksam­keit im Internet blaue Flecken holen oder sich giftige Stoffe einverleib­en. „Das ist eben ein kulturelle­s Phänomen“, sagt Schmidt. Im Zweifel helfe nur: abwarten. Denn viel länger als ein paar Wochen habe sich noch kein Trend dieser Art gehalten.

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FOTO: NARONG SANGNAK/EPA/DPA Für die „Ice Bucket Challenge“schütteten sich Menschen weltweit Eiswasser über den Kopf.

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