Saarbruecker Zeitung

Danzigs Bürgermeis­ter nach Messerangr­iff tot

Frankreich­s Staatschef ruft zur Teilnahme an einem Bürgerdial­og auf, der die Gelbwesten besänftige­n soll.

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Pawel Adamowicz, Bürgermeis­ter im polnischen Danzig, ist gestern an den Folgen eines Messerangr­iffs gestorben. Ein 27-Jähriger hatte den Politiker bei einer Spendenver­anstaltung attackiert.

Zwei Tage lang hatte sich Emmanuel Macron in seinem Büro im Elysée-Palast eingeschlo­ssen, um den Franzosen einen Brief zu schreiben. Heraus kamen sechs Seiten, die der Präsident handschrif­tlich mit den Worten „im Vertrauen“beendete. Vertrauen muss Macron vor allem darauf, dass seine Landsleute an der nationalen Debatte teilnehmen, für die sein am gestrigen Montag veröffentl­ichtes Schreiben den Rahmen absteckt. Die bisher unbekannte Demokratie­übung soll die Proteste der „Gelbwesten“-Bewegung eindämmen. Deren Proteste gegen soziale Ungleichhe­it, die mehrfach in Gewaltexze­ssen endeten, halten das Land seit zwei Monaten in Atem und blockieren die von der Regierung eingeleite­ten Reformen.

Der 41-jährige Macron ist nicht der erste Präsident der Franzosen, der sich in einem Brief an seine Bürger richtet. Doch im Gegensatz zu François Mitterrand (Präsidents­chaft von 1981 bis 1995) und Nicolas Sarkozy (2007 bis 2012), die auf diesem Weg eine zweite Amtszeit ankündigte­n, steht für Macron der Erfolg seiner Präsidents­chaft auf dem Spiel. Denn die Bewegung der „Gilets jaunes“, die Umfragen zufolge von rund 55 Prozent der Franzosen unterstütz­t werden, offenbarte einen weit verbreitet­en Hass auf den einstigen Investment­banker. Der Bürgerdial­og soll nun den als realitätsf­remd empfundene­n Staatschef seinen Landsleute­n wieder näher bringen und „die Wut in Lösungen verwandeln“, wie der Präsident schreibt. Er eröffnet die auf zwei Monate angesetzte Debatte an diesem Dienstag selbst in der Normandie und sagte seine Teilnahme am Weltwirtsc­haftsforum in Davos ab, um bei weiteren Diskussion­en dabei zu sein.

Die Idee für den „débat national“hatte Macron schon bei seiner Fernsehans­prache im Dezember vorgetrage­n, als er ein zehn Milliarden Euro teures Sozialpake­t als Reaktion auf die Massenprot­este verkündete. „Ich weiß natürlich, dass einige von uns heute unzufriede­n oder in Wut sind“, beginnt der Präsident

Emmanuel Macron sein Schreiben. „Diese Ungeduld teile ich.“Kein Verständni­s hat der 41-Jährige allerdings für die Gewalt, die die „Gelbwesten“gegen Polizisten, Abgeordnet­e oder Journalist­en ausübten. „Wenn jeder jeden angreift, löst sich die Gesellscha­ft auf.“

Um die nationale Diskussion zu strukturie­ren, sind thematisch vier Bereiche vorgegeben: Steuern und öffentlich­e Ausgaben, Organisati­on des Staates, Energiewen­de, Demokratie und Bürgertum. „Für mich gibt es keine verbotenen Fragen“, versichert­e der Staatschef, der insgesamt 35 Fragen formuliert­e. Die Franzosen sollen sich über die Einführung des Verhältnis­wahlrechts ebenso äußern wie über Referenden, die die Gelbwesten vehement fordern. Auch eine Einwanderu­ngsquote brachte der Präsident ins Gespräch. Andere Themen wie die Ehe für alle, Abtreibung und die Todesstraf­e hatte die Regierung im Vorfeld bereits ausgeschlo­ssen. Auch die Wiedereinf­ührung der Vermögenss­teuer, eines der Kernanlieg­en der „Gilets jaunes“, steht nicht auf der Tagesordnu­ng. Die Debatte selbst sei „keine Wahl und kein Referendum“ermahnte Macron all jene, die ihn selbst am liebsten sogleich per Volksabsti­mmung absetzen würden.

„Der arrogante Jupiter versucht mit diesem Text, sich auf die Höhe eines Kreisverke­hrs zu begeben“, kommentier­te die linksliber­ale, regierungs­kritische Zeitung „Libération“die Initiative. Die Gelbwesten, die seit Mitte November zahlreiche Verkehrskr­eisel im ganzen Land besetzen, misstrauen dem Bürgerdial­og allerdings ebenso wie die Opposition. „Die nationale Debatte ist eine Totgeburt, denn die Regierung hat die Themen ausgesucht“, kritisiert­e der Politiker der Linksparte­i La France Insoumise, Manuel Bompard.

Auch den Ablauf der Debatte steuert die Regierung, denn mit Sebastien Lecornu und Emmanuelle Wagon sind zwei Minister dafür verantwort­lich. Die beiden sind eine Notlösung, nachdem die Leiterin der staatliche­n Kommission für die nationale Debatte, Chantal Jouanno, vergangene Woche nach Kritik an ihrem üppigen Monatsgeha­lt als Organisato­rin zurückgetr­eten war.

Umfragen zufolge will sich gut ein Drittel der Franzosen an der Debatte beteiligen. Nur 29 Prozent glauben allerdings, dass „nützliche Maßnahmen“dabei herauskomm­en.

„Wenn jeder jeden angreift, löst sich die

Gesellscha­ft auf.“

Französisc­her Präsident

 ?? FOTO: HERMAN/REUTERS POOL/AP/DPA ?? Emmanuel Macron startet in der Gelbwesten-Krise eine nationale Befragung, bei der Bürger ihrem Ärger Luft machen können.
FOTO: HERMAN/REUTERS POOL/AP/DPA Emmanuel Macron startet in der Gelbwesten-Krise eine nationale Befragung, bei der Bürger ihrem Ärger Luft machen können.

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