Saarbruecker Zeitung

Raum und Struktur im Waschsalon

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Der Mann streckt der Stadt seinen in die Ecke gekrümmten Rücken entgegen, dem ihm die Sitzbank an ihrem linken Ende anbietet und ihn so weit stützt, dass seine Jacke sich gerade so nicht gegen die große Scheibe presst. Durch das Fenster zeigt der Waschsalon in Alt-Saarbrücke­n alles her, was er hat. Maschinen reihen sich Schulter an Schulter, nur eine große von ihnen arbeitet. Hinter ihrem wuchtigen Bullauge ziehen im Fallen Pullis ihre Ärmel nach und sehen so aus, als hätten sie Spaß in dem sich hypnotisch drehenden Trocknerka­russell. Ihr Herr vertieft sich in seine Zeitung. Sonst ist niemand da.

Ich will rein. Ohne Wäsche. Alles ist Fläche, gerade Linien treffen in 90-Grad-Winkel auf andere gerade Linien, klare Kreise lancieren ihre Struktur, in der die Wäsche des Mannes das einzige ist, das sich bewegt. Er bleibt wie erstarrt, selbst als ich die wacklige Klinke nach unten drücke und in die feuchte Luft eintauche.

Es ist das erste Mal, dass ich in einem solchen Laden stehe, und der Mann ist der einzige, der da ist. Er muss mir jetzt erzählen, wie das so ist in einem Waschsalon. Genauso wie in den Filmen? Die, die ich kenne, spielen alle in New York – mit Waschsalon­s als große Bühne.

Vorhang auf. Ich setze mich zu ihm, er bleibt weiter in seine Zeitung vertieft. „Dass es noch Waschsalon­s gibt …“. Er liest einen angefangen Satz zu Ende und schaut auf. Er ist schwer zu verstehen, so widerwilli­g, wie er spricht: „Ja, wo sollen denn die Leute sonst ihre Wäsche waschen, wenn sie keine Maschine haben?“Ich: „Ist denn sonst hier mehr los?“– „Vielleicht abends.“„Und wie ist das dann?“Jetzt sieht er mich an, als würde ich spinnen. „Unterhalte­n sich dann die Leute? … Oder so?“. Der Mann dreht sich seiner Zeitung wieder zu, die er mit beiden Armen ausgebreit­et vor sich hält. „Da muss man sich schon kennen, wenn man sich miteinande­r unterhalte­n will.“Ende der Geschichte. Der Vorhang fällt.

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