Brexit-Abkommen fällt im britischen Parlament durch
LONDON (dpa) Das britische Parlament hat das zwischen Brüssel und London ausgehandelte Brexit-Abkommen abgelehnt. Mit 432 zu 202 Stimmen votierten die Abgeordneten gestern Abend in London gegen den Deal von Premierministerin Theresa May. Unmittelbar nach der Abstimmung stellte der britische Oppositionsführer Jeremy Corbyn einen Misstrauensantrag gegen May und deren Regierung. Die Premierministerin will sich bereits heute dem Misstrauensvotum stellen, bis Montag will sie zudem ihr Konzept für das weitere Vorgehen präsentieren. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sah nach der Abstimmung in London die Gefahr eines „ungeordneten Austritts“ohne Abkommen gestiegen. Großbritannien will die Europäische Union am 29. März verlassen. Gibt es bis dahin keine Einigung, droht ein Austritt ohne Abkommen. Für diesen Fall wird mit chaotischen Folgen für die Wirtschaft und viele andere Lebensbereiche gerechnet.
(dpa) Die Brexit-Frage hält Europa in Atem – auch nach dem Votum der 650 Abgeordneten im Londoner Unterhaus zum Brexit-Vertrag. Wie es mit dem EU-Austritt der Briten weitergeht, schien bis zuletzt vage. Fünf Fakten zum Brexit-Deal: Der 585 Seiten starke Austrittsvertrag mit der EU regelt Hunderte Fragen der Trennung. Für die EU sind drei Punkte zentral: Die EU-Bürger in Großbritannien und die Briten in der EU können mit einem gesicherten Rechtsstatus so weiterleben wie bisher; Großbritannien sagt Zahlungen an die EU von geschätzt 45 Milliarden Euro zu und die Grenze zwischen Irland und dem britischen Nordirland bleibt offen. Im Gegenzug bekommt Großbritannien eine Übergangsfrist bis mindestens Ende 2020 und langfristig eine enge Wirtschaftsund Sicherheitspartnerschaft mit der EU. Den Ausblick darauf gibt eine „Politische Erklärung“, die das Abkommen ergänzt. Die Übergangsfrist stellt sicher, dass sich am Austrittstag 29. März für Bürger und Unternehmen zunächst praktisch nichts ändert, obwohl Großbritannien nicht mehr EU-Mitglied ist. Für die EU-Bürger in Großbritannien, für Irland und für den EU-Haushalt werden die Folgen der britischen Entscheidung auf Dauer abgefedert. EU-freundlichen Abgeordneten ist der Plan von Premierministerin Theresa May für die künftigen Beziehungen zu vage. Sie wollen eine engere Bindung an die EU. Strenge Brexit-Befürworter und die nordirische DUP rebellieren indes gegen die Garantie für eine offene Grenze in Irland, die politische Spannungen dort abwenden soll. Nach dem Abkommen bleibt Großbritannien als Ganzes in einer Zollunion mit der EU, bis eine bessere Lösung gefunden ist, für Nordirland gelten einige Sonderregeln. Die EU hat am Montag noch einmal zugesichert, dass man dies nur als Rückversicherung sehe und möglichst nie anwenden wolle. Britische Kritiker warnen dennoch, Großbritannien kette sich damit auf Dauer an die EU. Es gäbe keine Übergangsfrist und keine Abmachungen. Nach den Regeln der Welthandelsorganisation müssten Zölle erhoben und somit die Grenzen kontrolliert werden. Die Folge wären Staus und Lieferengpässe. EU-Bürger auf der Insel hätten erstmal keine Rechtsansprüche. Im EU-Haushalt 2019 risse ein Milliardenloch auf. Folge wären eine Haushaltssperre oder neue Forderungen an Nettozahler, auch an Deutschland. In Irland würde wohl die gefürchtete harte Grenze entstehen. Alles brächte politische Unsicherheit und Konjunkturrisiken. Es gibt zwei Optionen: Bei einem Ja zum Brexit-Deal im Unterhaus folgen wohl bis Mitte Februar die Ratifizierung im Europaparlament und ein geregelter Austritt am 29. März. Bei einem Nein bleiben absehbar drei Möglichkeiten, um einen „No-Deal-Brexit“abzuwenden: eine neue Abstimmung, die Verlängerung der Austrittsfrist mit Zustimmung der 27 EU-Staaten oder ein einseitiger Rückzieher der Briten. Ließe sich ein chaotischer Bruch trotzdem nicht abwenden, wollen beide Seiten mit einseitigen Notmaßnahmen die schlimmsten Folgen verhindern, etwa die Kappung aller Flüge. Denkbar wären auch kurzfristige Absprachen. Die EU schließt das aber bisher aus.