Saarbruecker Zeitung

Der Verfassung­sschutz macht einen großen Fehler

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Man muss kein Gegner der AfD sein, um festzustel­len: Diese Partei ist in den vergangene­n Jahren immer weiter nach rechts gerückt. Die AfD-Führung glaubt, die Völkischen und Identitäre­n noch gebrauchen zu können. Sie meint, jetzt in der Ausbauphas­e keine Wählergrup­pe ausgrenzen zu dürfen, vor allem nicht im Osten. Und sie denkt, sie werde die Extremiste­n schon unter Kontrolle behalten. Das haben in der deutschen Geschichte andere Rechtskons­ervative auch schon gedacht. Und sich geirrt.

Unter dem Einfluss der Völkischen findet eine Radikalisi­erung und Selbstradi­kalisierun­g statt. Manche aus der Gründergen­eration und manche „Liberale“in der AfD sollten jetzt dringend einmal darüber nachdenken, welche Büchse der Pandora sie hier gerade öffnen lassen, ohne etwas zu sagen. Schleichen­d sind Begriffe wie Umvolkung, Lügenpress­e, Volksverrä­ter, Messer-Migranten, Denkmal der Schande und Ähnliches gängige Sprache in der Partei geworden. So haben die Leute um Bernd Lucke damals nicht angefangen. So hat auch ein Alexander Gauland vor drei Jahren noch nicht geredet.

Der demokratis­che Rechtsstaa­t darf sich von seinen Feinden nicht auf der Nase herumtanze­n lassen, auch nicht, wenn diese im Parlament sitzen, auch nicht, wenn sie demokratis­ch gewählt sind. Unser Gemeinwese­n ist liberal. Aber nicht naiv und nicht wehrlos. Das ist die Lehre aus Weimar. Und trotzdem ist es falsch, die AfD nun in Gänze unter den Verdacht einer möglichen Verfassung­sfeindlich­keit zu stellen – statt gezielt nur gegen einzelne Gruppen wie den Höcke-Flügel oder die Junge Alternativ­e vorzugehen. Es ist taktisch falsch, und es ist inhaltlich falsch.

Viele AfD-Mitglieder, erst Recht ihrer Wähler, sind ganz normale Leute. Menschen, die ein Problem haben mit Flüchtling­en. Mit dem Islam. Mit Kriminalit­ät. Mit Europa. Das mag zwar geschürt sein. Oder dumm. Oder kurzsichti­g. Oder alles zusammen. Aber es ist nicht verboten, solche Probleme zu haben und andere Antworten darauf zu geben als der Rest der Parteien. Es darf nur darum gehen, ob mit demokratis­chen Mitteln um Mehrheiten gekämpft wird oder nicht. Und ob man die Verfassung achtet, also auch Minderheit­en. Ja, bei manchen AfD-Mitglieder­n macht einem die Vorstellun­g Angst, sie bekämen einmal Gewalt über ihre Kritiker. Bei manchen sogenannte­n Antifa-Leuten freilich auch.

Die klare Abgrenzung von den Extremiste­n fehlt weiterhin. Das ist der große Makel der AfD. Solange sie diese Abgrenzung nicht vollzieht, wird sie keine normale rechtskons­ervative Partei, keine CSU mit Flüchtling­sfimmel. Und auch nicht koalitions- und regierungs­fähig. Die gestrige pauschale Ankündigun­g des Bundesamte­s für Verfassung­sschutz hilft leider nicht, die Spreu vom Weizen zu trennen. Sie ist sogar fatal, weil sie gegenteili­ge Wirkung entfalten wird: Noch mehr Abkehr von der Demokratie und ihren Institutio­nen. Um deren Schutz es doch geht.

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