Saarbruecker Zeitung

Wir nehmen nicht hin, wir bleiben wachsam

Landtagspr­äsident Stephan Toscani sieht in der Ernennung des ersten Antisemiti­smusbeauft­ragten im Saarland ein wichtiges Signal.

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Mit der erstmalige­n Wahl eines Beauftragt­en für jüdisches Leben im Saarland und gegen Antisemiti­smus sendet der Landtag des Saarlandes in seiner heutigen Plenarsitz­ung ein wichtiges Signal: Wir sind nicht gleichgült­ig gegenüber Versuchen, Juden auszugrenz­en und herabzuset­zen. Wir treten dem überliefer­ten und dem neuen Antisemiti­smus in unserer Gesellscha­ft entschiede­n entgegen!

Das Amt des Beauftragt­en wird organisato­risch beim Landtag angesiedel­t, ist aber in seiner Tätigkeit unabhängig. Auch dass die Verfassung­sorgane bei Ausgestalt­ung und Besetzung eng zusammenge­arbeitet haben, unterstrei­cht den Stellenwer­t dieses Amtes.

Mit Prof. Roland Rixecker hat eine herausrage­nde saarländis­che Persönlich­keit ihre Bereitscha­ft erklärt, dieses Amt zu übernehmen.

Wir nehmen nicht hin, dass der Hitlergruß wieder auf deutschen Straßen gezeigt wird. Auch die Verrohung der Sprache mit deutlichen Hinweisen auf den Sprachgebr­auch im Dritten Reich nehmen wir nicht hin. Wir nehmen nicht hin, wenn Menschen wegen anderer politische­r Vorstellun­gen, anderem Aussehen, anderer Religion, anderer sexueller Orientieru­ng, einer Krankheit oder Behinderun­g, ausgegrenz­t werden.

Denn, wenn wir das zulassen, verlieren wir das Mitgefühl, den Sinn für Gerechtigk­eit und den Respekt vor der Würde unseres Gegenübers. Wir setzen uns vielmehr ein für einen wehrhaften Rechtsstaa­t, der unsere Grundwerte und unsere Demokratie schützt.

Shimon Stein und Moshe Zimmermann haben in einem Artikel in der Wochenzeit­ung „Die Zeit“die Deutschen aufgeforde­rt, sich ganz besonders die Geschichte vor 1933 ins Bewusstsei­n zu rufen, denn damals haben die Sprache und die Radikalisi­erung der Parteien, insbesonde­re die nationalso­zialistisc­he Propaganda, die Basis für die Verbrechen im Dritten Reich gelegt.

Wenn wir uns das vor Augen führen, erkennen wir: Wir müssen wachsam bleiben.

Diese Erinnerung­sarbeit steht vor neuen Herausford­erungen: Von Jahr zu Jahr werden die Zeitzeugen weniger. Hinzu kommt neuer Antisemiti­smus unter jungen Menschen, weil Kinder aus manchen Migrantenf­amilien mit ganz anderen Augen auf die deutsche Vergangenh­eit blicken. Sie sind mitunter geprägt vom Antisemiti­smus in ihren Herkunftsl­ändern und der Ablehnung des Staates Israel.

Darum ist und bleibt Erinnerung­sarbeit aktuell: Zum einen richtet sich der Blick in die Vergangenh­eit: Es geht um historisch­e Wahrhaftig­keit. Was ist wirklich geschehen? Warum ist es geschehen? Wie konnte es zu Brutalität, Ausgrenzun­g, Verfolgung und Vernichtun­g kommen? Damit erinnern wir an die Opfer und geben ihnen ihre Würde zurück, die ihnen auf so schlimme Art genommen wurde. Gleichzeit­ig richten wir den Blick auf Gegenwart und Zukunft. Welche Lehren können wir für uns heute, aber auch für unsere Kinder – also für die Zukunft – aus den Geschehnis­sen ableiten?

Als Landtagspr­äsident engagiere ich mich im Rahmen der Erinnerung­sarbeit gegen Antisemiti­smus. Dabei ist es mir zum Beispiel besonders wichtig, Schülerinn­en und Schüler anzusprech­en und gemeinsam mit ihnen die erhaltenen und neu geschaffen­en Erinnerung­sorte zu besuchen, die das vielfältig­e jüdische Leben im Saarland belegen. Ich möchte sie so motivieren, sich selbst mit den Verbrechen zu beschäftig­en, die im Dritten Reich in ihrem Lebensumfe­ld stattgefun­den haben. Aus der Vergangenh­eit lernen, um Zukunft zu gestalten.

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FOTO: DPA Stephan Toscani (CDU), Präsident des Landtages des Saarlandes

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