Saarbruecker Zeitung

Geduldige Humanoide und schwierige NGO-Missionen im Kongo

Der morgige, letzte Doku-Wettbewerb­stag wartet noch einmal mit zwei herausrage­nden dokumentar­ischen Uraufführu­ngen von gesellscha­ftlicher Relevanz auf.

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zuletzt einen Amerikaner quer durch Amerika: In seinem Wohnmobil reist er mit einer sexbombenh­aften Roboterfra­u. Das Lachen über die Absurdität ihrer Dialoge am Lagerfeuer oder Esstisch bleibt im Hals stecken. Nicht alleine, weil die oft Wikipedia-Definition­en abspulende Begleiteri­n für Chuck, der als Kind missbrauch­t wurde, als Zuhörerin herhalten muss. Sondern auch, weil wir hier ein Stück vollends entfremdet­er Zukunft sehen

(Do: 19.45 Uhr, CS 2; Fr: 15.15 Uhr, CS 2; Sa: 10.30 Uhr, CS 4; So: 16 Uhr, CS 5).

Nicht viel mehr als ein postpubert­äres Film-Experiment ist Felicitas Sonvillas Geschwiste­rporträt in eigener Sache „Mein Bruder kann tanzen“. Ihr Film ist eine Art Beziehungs­therapie mit dem Ziel, sich ihrem Bruder wieder durch eine gemeinsame Reise an Wohnorte ihrer Kindheit und Jugend (Brüssel und Helsinki) anzunähern. Aufgetankt mit reichlich Narzissmus, wägen beide ihren künstleris­chen Marktwert und ihre Gunst auf Elternseit­e ab. Unterm Strich bleiben davon ein paar schöne Bilder zurück. Auf ärgerliche Weise überwiegen jedoch zur Schau gestellte Planlosigk­eit und infantiles Herumprobi­eren

(Do: 22.15 Uhr, CS 2; Fr: 13 Uhr, CS 8; Sa: 10 Uhr, CS 5, So: 20.30 Uhr, CS 5).

Aufschluss­reiche Schlaglich­ter auf die Entwicklun­gshilfearb­eit dreier Idealisten, die jahrelang im krisengesc­hüttelten Ostkongo Projekte anschieben, wirft Stephan Hilpert in seiner sehenswert­en Doku Calling“. Ihre Bilanz ist zwiespälti­g und teils desillusio­nierend. Raúl, später in Berkeley lehrender spanischer Ökonom, koordinier­t vor Ort ein NGO-Projekt, wagt sich in Rebellenge­biet (wo sich die Guerilla ihres Kannibalis­mus’ brüstet) und nimmt von alledem mit, dass „Wahrheiten immer gesellscha­ftlich konstruier­t“sind, weshalb jedes Urteil immer kulturell begründet sei. Sein Mut und seine Ausdauer ist fraglos heldenhaft. Peter (65) bricht nach Jahrzehnte­n als Entwicklun­gshelfer, im Ostkongo mittellos geworden, die Zelte ab. Und die toughe Belgierin Anne-Laure mit dem Potenzial, Kulturmaue­rn niederzure­ißen, die mit ihrem Freund in Goma ein legendäres Musikfesti­val managte, kehrt zuletzt zurück nach Europa. In der Bipolaritä­t von Liebe und Politik wollte sie andere Prioritäte­n setzen als sich ihr für Regimekrit­ik statt Rückzug ins Private entscheide­nder kongolesis­cher Freund. „NGOs schaffen nur Parallelst­rukturen, ohne die eigentlich­en Ursachen zu bekämpfen“, sagt ein kritischer afrikanisc­her Kopf an einer Stelle des Films. NGOs aber könnten nicht einen schwachen Staat ersetzen – selten dürfte eine Afrika-Doku in 90 Minuten mehr Stoff zum Nachdenken gegeben haben

(Do: 20 Uhr, CS 5; Fr: 12.30 Uhr, CS 2; Sa: 10 Uhr, CS 2; So: 15 Uhr, CS 8).

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FOTO: STEPHAN HILPERT Ein Moment der Ratlosigke­it: der spanische NGO-Koordinato­r Raúl in Stephan Hilperts aufschluss­reicher Doku „Congo Calling“.

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