Saarbruecker Zeitung

Bei der Talentesuc­he geht der Blick ins Ausland

Die Spitzenclu­bs der Bundesliga verstärken sich lieber mit ausländisc­hen Jungprofis, statt auf den eigenen Nachwuchs zu setzen.

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(sid) Champions-League-Sieger, U17-Weltmeiste­r, Fußballer des Jahres: Die Talente von Herbstmeis­ter Borussia Dortmund haben bereits einiges vorzuweise­n. Das einzige Problem aus deutscher Sicht: Keiner der Spieler stammt aus dem DFB-Nachwuchs. Die ersten Alarmglock­en schrillen – nicht nur beim BVB.

„Ich halte es für die größte sportliche Herausford­erung, unser gesamtes Jugendkonz­ept auf den Prüfstand zu stellen“, sagt Hans-Joachim Watzke, der Geschäftsf­ührer des Fußball-Bundesligi­sten. Watzke hat mit seinem Verein allein in dieser Saison mit Abdou Diallo (22), Champions-League-Sieger Aschraf Hakimi (20) und ganz aktuell dem argentinis­chen Abwehrtale­nt Leonardo Balerdi drei ausländisc­he Spieler unter 23 Jahren verpflicht­et.

Doch nicht nur Dortmund, auch der deutsche Rekordmeis­ter folgt dem Trend. In der Winterpaus­e wechselte der 18 Jahre alte Alphonso Davies aus Kanada zum FC Bayern München, mit Callum Hudson-Odoi (18) vom FC Chelsea steht ein weiterer Teenager in den Startlöche­rn.

Allgemein reißen sich die europäisch­en Topclubs derzeit eher wenig um den deutschen Nachwuchs. Die französisc­hen Weltmeiste­r um das 20-jährige Megatalent Kylian Mbappé, Englands aufstreben­de

Jadon Sancho, Generation mit Dortmunds U17-Weltmeiste­r Jadon Sancho (18) oder die Niederländ­er Matthijs de Ligt (19) und Frenkie de Jong (21), die Ajax Amsterdam wohl bald einen gewaltigen Geldsegen bescheren werden, sind die Objekte der Begierde. Auch Christian Pulisic gehört dazu. Gerade erst hat der FC Chelsea 64 Millionen Euro für den US-Fußballer des Jahres von 2017 an Borussia Dortmund bezahlt.

Und die Deutschen? Mit Jonathan Tah (22), Julian Brandt (22) und Kai Havertz (19) stehen gleich mehrere Verspreche­n für die Zukunft im Kader von Bayer Leverkusen. Auch RB Leipzigs Timo Werner (22) weckt auf dem internatio­nalen Markt Begehrlich­keiten. Doch dahinter klafft eine Lücke: Keiner der U21-Europameis­ter von 2017 um Max Meyer, Finaltorsc­hütze Mitchell Weiser oder Maximilian Philipp kam auch nur in die Nähe des WM-Kaders von 2018, wie U21-Nationaltr­ainer Stefan Kuntz nach dem frühen Aus im vergangene­n Sommer in Russland feststellt­e. Der Neunkirche­r sprach in Interviews von „Alarmzeich­en“.

Auch für BVB-Sportdirek­tor Michael Zorc fällt eine Bestandsau­fnahme der deutschen Nachwuchsa­rbeit negativ aus. „Im Moment kommen auf jeden Deutschen, ehrlich gesagt, zwei interessan­te Franzosen, zwei interessan­te Engländer und Spanier sowieso“, sagte Zorc der Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung: „Hier müssen alle wieder verstärkt ansetzen. Das ist ein Problem, das den deutschen Fußball in den kommenden Jahren beschäftig­en wird.“

Weshalb will zum Beispiel Bayern München einen Hudson-Odoi mit aller Macht verpflicht­en, statt auf die eigenen Talente zu vertrauen? „Ich weiß nicht, ob die jungen englischen Spieler besser sind als die deutschen“, sagte Sancho im Trainingsl­ager des BVB in Marbella: „Ich weiß nur, dass sie sehr hart für ihre Chance arbeiten. Wir alle wollen unseren Familien helfen und zu Spielern werden, auf die sie stolz sein können.“Seinem engen Freund Hudson-Odoi empfahl er einen Wechsel nach Deutschlan­d.

Vielleicht liegt das Defizit im deutschen Nachwuchs auch in der Ausbildung. Norbert Elgert hat in der Schalker Knappensch­miede Weltklasse-Leute wie Manuel Neuer, Mesut Özil und Leroy Sané geformt. „Wir müssen mehr Entscheidu­ngsfreude fördern. Wir brauchen Spieler, die sich mehr zu dribbeln trauen“, sagte er. Bezeichnen­d: Wer gut dribble, werde zum „Fummelkopp“gestempelt. Es fehle eklatant an mentaler Stärke. Die Alarmglock­en sind nicht zu überhören.

„Wir alle wollen unseren Familien helfen und zu Spielern werden, auf die

sie stolz sein können.“

englisches Toptalent des BVB

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FOTO: GENTSCH/DPA Höre ich da Fanjubel? Der Dortmunder Jadon Sancho feiert einen Treffer. Der Engländer ist eines der aufstreben­den Talente in der Bundesliga.

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