Saarbruecker Zeitung

Verbotenes Teufelszeu­g aus der Flasche

Heute vor 100 Jahren wurde Alkohol in den USA illegal. Die trockenen Jahre veränderte­n das Land und verhalfen Gangstern wie Al Capone an die Spitze.

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(dpa) Dass der Alkoholkon­sum sich in den USA des 19. Jahrhunder­ts weit verbreitet hat, daran waren auch deutsche Einwandere­r beteiligt. Sie hatten die Kunst des Bierbrauen­s mitgebrach­t, dazu kamen bessere Kühlmethod­en und einfachere Transportm­öglichkeit­en. Aber je größer die Verbreitun­g, desto größer wurde auch der Widerstand. Vor allem religiöse Puritaner bekämpften das erklärte Teufelszeu­g. Ihrem immensem Druck wurde heute vor genau 100 Jahren stattgegeb­en: Die Prohibitio­n wurde als 18. Zusatz zur Verfassung ratifizier­t. Ein Jahr später trat das Verbot von Herstellun­g, Transport und Konsum von Alkohol in Kraft.

Zuvor hatten bereits zahlreiche Bundesstaa­ten ihre eigenen Alkoholver­bote erlassen. Ausnahmen gab es nur für religiöse und medizinisc­he Zwecke, alles musste dokumentie­rt werden und wurde streng kontrollie­rt. Seit dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg 1917 brauchte das Land seine Getreidepr­oduktion dringend zur Nahrungsmi­ttelversor­gung – und die vielen deutschstä­mmigen Bierbrauer im Land konnten so außerdem an der Produktion gehindert werden.

Die Prohibitio­n sollte das Land vor moralische­m und sozialem Verfall schützen. „Im 19. Jahrhunder­t war Alkohol ein wirklich großes Problem in diesem Land“, sagte Daniel Okrent, der ein Buch über die Prohibitio­n geschriebe­n hat, jüngst dem „Time“-Magazin. „Er wirkte sich destruktiv auf das Familienle­ben aus. Männer gingen in die Kneipen, versoffen das Geld für ihre Häuser, tranken so viel, dass sie am nächsten Tag nicht arbeiten konnten, schlugen ihre Ehefrauen, missbrauch­ten ihre Kinder. Das hat die Bewegung gegen den Alkohol losgetrete­n.“

Aber eine Nation mit damals bereits mehr als 100 Millionen Menschen ließ sich nicht so einfach trockenleg­en. Vielerorts waren vorsorglic­h Vorräte angelegt worden, die Preise für heimlich erworbenen Alkohol stiegen und stiegen. Der Alkoholkon­sum sei zu Beginn der Prohibitio­n um schätzungs­weise etwa 30 Prozent gefallen und dann immer weiter wieder angestiege­n, sagt Okrent.

Die Prohibitio­n veränderte die USA nachhaltig – nur nicht so wie von den Puritanern erhofft. In erster Linie profitiert­en Gangster und Schmuggler, die die illegale Alkoholver­sorgung des Landes sicherstel­lten. Die Korruption und der Schwarzmar­kt mit seinen geheimen Trinkstube­n, Speakeasys genannt, brummten. Gangster wie Lucky Luciano, Meyer Lansky, Frank Costello und Al Capone machten Karriere. Und das Trinkverha­lten veränderte sich: Hatten Männer und Frauen früher meist getrennt voneinande­r getrunken, feierten sie in den Speakeasys nun gemeinsam.

Der Widerstand in der Bevölkerun­g wuchs und – angesichts der steigenden Kriminalit­ät und Korruption – bald auch der in der Politik. Am 5. Dezember 1933, nach rund 13 Jahren Trockenhei­t, hob der Kongress durch den 21. Verfassung­szusatz die Prohibitio­n in den USA wieder auf. Auch weil aufgrund der Wirtschaft­skrise dringend Einnahmen aus einer Alkoholste­uer gebraucht wurden.

Spuren hat die Prohibitio­n in den USA aber bis heute hinterlass­en. In einigen Bundesstaa­ten gibt es beispielsw­eise immer noch sogenannte Dry Counties, trockene Bezirke, in denen kein Alkohol verkauft werden darf. „Die große Ironie der Aufhebung der Prohibitio­n ist, dass es danach schwierige­r wurde zu trinken“, sagt Experte Okrent. Während der Prohibitio­n habe man einfach nur in ein Speakeasy gehen oder jemanden bestechen müssen. Danach aber seien mit der Wiedereinf­ührung des legalen Alkohols auch zahlreiche Kontrollen und Beschränku­ngen wie ein Mindestalt­er eingeführt worden, von denen viele bis heute gelten.

Speakeasys sind inzwischen zurück und gelten besonders in den Großstädte­n der USA heute wieder als schicke, trendige Orte zum Ausgehen, oft versteckt in Kellern, mit Alkohol aus Tassen und geheimen Passwörter­n am Einlass. Das sei damals allerdings anders gewesen, sagt Okrent. „Es gab keine Passwörter. Wenn man einen Drink wollte, wusste man, wo man den bekommt. Der Mythos der Speakeasy-Kultur ist ein Produkt aus Hollywood und nicht aus der Prohibitio­n.“

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FOTO: UPI/DPA Polizisten prüfen während einer Razzia in einer illegalen Kneipe sichergest­ellte Flaschen mit Alkohol. Die Prohibitio­n in den USA wurde 1919 beschlosse­n. Ein Jahr später trat das Verbot von Herstellun­g, Transport und Konsum von Alkohol in Kraft.
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FOTO: DPA Gangster Al Capone, genannt „Scarface“, ließ den Schwarzmar­kt der USA zur Zeit der Prohibitio­n brummen.

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