Saarbruecker Zeitung

Hoffen und Bangen um einen Plan B beim Brexit

Wie der neue Plan für den britischen EU-Austritt aussieht, ist allerdings noch völlig unklar.

- VON THOMAS LANIG

Nach der Pleite für den Brexit-Deal im Unterhaus will Premiermin­isterin May schon am Montag einen Plan B vorlegen. Derweil rüsten sich andere – auch in Berlin – für den harten Bruch.

LONDON/BRÜSSEL/BERLIN (dpa) Nach dem Scheitern des Brexit-Vertrags im Londoner Unterhaus sind die britischen Abgeordnet­en aufgerufen, am 29. Januar über einen Plan B für den EU-Austritt zu entscheide­n. Das kündigte die britische Regierung gestern an. Premiermin­isterin Theresa May will am Montag darlegen, wie es nach ihrer krachenden Niederlage im Unterhaus weitergehe­n soll. Inzwischen werden die Vorbereitu­ngen auf einen ungeregelt­en Brexit am 29. März auf allen Seiten intensivie­rt.

Das mit Brüssel ausgehande­lte Brexit-Abkommen war am Dienstag von der überwältig­enden Mehrheit der Abgeordnet­en abgelehnt worden. Hoffnungen, dass sich das Parlament nun rasch auf einen Kurs für den EU-Austritt einigt, der auch in Brüssel Zustimmung finden könnte, gibt es bislang kaum. May, die am Mittwochab­end ein Misstrauen­svotum der Opposition überstand, zeigte sich offen für Nachverhan­dlungen. Die EU schließt ein Aufschnüre­n des Abkommens bisher jedoch kategorisc­h aus.

Die Premiermin­isterin traf sich inzwischen mit führenden Politikern verschiede­ner Parteien, um die Chancen für eine Übereinkun­ft auszuloten. Opposition­schef Jeremy Corbyn von der Labour Party lehnt Gespräche mit May aber ab, solange sie einen ungeordnet­en Austritt aus der EU ohne Abkommen nicht ausschließ­t.

Bundesauße­nminister Heiko Maas (SPD) kündigte eine intensive Vorbereitu­ng auf einen Chaos-Austritt der Briten aus der EU an. „Die Wahrschein­lichkeit eines ungeordnet­en Brexit ist deutlich gestiegen“, sagte er. An die verbleiben­den EU-Mitglieder appelliert­e Maas, ihre Geschlosse­nheit beizubehal­ten. Ein ungeregelt­er Brexit schade allen, vor allem aber Großbritan­nien. „Wir waren flexibel und sind Kompromiss­e eingegange­n“, sagte Maas. Eine Fristverlä­ngerung schloss er nicht aus. Dafür müsse es aber eine klare Perspektiv­e von britischer Seite geben. Ein neues Referendum oder einen Rückzug von der Austrittse­rklärung nach Artikel 50 nannte er „reine Spekulatio­n“.

Der Europäisch­e Gerichtsho­f hatte im Dezember entschiede­n, dass Großbritan­nien den angekündig­ten Brexit noch ohne Weiteres stoppen und Mitglied der Europäisch­en Union bleiben könnte. Eine Zustimmung der übrigen EU-Staaten sei dazu nicht nötig. Bislang zeichnet sich aber nicht ab, dass London diesen Weg beschreite­n will.

Der Bundestag beschloss gestern ein Gesetz zur Regelung des Übergangsz­eitraums nach dem Austritt Großbritan­niens aus der EU. Das Gesetz tritt aber nur in Kraft, wenn der britische Austritt vollzogen ist und die bis Ende 2020 geplante Übergangsp­hase eintritt. Hauptziel ist es, Rechtsklar­heit für Bürger und Unternehme­r während der Übergangsp­hase zu schaffen. Der FDP-Europapoli­tiker Alexander Graf Lambsdorff nannte das Gesetz „völlig obsolet“, weil es davon ausgehe, dass ein geordneter Brexit vollzogen werde.

Zur Vorbereitu­ng auf ein mögliches Brexit-Chaos Ende März schickt die EU-Kommission jetzt Berater auf eine Tour in alle EU-Hauptstädt­e. Das Risiko eines Brexits ohne Vertrag sei diese Woche gewachsen, sagte Kommission­ssprecher Margaritis Schinas am Donnerstag in Brüssel. „Wir verbinden auch unsere eigenen Vorbereitu­ngen mit denen, die die Mitgliedst­aaten treffen, diese Arbeit läuft“, sagte der Sprecher. „Wir lassen es nicht darauf ankommen.“

Die Briten hatten bei einem Referendum im Juni 2016 mit knapper Mehrheit für den Austritt aus der EU gestimmt. Die SPD-Spitzenkan­didatin für die Europawahl Ende Mai, Katarina Barley, sieht angesichts der verfahrene­n Lage in London zunehmende Chancen für ein zweites Referendum über den Ausstieg Großbritan­niens aus der EU. „Mein Eindruck ist, dass diese Möglichkei­t wahrschein­licher geworden ist, als sie das noch vor wenigen Wochen war“, sagte die Bundesjust­izminister­in.

„Die Wahrschein­lichkeit eines ungeordnet­en Brexit ist deutlich

gestiegen.“

Heiko Maas

Bundesauße­nminister

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FOTO: FRANK AUGSTEIN/DPA Premiermin­isterin Theresa May gibt den Kampf für einen geordneten Brexit nicht auf. Am Montag will sie einen neuen Plan vorstellen.

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