Saarbruecker Zeitung

Die Mogelpacku­ng aus dem Supermarkt

Nicht nur im Saarland ärgern sich Verbrauche­r über viel zu viel Luft in ProduktVer­packungen – oft zu Recht, wie Stichprobe­n zeigen.

- Produktion dieser Seite: Fatima Abbas, Robby Lorenz Gerrit Dauelsberg VON FATIMA ABBAS UND ERICH REIMANN

HAMBURG/SAARBRÜCKE­N (dpa) Statt Grießbrei nur heiße Luft? Das könnte man so sagen, wenn man sich den Klassiker der Marke Mondamin im Supermarkt vorknöpft. Die Verpackung besteht nämlich zu 83 Prozent aus Luft. Eine doch sehr verblüffen­de Erkenntnis, zu der die Verbrauche­rzentrale Hamburg gelangte, nachdem sie 14 gut verschloss­ene Lebensmitt­el- und Spülmittel­verpackung­en mit einem Röntgenger­ät durchleuch­tete. Die Packungen der Stichprobe – egal ob es sich um Grießbrei oder um Geschirrsp­ültabs handelte – waren im Mittel nur zu 41 Prozent gefüllt. Zwei der untersucht­en Packungen enthielten sogar mehr als 80 Prozent Luft.

Ganz überrasche­nd war das Ergebnis nicht, denn die Verbrauche­rzentrale hatte sich für ihre Stichprobe­n die Produkte herausgepi­ckt, über die sich Konsumente­n bei ihr beschwert hatten. Fast 2000 entspreche­nde Beschwerde­n gingen 2018 bei den Verbrauche­rschützern ein. Das sei mehr als in den Jahren zuvor, sagt der Lebensmitt­elexperte der Verbrauche­rzentrale Armin Valet.

Kunden, die sich im Supermarkt hinters Licht geführt fühlen, gibt es auch im Saarland. Das hiesige Verbrauche­rschutzmin­isterium schreibt auf SZ-Anfrage: „Leider kommt es immer wieder vor, dass Produktver­packungen unverhältn­ismäßig groß im Verhältnis zum Produktumf­ang erscheinen. Verbrauche­r ärgern sich daher zu Recht über Berge von Verpackung­smüll und manchmal auch über den trügerisch­en Schein einer großen, teuren Packung mit kleinem Inhalt.“Die Behörde weist darauf hin, dass nach Paragraph 43 Mess- und Eichgesetz Fertigpack­ungen dann verboten sind, „wenn sie ihrer Gestaltung und Befüllung nach eine größere Füllmenge vortäusche­n als in ihnen enthalten ist“. Es gelte eine 30-Prozent-Grenze für den Luftanteil.

Eine Grenze, die der Hersteller Unilever mit seinen 83 Prozent in der Grießbreiv­erpackung bei weitem überschrei­tet. Auf eine sowohl telefonisc­he als auch schriftlic­he Bitte um Stellungna­hme reagierte der Konzern gestern nicht.

Auch die Stiftung Warentest prangert regelmäßig Packungen an, die viel weniger Ware enthalten, als die Verpackung vorgaukelt. Dabei bedienen sich die Hersteller nach den Erfahrunge­n der Experten einer Vielzahl von Tricks: von Sichtfenst­ern in den Verpackung­en, die knapp unter der Befüllungs­grenze enden, bis zu doppelten Böden und Tiegeln mit auffällig dicken Wänden bei Kosmetika-Verpackung­en.

Mogelpacku­ngen fänden sich „quer durch den Supermarkt“, klagt Valet – vor allem aber bei Fertigprod­ukten und Süßigkeite­n. Sie führen nicht nur in die Irre, sondern produziere­n auch unnötig viel Müll. Die Verbrauche­rschützer plädieren deshalb dafür, jede Packung, wenn technisch möglich, „bis zum Rand oder zur Naht“zu befüllen.

Kunden, die eine „Luftpackun­g“wittern, können diese beim zuständige­n Eichamt überprüfen lassen. Auch das Saar-Ministeriu­m betont, dass gegen die Hersteller „Ordnungswi­drigkeitsv­erfahren eingeleite­t werden“können, wenn der hohe Luftanteil nicht „produktbed­ingt zustande kommt oder technisch unumgängli­ch ist“.

„Die Verärgerun­g der Verbrauche­r über zu viel Verpackung hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen“, beobachtet auch der Leipziger Professor für Verpackung­stechnolog­ie und Nachhaltig­keit, Eugen Herzau. Gleichzeit­ig warnt er vor voreiligen Verurteilu­ngen. „Nicht alles ist eine Mogelverpa­ckung, was auf den ersten Blick so wirkt. Wenn Kartoffelc­hips-Beutel aufgebläht sind, geht es nicht darum, mehr Inhalt vorzutäusc­hen, sondern den Inhalt besser vor Bruchschäd­en zu schützen“, erklärt er. Die Luft stelle ein Polster dar.

Um das Problem ins öffentlich­e Bewusstsei­n zu rücken, verleiht die Verbrauche­rzentrale Hamburg am Montag erneut den Schmähprei­s „Mogelpacku­ng des Jahres“. Dabei richtet sich das Augenmerk auf Fälle, in denen mit „kreativer“Packungsge­staltung versteckte Preiserhöh­ungen durchgeset­zt wurden.

Das große Problem: Die Tricks funktionie­ren trotz aller Aufklärung zu gut. „Wir kaufen auch mit dem Auge. Die größere Verpackung suggeriert mehr Inhalt, und damit steigt die Wahrschein­lichkeit, dass wir zugreifen“, erklärt der Marketinge­xperte Martin Fassnacht von der Wirtschaft­shochschul­e WHU in Düsseldorf.

Eine Alternativ­e zum Verpackung­smüll sind Unverpackt-Läden, deren Zahl in Deutschlan­d wächst. Auch in der Saarbrücke­r Innenstadt gibt es einen – seit anderthalb Jahren. Dort wiegen die Kunden vor dem Befüllen ihre Behälter am Eingang ab. Die Inhaberin tut dies am Ausgang erneut. Am Ende zahlt der Kunde nur das, was auch wirklich im Glas drin ist. Ganz ohne Luft nach oben.

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FOTO: VZHH 14,89 Zentimeter von 18 sind befüllt mit einem Hauch von Nichts: Die Verbrauche­rzentrale Hamburg fand per Röntgenauf­nahme heraus, dass die Packung des Mondamin-Grießbreis zu 83 Prozent mit Luft befüllt ist.

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