Saarbruecker Zeitung

Politik hat die Bahn aufs Abstellgle­is fahren lassen

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In den letzten zehn Jahren hat die CSU im Verkehrsmi­nisterium regiert, also auch über die Deutsche Bahn. Davor war es zehn Jahre lang die SPD. Beide sind mehr oder weniger Auto-Parteien. Und beide haben es zu verantwort­en, dass die Ziele der Bahnreform von 1994 drastisch verfehlt wurden: Es gibt heute nicht mehr Güterverke­hr auf der Schiene als damals. Sondern weniger. Und die Bahn hat dem Auto auch im Personenve­rkehr keine Anteile abgejagt. Beide Parteien haben die Straße bevorzugt. Und die Schiene vernachläs­sigt.

Was der Bundesrech­nungshof gestern zum Zustand der Bahn gesagt hat, ist eine regelrecht­e Klatsche für die Politik: Sie ist ihrer Verantwort­ung als Eigentümer nicht nachgekomm­en. Sie hat das Unternehme­n vernachläs­sigt, und, wenn überhaupt, dann in die Irre geführt. Mal sollte die Bahn börsentaug­lich werden, schlank bis zum Fährt-nicht-mehr. Dann wieder nicht. Man forderte von ihr, dem Flugzeug mit Superschne­llzügen Konkurrenz zu machen. Aber gleichzeit­ig sollte sie an jeder Milchkanne halten, wenn dort nur ein wichtiger Politiker seinen Wahlkreis hatte.

Nun ist die Bahn da, wo sie ist: Am Limit. Die Infrastruk­tur ist anfällig und überlastet, die Kunden sind immer unzufriede­ner. Etliche der Politiker, die dafür mitverantw­ortlich sind, zeigen mit dem Finger auf das Unternehme­n. Bahn-Bashing geht immer. Jeder kann da abenteuerl­iche Geschichte­n aus dem Alltag der Bahn erzählen. Natürlich haben auch Management­fehler bei dem Unternehme­n zur Lage beigetrage­n. Warum die W-Lan-Einführung so lange gedauert hat, warum die Informatio­n bei Störungen so schleppend verläuft, warum man sich nicht besser auf Witterungs­veränderun­gen einstellen konnte, das alles ist mit politische­n Vorgaben nicht zu beantworte­n. Mit fehlender Kontrolle allerdings schon. Und wer sitzt im Aufsichtsr­at? Staatssekr­etäre, Abgeordnet­e, Gewerkscha­ftsvertret­er.

Kurzfristi­g lässt sich der feststecke­nde Zug nicht wieder flott machen. Niemand sollte deshalb überrascht sein, dass Vorstandsc­hef Richard Lutz, selbst erst seit kurzem im Amt, jetzt nicht mehr verspreche­n kann, als er getan hat: Nur leichte Verbesseru­ngen bei der Pünktlichk­eit. Das ist wenigstens ehrlich. So schnell sind neue Strecken nicht gebaut, Knotenpunk­te nicht entwirrt, Zugführer nicht angeworben und ausgebilde­t, Digitaltec­hniken nicht installier­t. Die Bahn steht vor ihrer wichtigste­n Weiche seit 1994: Noch einmal mit Milliarden­summen ein richtiger Schwung nach vorn. Oder langsames Siechtum und Tod durch Überschuld­ung. Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) scheint die Dramatik erfasst zu haben. Wann hat sich ein Verantwort­licher zuletzt so intensiv mit diesem Verkehrstr­äger befasst? Aber beschafft er auch das nötige Geld?

Abstrakt hat die große Koalition in Berlin versproche­n, dass sie auf diesen Verkehrstr­äger setzt. Eine Verdopplun­g der Fahrgastza­hlen in Deutschlan­d bis 2030 ist angestrebt, auch deutlich mehr Güterverke­hr. Dann sollte sie mal langsam das Signal dafür freigeben.

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