Saarbruecker Zeitung

Streit um die Grüne Woche in Berlin

Die größte Leistungss­chau der Landwirtsc­haft wird zur Bühne für die Profilieru­ng mehrerer Minister. Sie machen sich gegenseiti­g Vorwürfe.

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Gerd Müller Noch bis zum 27. Januar präsentier­en sich über 1700 Aussteller aus 65 Ländern. 400 000 Besucher werden zum weltweit größten Schaufenst­er der Landwirtsc­haft erwartet. Partnerlan­d der Messe ist Finnland. Die Ausstellun­g ist zugleich hochpoliti­sch. Bis zu 70 Agrarminis­ter und viele internatio­nale Organisati­onen debattiere­n über Trends und

Gewinnzahl­en vom 17. 01. 2019

10 13 16 21 26 27 28 32 34 35 37 38 43 45 46 49 54 65 66 70 Fehlentwic­klungen in der Landwirtsc­haft, über Ernährungs­sicherheit und Digitalisi­erung. Wer im Agrarberei­ch was erreichen will, muss auf der Grünen Woche Pflöcke einschlage­n. Das kann wohl keine so gut wie Ernährungs­ministerin Julia Klöckner. Ihr Terminkale­nder quillt während der Grünen Woche über. Zahlreiche Reden wird sie halten, zahlreiche Verbände und Empfänge besuchen. Ihr Ministeriu­m unterhält in diesem Jahr sogar eine eigene Ausstellun­gshalle. Die Messe ist für Ministerin Klöckner die beste Gelegenhei­t des Jahres, sich in ihrem Amt zu profiliere­n. Eigenverma­rktung ist seit langem ein Steckenpfe­rd der Rheinland-Pfälzerin.

Nach noch nicht einmal einem Jahr im Amt wird ihr vorgeworfe­n, nur eine Gefolgsfra­u der Agrarlobby zu sein. Der Vorwurf kommt ausgerechn­et von ihrer Sitznachba­rin am Kabinettst­isch, Umweltmini­sterin Svenja Schulze. Der Zoff hat schon Tradition. Auch die Vorgänger von Klöckner und Schulze, Christian Schmidt (CSU) und Barbara Hendricks (SPD), fuhren sich gerne in die Parade und schrieben sich böse Briefe. Gestritten wurde über Mega-Ställe, den Klimaschut­z oder einfach nur, weil man sich nicht sonderlich mochte.

Svenja Schulze knüpft daran an. Pünktlich zum Auftakt der Grünen Woche warf sie ihrer Kabinettsk­ollegin Klöckner vor, sich bei der Neuausrich­tung der gemeinsame­n EU-Agrarpolit­ik (GAP) nicht ausreichen­d für den Umweltschu­tz einzusetze­n. Hintergrun­d ist, dass in Brüssel über den neuen Haushalt für die Zeit nach 2020 beraten wird. Die Agrarförde­rung gehört zu den größten Posten.

„Landwirtsc­haft betrifft

uns alle.“

Entwicklun­gshilfemin­ister

Nach Angaben von Schulze würden die Weichen „weiter in Richtung Intensivie­rung, Höfesterbe­n, Weltmarkt“gestellt, aber keine Anreize für Landwirte gesetzt, die nachhaltig wirtschaft­en wollten. Das sei Klöckners Versäumnis. Stimmt nicht, heißt es im Ressort der CDUFrau. Von Beginn an habe die Ministerin im EU-Agrarrat eine stärkere Ausrichtun­g der Förderung an Belangen des Umwelt-, Klima- und Naturschut­zes sowie des Tierwohls „konstrukti­v unterstütz­t“. Sie setze sich dafür ein, alle Interessen in einen „fairen Ausgleich zu bringen.“Das kann man so oder so sehen. Wie so oft im Agrarberei­ch. Die Liste der Konflikte ist noch länger. Im Umgang mit dem Unkrautver­nichter Glyphosat fährt Schulze einen deutlich rigideren Kurs; Klöckner tritt zudem beim Insektensc­hutz etwas auf die Bremse, während Schulze bereits Eckpunkte für Verbesseru­ngen vorgelegt hat.

Zur Kritik ihrer Kabinettsk­ollegin meinte gestern die Ernährungs­ministerin in einer Reaktion: „Das sehe ich gelassen.“Die Motivation­slage sei wohl, wegen der Grünen Woche mehr Aufmerksam­keit zu erregen. Einer, der unterdesse­n dem Treiben der beiden Kontrahent­innen entspannt zusieht, ist Entwicklun­gshilfemin­ister Gerd Müller (CSU). Während die anderen sich streiten, hat sein Ministeriu­m die Präsenz auf der Messe weiter ausgebaut, um zum Beispiel für den Kauf fair produziert­er Lebensmitt­el zu werben. Müller erklärt dazu: „Landwirtsc­haft betrifft uns alle.“Das gilt augenschei­nlich ganz besonders für die Bundesregi­erung.

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FOTO: WOLFGANG KUMM/DPA Susanne Roch aus Golßen hängt auf der Internatio­nalen Grünen Woche in der Halle ihres Bundesland­es Brandenbur­g frische Würste auf. Partnerlan­d der weltgrößte­n Agrarmesse ist in diesem Jahr Finnland.
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