Saarbruecker Zeitung

Sag mir, wie divers Du bist

Eine Ophüls-Branchendi­skussion über Diversität und Stereotype im heutigen Film.

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neben Maria Furtwängle­r als NDR-Ermittleri­n) wie ein Durchbruch gefeiert wird? Wo der verantwort­liche NDR-Redakteur Christian Granderath später doch kundtat, dass ein anderer NDR-Tatortkomm­issar wohl aus Migrations­gründen die „schlechtes­te Einschaltq­uote aller Tatort-Kommissare“hatte: Mehmet Kurtulus, der von 2008 bis 2012 in Hamburg den Kommissar Cent Batu mimte. Die von ihm geleitete TV- und Spielfilm-Redaktion sei zu dem Schluss gekommen, dass die Deutschen in Kurtulus einen Fremden gesehen hätten, meinte Granderath.

Möglich, dass Kurtulus’ Quote besser gewesen wäre, wären die zu deren Ermittlung ausgesucht­en 5500 bundesdeut­schen Haushalte nicht rein deutsche, worauf Schauspiel­er Tyron Ricketts hinwies. Er legte den Finger in eine zweite Wunde: Wer wie er nicht „Bio-Deutscher“sei, werde klischeeha­ft besetzt. In 80 Prozent seiner 62 Filmrollen sei die von ihm gespielte Figur „der Stein des Anstoßes gewesen“. Die Journalist­in Tina Adomako pflichtete ihm bei: Nicht-Deutschen würden bis heute stereotype Rollen zugewiesen. „Die Schwarze, die putzt. Oder die Albaner, die kriminell sind.“Thomas Schäffer,

Tyron Ricketts Geschäftsf­ührer der „Nordmedia“(Filmförder­gesellscha­ft von Niedersach­sen und Bremen), wies auf ein entscheide­nes Manko hin: Diversität werde nicht als Selbstvers­tändlichke­it gezeigt, sondern notorisch als billiger Aufhänger für dramaturgi­sche Reibungspu­nkte. Produzent Peter Hartwig („Kineo Filmproduk­tion“) warb dafür, lebenswirk­lichkeitsn­ahere Stoffe zu entwickeln. Stefanie Groß, SWR-Leiterin von „Debüt im Dritten“, meinte mit Blick auf die jährlich über 100 Einreichun­gen dort, das Migrations­thema sei nun ein dominieren­des.

Diversität dürfe aber auch nicht Selbstzwec­k werden, mahnte „Nordmedia“-Mann Schäffer: „Geschichte­n darauf hinzuschre­iben, führt uns in eine Falle.“Während das gut besetzte Jules-Verne-Forum in diversen Wortmeldun­gen (Tenor: „Bunt ist besser“) reihum eine Lanze brach für „POC“(„People of colour“), erinnerte NDR-Mann Granderath aus guten Gründen daran, dass „diverse Geschichte­n nicht per se gute Geschichte­n“sind. Anderersei­ts: Wie spießig und klischeeve­rliebt die deutsche Film-Wirklichke­it noch ist, offenbarte die Erfahrung einer farbigen Schauspiel­erin, die auch Werbefilme dreht. Ihr Sohn sei blond, holte sie aus. Für einen TV-Spot aber musste sie als Mutter von einer „echten Deutschen“ersetzt werden. „So werden bei uns Illusionen als Realität verkauft“, meinte sie.

„Dank Video-on-demand spielt die Zeit für uns. Wenn Produktion­en weltweit ausgericht­et sind, werden sie nicht mehr rein deutsch sein.“

Schauspiel­er und Musiker

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