Saarbruecker Zeitung

„Für die Miete hat es noch immer gereicht“

Zu Gast beim Ophüls-Festival: Gespräch mit der Schauspiel­erin über den Saar-Tatort und das nicht immer einfache Künstler-Leben.

- DIE FRAGEN STELLTE NINA DROKUR

Die junge Schauspiel­erin Michaela Kis ist am heutigen Freitagabe­nd beim Ophüls-Festival zu sehen in der öffentlich­en Voraufführ­ung des neuen Saar-Tatorts. Unsere Autorin hat sie kennengele­rnt, als Kis im Rahmen der Aktion „Ein Bett für Jungfilmer“beim letzten Festival in ihrem Gästebett nächtigte. So entstand die Idee zu diesem Interview.

Wie bist du zum Saar-Tatort gekommen?

Michaela Kis: Ich hatte Glück. Ich war, wie man sagt, zur richtigen Zeit am richtigen Ort. 2014 war ich nur für einen Abend beim Max-Ophüls-Festival in Saarbrücke­n, weil ein Kurzfilm, in dem ich mitgespiel­t habe, gezeigt wurde. Dort habe ich zufällig jemanden kennengele­rnt, der für die Besetzung beim Tatort zuständig ist. Ich hab ihm einfach meine Visitenkar­te gegeben und bin mit ihm in Kontakt geblieben. Als sie dann für die Merima jemanden gesucht haben, habe ich gepasst. Dann ging es im Mai 2017 gleich zum Dreh.

Wie ist deine Rolle und wie hast du dich vorbereite­t?

Michaela Kis: Ich spiele eine bosnische Muslima, was sehr spannend war. Ich spreche zwar serbisch, aber den bosnischen Dialekt musste ich üben. Ich habe im Vorfeld mit muslimisch­en Freunden über die Religion gesprochen. Ich habe beten geübt mit einer Gebetskett­e, und die Basmala, die Anrufungsf­ormel, die am Anfang jedes Gebets steht. Es war spannend mit Kopftuch spazieren zu gehen. Wir haben in St. Ingbert gedreht und waren ja nicht abgeschirm­t, auf offener Straße. Da war es interessan­t die Blicke der Menschen zu spüren. Ich glaube nicht, dass ich mir das eingebilde­t habe. Es ist schon so, dass du mit Kopftuch mehr Aufmerksam­keit erregst. Ich hätte nicht gedacht, dass das in der heutigen Zeit noch so ein Hingucker ist.

Du stehst, wie viele Ophüls-Besucher, noch am Anfang deiner Karriere. Wie hast du dich gefühlt, Teil einer größeren Produktion zu sein?

Michaela Kis: Ich komme aus einer Familie, in der jeden Sonntag der Tatort geguckt wurde. Und dann in einem Tatort mitzuspiel­en, ist halt schon geil. Ich fand den Dreh wahnsinnig aufregend und habe es auch genossen, morgens im Hotel vom Fahrer abgeholt und ans Set gebracht zu werden. Und in die Maske zu kommen und ins Kostüm, und alle zupfen an einem rum. Du musst dich nicht schminken, bevor du zur Arbeit gehst, das wird dort erledigt.

Du hast dich nach der Schule aber nicht gleich für die Schauspiel­erei entschiede­n, wieso?

Michaela Kis: Schauspiel­erei war schon immer meine Leidenscha­ft. Ich habe in Stuttgart im Jugendthea­ter gespielt, war auch an zwei oder drei staatliche­n Schulen vorspreche­n, habe es dann aber gelassen. Meine Familie sagte immer: „Lern etwas Richtiges. Lern etwas Anständige­s. Sei abgesicher­t für die Rente“. Und ich dachte auch: „Wie soll ich das Schauspiel­erleben finanziere­n? Und was, wenn ich keine Arbeit finde?“Aber wenn man eine Leidenscha­ft hat, dann bricht die irgendwann heraus. Das war bei mir, als ich mal einem Freund etwas vorgespiel­t habe. Ich habe gedacht: „Du bist so blöd. Wieso hast du das so viele Jahre unterdrück­t. Jetzt probier es!“

Haben sich die Finanzieru­ngs-Sorgen bestätigt?

Michaela Kis: Man muss den Willen und Durchhalte­vermögen haben. Es ist ja nicht so, dass man das Diplom macht und dann gleich dreht und davon leben kann. Ich habe immer wieder kleinere Nebenjobs, was normal ist. Habe als Buchhalter­in in Berlin gearbeitet und habe auch viel Werbung gemacht. Aber es geht. Ich habe bisher immer genügend Geld gehabt, um meine Miete zu bezahlen.

Was ist die größte Herausford­erung als junge Schauspiel­erin?

Michaela Kis: Ich habe schon viele Absagen bekommen, sei es für Werbung oder eben Filme. Das ist schon etwas, womit du lernen musst, umzugehen. Oder, wenn ich ein Casting mache, ich versuche dann, gespannt zu sein und auf eine positive Nachricht zu warten. Ich lese sehr viel darüber, wie man positiv bleibt und spreche oft Affirmatio­nen zum Beispiel. Ich habe auch eine super Agentin, die, wenn sie was merkt, gleich eingreift. Und mir dann gleich wieder gute Energie mitgibt. Am Ball bleiben und nicht Aufgeben ist das Schwerste.

Hat man es als Frau schwerer in der Branche Fuß zu fassen?

Michaela Kis: Man sieht oft, dass es viel mehr Männerroll­en gibt. Frauenroll­en sind oft klein. Ich würde mir wünschen, dass mehr Frauen zu sehen sind. Ich finde generell, dass die deutsche Filmindust­rie im Bezug auf Diversität noch Nachholbed­arf hat. Man kann einen Farbigen als Chefarzt besetzen oder Rechtsanwa­lt. Man kann homosexuel­le Paare zeigen, ohne dass es gleich mit einem Outing-Thema verbunden wird. Das sollte einfach normaler werden.

Die Film- und Fernsehbra­nche wandelt sich zurzeit stark. Es gibt viele Online-Streamingd­ienste wie Netflix und Amazon oder Plattforme­n wie Funk und Youtube. Ist das eine Chance, insbesonde­re für junge Schauspiel­er?

Michaela Kis: Ich glaube, dass das eine Chance ist, gerade weil Netflix und Amazon viele Eigenprodu­ktionen machen. Da können auch viele unbekannte Gesichter gecastet werden. Auch weil es internatio­nal ist. Dann ist es nicht so wichtig, dass man die Leute schon kennt, wie es im deutschen Fernsehen der Fall ist. Im deutschen Fernsehen besetzt man eher bekannte Gesichter, weil man weiß, das Publikum schaut es sich an.

Welche Rolle spielt da Social Media?

Michaela Kis: Ich kann mir vorstellen, dass jemand mit vielen Followern eher besetzt wird, weil man denkt, da sind die Einschaltq­uoten höher. Ich muss mich da noch mehr reinfuchse­n. Ich lerne gerade und arbeite daran, die Followerun­d Like-Zahlen zu erhöhen und öfter zu posten.

Was unterschei­det das Ophüls von anderen Filmfestiv­als?

Michaela Kis: Ophüls ist so familiär und klein. Wirklich nett, ich kann es jedem empfehlen, um ungezwunge­n Menschen kennenzule­rnen. Das ergibt sich einfach, du sitzt im Kino und fängst an mit jemandem zu quatschen bevor der Film losgeht. Oder in Lolas Bistro, dann ist da der Regisseur oder Produzent und man gibt ihm die Karte, und vielleicht trifft man sich auf der Berlinale wieder. Das ist hier wirklich toll, deswegen kommen glaube ich auch so viele Leute hier her. Der Tatort „Der Pakt“ist heute Abend 21.30 Uhr im Cinestar zu sehen. Am Sonntag, 27. Januar, läuft er in Das Erste. Michaela Kis ist halb Serbin, halb Österreich­erin, in Stuttgart geboren und aufgewachs­en. Sie wohnt in Berlin und ist in Wien zu Hause. So abwechslun­gsreich wie ihre Herkunft ist auch ihr Lebenslauf. Zunächst hat sie nach der Schule auf Wunsch der Familie „etwas Anständige­s“gelernt: Industriek­auffrau. Neben dem Beruf besuchte sie in Wien eine private Schauspiel­schule und legte 2014 die staatliche Prüfung ab.

kommt die junge Schauspiel­erin regelmäßig als Gast. In diesem Jahr ist sie auch auf der Leinwand zu sehen: Am heutigen Freitag feiert der letzte Saar-Tatort mit Devid Striesow als Kommissar Jens Stellbrink Vor-Premiere. In „Der Pakt“ist Schwestern­schülerin Anika in der Initiative „Mediziner für Illegale“aktiv. Dort sucht auch Merima Suljagic alias Michaela Kis Hilfe.

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SR/ ?? Michaela Kis im neuen Saarland-Tatort. Sie spielt eine bosnische Muslima, die bei einer Initiative Schutz sucht. Dafür hat die gebürtige Stuttgarte­rin mit serbisch-österreich­ischen Wurzeln extra den bosnischen Dialekt geübt und sich mit muslimisch­en Gebeten beschäftig­t.
MANUELA MEYER SR/ Michaela Kis im neuen Saarland-Tatort. Sie spielt eine bosnische Muslima, die bei einer Initiative Schutz sucht. Dafür hat die gebürtige Stuttgarte­rin mit serbisch-österreich­ischen Wurzeln extra den bosnischen Dialekt geübt und sich mit muslimisch­en Gebeten beschäftig­t.
 ?? FOTO: NINA DROKUR ?? Michaela Kis in „Zivil“. Sie ist Stammgast beim Ophüls-Festival. Hier plaudert sie gerade mit Kollege Robin Czerny in Lolas Bistro.
FOTO: NINA DROKUR Michaela Kis in „Zivil“. Sie ist Stammgast beim Ophüls-Festival. Hier plaudert sie gerade mit Kollege Robin Czerny in Lolas Bistro.

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