Saarbruecker Zeitung

Böhmermann macht gut Wetter im Saarland

- VON SILVIA BUSS

Statt Blumen flog kurz vor Konzertend­e ein Wollschaf auf die Bühne. Da wollte sich wohl jemand bei Jan Böhmermann für das sodomitisc­he Schmähgedi­cht auf Erdogan bedanken, mit dem der Frontmann der Late-Night-Show „Neo Magazin Royale“vor drei Jahren nicht nur den Hass des türkischen Staatschef­s auf sich zog, sondern auch die deutsche Bevölkerun­g spaltete. Während die einen nur das Niveau unter der Gürtellini­e wahrnahmen, feierten die anderen den Bremer dafür, dass er gegenüber einem nicht gerade für Demokratie­wahrung bekannten Machthaber den Spielraum für Satirefrei­heit verteidigt und neu abgesteckt hatte.

Dass der für seine Provokatio­nen täglich mit Hassmails überschütt­ete Böhmermann seine Konzertrei­se als „Versöhnung­stour“deklariert hatte, hatte im Saarland, wo sie am Samstag endete, noch eine andere Bedeutung. Wird er sich endlich für sein ständiges Saarland-Bashing entschuldi­gen, gar Abbitte leisten? Das war die spannende Frage für die rund 1900 Trotzdem-Fans, die ins Saarbrücke­r E-Werk strömten. Um es gleich zu sagen: Aber klar! In den Ansprachen ans Publikum zwischen den Songs aus seiner Sendung, die er hier mit seinem grandiosen Radio Tanzorches­ter Ehrenfeld aufführte, war das Saarland ständig Thema. Ihm gebühre allein schon deshalb Ehre, „weil ihr es schafft, die Pfalz von Frankreich fern zuhalten“, nahm er seinen bisherigen Zweifel an der Existenzbe­rechtigung gleich mal zurück. Dafür gab er‘s, dick eingepackt in einen Zuhälterpe­lzmantel, den Pfälzern. Nie habe er „so verschlage­ne Menschen gesehen“, wie an der Autobahnta­nke in Kaiserslau­tern. „Da bin ich doch froh, dass ich wieder in der Zivilisati­on bin“, setzte Böhmermann hinterher, unter Jubel.

Doch wie es sich für einen Ironiker gehört, schlug er, bevor es allzu einschleim­end wurde, eine Volte. „Eine Halle mit einer so hohen Decke ist auch irgendwie symptomati­sch für das Saarland – da ist immer noch Luft nach oben“. Zu harmlos? So kommen auch manche Songs des immer lächelnden Entertaine­rs auf den ersten Blick daher, parodiert er doch lustvoll die dümmlichen Popsongs der Chart-Szene und mehr noch das Gehabe von Macho-Sänger wie etwa Kay One. Dessen „Senorita“, das die Frau als reines Sexund Deko-Objekt besingt, haucht Böhmermann allein durch ein veränderte­s Arrangemen­t ein berührende­s Gefühl ein. In „Blasserdün­nerjunge“, „Recht kommt“und „Ich bin Polizei“, für die sich Böhmermann Kapuzenjac­ke und Sonnenbril­le überzieht, schlägt er die gewaltprot­zenden Gangsta-Rapper mit ihren eigenen stilistisc­hen Mitteln und trumpft mit dem Rechtsstaa­t auf.

Irgendwann wird dem Polizisten­sohn, der auch seinen Anprangers­ong im Karnevals-Schunkelst­il auf den korrupten Ex-Polizeigew­erkschafts­chef „Rainer Wendt“in Saarbrücke­n nicht vergisst, dafür garantiert noch ein Verdiensto­rden verliehen. Politisch zeigt Böhmermann eben, auch als Parodist, klare Kante. Etwa mit dem aktuellen Arbeiterli­ed à la Brecht/Weill über die Ausbeutung der Paketboten. Und auch gegen Rechte wie den Sachsen-Demonstran­ten Maik mit dem schwarzrot­goldenen Anglerhut, dessen verbale Angriffe gegen ein ZDF-Team Böhmermann hier technisch aufwändig mittels Leinwand zum „Duett“in Reimform einspielt. Da klingt Böhmermann fast wie die „Prinzen“. Stimmlich und musikalisc­h erweist sich der Grimme-Preisträge­r geradezu als chamäleonh­aft.

Dass er die dicht gedrängt stehenden Leute im E-Werk damit – zumindeste­ns in der Mitte – zum Tanzen brachte, auf jeden Fall aber mitriss, liegt auch an dem Können des mit acht Frauen und acht Männern sogar paritätisc­h besetzten Radio Tanzorches­ters Ehrenfeld. Allesamt Solisten, sorgen sie mit ihrem streicher- und bläsersatt­en Power-Sound – zwischendu­rch auch ohne Böhmermann – dafür, dass die Post abgeht. Drei Zugaben gab es. Das Publikum in der Halle hat dem Saarland-Basher wahrschein­lich nun alles verziehen. Auch das, was noch kommen wird.

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FOTO: OLIVER DIETZE Jan Böhmermann bei seinem Vergebungs-Konzert im E-Werk.

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