Böhmermann macht gut Wetter im Saarland
Statt Blumen flog kurz vor Konzertende ein Wollschaf auf die Bühne. Da wollte sich wohl jemand bei Jan Böhmermann für das sodomitische Schmähgedicht auf Erdogan bedanken, mit dem der Frontmann der Late-Night-Show „Neo Magazin Royale“vor drei Jahren nicht nur den Hass des türkischen Staatschefs auf sich zog, sondern auch die deutsche Bevölkerung spaltete. Während die einen nur das Niveau unter der Gürtellinie wahrnahmen, feierten die anderen den Bremer dafür, dass er gegenüber einem nicht gerade für Demokratiewahrung bekannten Machthaber den Spielraum für Satirefreiheit verteidigt und neu abgesteckt hatte.
Dass der für seine Provokationen täglich mit Hassmails überschüttete Böhmermann seine Konzertreise als „Versöhnungstour“deklariert hatte, hatte im Saarland, wo sie am Samstag endete, noch eine andere Bedeutung. Wird er sich endlich für sein ständiges Saarland-Bashing entschuldigen, gar Abbitte leisten? Das war die spannende Frage für die rund 1900 Trotzdem-Fans, die ins Saarbrücker E-Werk strömten. Um es gleich zu sagen: Aber klar! In den Ansprachen ans Publikum zwischen den Songs aus seiner Sendung, die er hier mit seinem grandiosen Radio Tanzorchester Ehrenfeld aufführte, war das Saarland ständig Thema. Ihm gebühre allein schon deshalb Ehre, „weil ihr es schafft, die Pfalz von Frankreich fern zuhalten“, nahm er seinen bisherigen Zweifel an der Existenzberechtigung gleich mal zurück. Dafür gab er‘s, dick eingepackt in einen Zuhälterpelzmantel, den Pfälzern. Nie habe er „so verschlagene Menschen gesehen“, wie an der Autobahntanke in Kaiserslautern. „Da bin ich doch froh, dass ich wieder in der Zivilisation bin“, setzte Böhmermann hinterher, unter Jubel.
Doch wie es sich für einen Ironiker gehört, schlug er, bevor es allzu einschleimend wurde, eine Volte. „Eine Halle mit einer so hohen Decke ist auch irgendwie symptomatisch für das Saarland – da ist immer noch Luft nach oben“. Zu harmlos? So kommen auch manche Songs des immer lächelnden Entertainers auf den ersten Blick daher, parodiert er doch lustvoll die dümmlichen Popsongs der Chart-Szene und mehr noch das Gehabe von Macho-Sänger wie etwa Kay One. Dessen „Senorita“, das die Frau als reines Sexund Deko-Objekt besingt, haucht Böhmermann allein durch ein verändertes Arrangement ein berührendes Gefühl ein. In „Blasserdünnerjunge“, „Recht kommt“und „Ich bin Polizei“, für die sich Böhmermann Kapuzenjacke und Sonnenbrille überzieht, schlägt er die gewaltprotzenden Gangsta-Rapper mit ihren eigenen stilistischen Mitteln und trumpft mit dem Rechtsstaat auf.
Irgendwann wird dem Polizistensohn, der auch seinen Anprangersong im Karnevals-Schunkelstil auf den korrupten Ex-Polizeigewerkschaftschef „Rainer Wendt“in Saarbrücken nicht vergisst, dafür garantiert noch ein Verdienstorden verliehen. Politisch zeigt Böhmermann eben, auch als Parodist, klare Kante. Etwa mit dem aktuellen Arbeiterlied à la Brecht/Weill über die Ausbeutung der Paketboten. Und auch gegen Rechte wie den Sachsen-Demonstranten Maik mit dem schwarzrotgoldenen Anglerhut, dessen verbale Angriffe gegen ein ZDF-Team Böhmermann hier technisch aufwändig mittels Leinwand zum „Duett“in Reimform einspielt. Da klingt Böhmermann fast wie die „Prinzen“. Stimmlich und musikalisch erweist sich der Grimme-Preisträger geradezu als chamäleonhaft.
Dass er die dicht gedrängt stehenden Leute im E-Werk damit – zumindestens in der Mitte – zum Tanzen brachte, auf jeden Fall aber mitriss, liegt auch an dem Können des mit acht Frauen und acht Männern sogar paritätisch besetzten Radio Tanzorchesters Ehrenfeld. Allesamt Solisten, sorgen sie mit ihrem streicher- und bläsersatten Power-Sound – zwischendurch auch ohne Böhmermann – dafür, dass die Post abgeht. Drei Zugaben gab es. Das Publikum in der Halle hat dem Saarland-Basher wahrscheinlich nun alles verziehen. Auch das, was noch kommen wird.