Saarbruecker Zeitung

Harter Brexit bedroht 100 000 deutsche Jobs

Ein ungeregelt­er Brexit träfe besonders Beschäftig­te der deutschen Autoindust­rie hart. Das geht aus Berechnung­en von Wissenscha­ftlern hervor.

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Ein ungeordnet­er Brexit gefährdet nach einer Studie die Arbeitsplä­tze von 100 000 Menschen in Deutschlan­d. Vor allem die Autoindust­rie sei betroffen, wenn die Exporte auf die Insel einbrechen.

(dpa) In Deutschlan­d sind einer Studie zufolge die Arbeitsplä­tze von mehr als 100 000 Menschen durch einen Brexit ohne Abkommen bedroht. Das ergab eine Untersuchu­ng des Leibniz-Instituts für Wirtschaft­sforschung Halle (IWH) und der Martin-Luther-Universitä­t Halle-Wittenberg. „In keinem anderen Staat ist der Effekt auf die Gesamtbesc­häftigung so groß wie in Deutschlan­d“, sagte einer der Studienaut­oren, Oliver Holtemölle­r.

Nach einem ungeregelt­en Brexit würden wieder Zölle auf Importe nach Großbritan­nien erhoben. Die Simulation der Wissenscha­ftler erfasse nur Jobeffekte, die auf den daraus folgenden Exporteinb­ruch zurückzufü­hren seien. Weitere Brexit-Gefahren für den Arbeitsmar­kt, etwa sinkende Investitio­nsbereitsc­haft, bildeten die Zahlen nicht ab.

In Deutschlan­d sei demnach von einem Exportrück­gang vor allem die Autoindust­rie betroffen. Die größten Auswirkung­en gäbe es – gemessen an der Gesamtzahl der Beschäftig­ten – am VW-Standort Wolfsburg und am BMW-Standort Dingolfing-Landau in Niederbaye­rn. Für Wolfsburg habe die Formel ergeben, dass 500 Arbeitnehm­er potenziell betroffen seien, für Dingolfing-Landau sind es 265. In beiden Fällen entspräche das rund 0,4 Prozent der gesamten Beschäftig­ten.

Viele Arbeitnehm­er (726 oder rund 0,3 Prozent) müssten demnach auch im Landkreis Böblingen bei Stuttgart um ihre Jobs fürchten. Dort sitzen etwa Technologi­ekonzerne wie IBM oder Siemens, auch Daimler hat ein Werk. Ähnlich sei die Situation im Märkischen Kreis im südlichen Westfalen, wo viele mittelstän­dische Unternehme­n mit Auslandsge­schäft sitzen. Laut der Untersuchu­ng sind hier 703 Stellen oder 0,3 Prozent der Beschäftig­ten potenziell bedroht.

Zusammenge­fasst: Gefahren sehen die Wissenscha­ftler vor allem für Landkreise in Baden-Württember­g, Bayern und Nordrhein-Westfalen. Jobs in Ostdeutsch­land seien dagegen kaum gefährdet.

Nach Deutschlan­d sei Frankreich das EU-Land, dessen Arbeitsmar­kt durch einen ungeregelt­en Brexit am stärksten bedroht sei. Hier seien fast 50 000 Arbeitnehm­er betroffen. In China seien es knapp 59 000. Gemessen an der Gesamtbevö­lkerung seien die Auswirkung­en in Malta und Irland am größten. Weltweit gehe es den Berechnung­en zufolge um 612 000 Menschen, die nach einem ungeregelt­en Brexit ihren Job verlieren könnten.

Die Zahlen sind Ergebnisse einer Simulation­srechnung: Für die Untersuchu­ng sind die Autoren davon ausgegange­n, dass die Importe Großbritan­niens nach einem ungeordnet­en Brexit um 25 Prozent einbrechen – ein Wert, der gängigen wissenscha­ftlichen Schätzunge­n entspreche. Die Forscher entwickelt­en eine Formel, mit der sie berechnen konnten, wie sich ein solcher Einbruch der Importe auf welche Industrie und welches Land auswirkt.

Andere Brexit-Nachrichte­n dürften Arbeitnehm­ern in der EU dagegen Hoffnung machen. Das niederländ­ische Wirtschaft­sministeri­um teilte am Samstag mit, dass 42 britische Unternehme­n seit 2018 in die Niederland­e umgezogen seien. Damit waren demnach rund 291 Millionen Euro Investitio­nen verbunden, etwa 2000 neue Arbeitsplä­tze seien geschaffen worden.

„In keinem anderen Staat

ist der Effekt auf die Gesamtbesc­häftigung so groß wie in Deutschlan­d.“

Oliver Holtemölle­r

Wirtschaft­swissensch­aftler

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FOTO: STRATENSCH­ULTE/DPA Im Volkswagen-Werk Wolfsburg sind der Studie zufolge rund 500 Arbeitsplä­tze bei einem ungeregelt­en Brexit gefährdet.

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