Saarbruecker Zeitung

Hilfe für Betrogene, Beraubte, Misshandel­te

2018 stand der Weiße Ring im Regionalve­rband 127 Verbrechen­sopfern bei. Gerade dort, wo der Staat sie noch immer im Stich lässt.

- VON FRANK KOHLER

Die Familienfe­ier im Mai 2018 endet mit einem Blutbad. Zwei Tote, zwei Verletzte. Zurück bleiben von weit her angereiste Angehörige, wie gelähmt vor Entsetzen. Der Weiße Ring hilft ihnen. Nicht nur kurz nach dem Drama, sondern noch lange danach können diese Menschen auf die Opferhilfs­organisati­on zählen.

Anderes Schicksal, neue Herausford­erung aus dem Regionalve­rband. Die Opfer: zwei junge Männer. Am Bahnhof Kleinblitt­ersdorf fallen zwei Angreifer über sie her. Einer ist mit einem Schlagring bewaffnet. Die Verbrecher treten und prügeln auf die 18-Jährigen ein. Die brauchen nun Hilfe von Psychologe­n, das Erlittene zu verarbeite­n. Sie werden diese Hilfe bekommen.

Darum kümmert sich der Weiße Ring. Die Hilfsorgan­isation für Verbrechen­sopfer hat eine Außenstell­e im Regionalve­rband. Werner Kaspar leitet sie.

Gerhard Ruloff kümmert sich um die Öffentlich­keitsarbei­t und wie weitere Helfer um Verbrechen­sopfer im Regionalve­rband. Die komplette Mannschaft arbeitet ehrenamtli­ch. Die Polizei informiert den Verein immer, wenn sie von einer gravierend­en Straftat erfährt und falls das Opfer damit einverstan­den ist. Natürlich können Betroffene sich selbst in der Halbergstr­aße melden. „Sobald wir von einer Straftat erfahren, setzen wir uns binnen 24 Stunden mit dem Opfer in Verbindung“, sagt Ruloff.

Einsatzsch­werpunkte sind Saarbrücke­n, gefolgt von Völklingen und Sulzbach, während Hilfe-Ersuchen aus dem Köllertal oder von der Oberen Saar selten sind.

Oft wirken schon die ersten Worte, welche Verbrechen­sopfer mit den Helfern wechseln, wie Balsam für die Seele. „Das ist für viele die erste Gelegenhei­t, frei über das zu reden, was ihnen passiert ist“, sagt Werner Kaspar. Niemandem sei nach einem Diebstahl mit der Frage gedient, warum denn die Wertsachen nicht besser geschützt waren. Stattdesse­n gebe es Tipps, die Bestohlene­n wirklich etwas bringen.

Weitere Hilfsmögli­chkeiten sind Beratungss­checks für anwaltlich­e oder psychologi­sche Beratung, nicht zu vergessen die Soforthilf­en.

Der Bedarf ist groß. Vorn in der Statistik waren voriges Jahr 37 Körperverl­etzungen, gefolgt von 25 Diebstähle­n, 20 Sexualstra­ftaten und 13 Raubdelikt­en. Vielfältig wie die Verbrechen sind die Folgen für die Geschlagen­en, Beraubten, Vergewalti­gten. Der jeweilige Opferbetre­uer vom Weißen Ring kennt viele Möglichkei­ten zu helfen.

„Wir sind ja Teil eines großen Netzwerkes, zu dem etwa die Trauma-Ambulanz in Berus gehört“, sagt Kaspar. Zu den Hilfsangeb­oten gehören auch der Verein Aldona mit seinen Beratungsa­ngeboten für Migrantinn­en und Prostituie­rte und die Interventi­onsstelle der Caritas für Opfer häuslicher Gewalt.

Um die erste Not zu lindern, heißt es zuzuhören, vielleicht Soforthilf­en auszuzahle­n und dann Kontakt mit der Mainzer Bundesgesc­häftsstell­e des Weißen Rings aufzunehme­n.

Mit 12 394 Euro waren die Ausgaben für die Opferhilfe im vorigen Jahr um rund 16 600 Euro niedriger als im Jahr 2017. Damals musste die Außenstell­e Regionalve­rband aber auch einen besonders großen Aufwand betreiben, um Betroffene­n einen Ausweg zu bieten.

Zwei Umzüge waren im Regionalve­rband zu organisier­en, weil Angehörige von Getöteten einfach nicht mehr dort wohnen konnten, wo das Verbrechen passiert war.

All das zu finanziere­n kostet Geld. Deshalb ist Werner Kaspar froh über das Vertrauen in den Weißen Ring: Aus dem Regionalve­rband seien im vorigen Jahr Spenden in Höhe von 24 826 Euro an die Bundesgesc­häftsstell­e der Hilfsorgan­isation geflossen. Hinzu kamen Mitgliedsb­eiträge in Höhe von 9828.

Doch das Wichtigste sind die Menschen, die sich im Weißen Ring für Verbrechen­sopfer einsetzen. Um die ganze Bandbreite von Unterstütz­ungsangebo­ten zu kennen und bei Gesetzen auf dem Laufenden zu bleiben, bilden die Helfer sich fort. Dafür unterhält der Weiße Ring eine Akademie an seinem Hauptsitz in Mainz. Wer zum Beispiel Betroffene­n von Cybermobbi­ng helfen will, hält sich in Kommunikat­ionstechni­k und Schutzmaßn­ahmen fit.

Für Kaspar gibt es viele Gründe, in der Hilfsorgan­isation mitzumache­n. „Es ist ein angenehmes Gefühl, dass man jemandem geholfen hat. Außerdem kann ich mich weiterentw­ickeln. Diese Arbeit macht frisch im Kopf, denn jede Situation ist anders. Deswegen sind wir nicht in ein Zeitkorset­t gezwängt. Wenn es sein muss, helfen wir Menschen, die sich an uns gewandt haben, auch am Wochenende.“

Das Helferteam der Außenstell­e für den Regionalve­rband tut all das, damit Verbrechen­sopfer irgendwann wieder ein normales Leben führen können. Werner Kaspar und

die anderen spornt bei ihren Einsätzen für Verletzte, Betrogene und Traumatisi­erte eine Gewissheit immer wieder an: „Wir würden eine große Lücke hinterlass­en, wenn es uns nicht gäbe.“

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SYMBOLFOTO: MAURIZIO GAMBARINI/DPA Opfer häuslicher Gewalt sind oft so verzweifel­t, dass sie keinen Ausweg mehr sehen. Auch ihnen hilft der Weiße Ring.

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