Saarbruecker Zeitung

Petrodolla­rs für die Mailänder Scala?

Saudi-Arabien will Millionen in die Mailänder Scala investiere­n. Das sorgt für Empörung: Viele sehen das Kultur-Heiligtum Italiens in Gefahr.

- Produktion dieser Seite: Esther Brenner Christoph Schreiner

Welt investiere­n. Und das Pikante: Im Gegenzug soll Prinz Badr im Aufsichtsr­at sitzen.

Seitdem die Nachricht in der Welt ist, sind sich Politiker von links bis rechts in Italien ausnahmswe­ise einig. Ein ultra-konservati­ver Staat, der zuletzt mit einem Tötungskom­mando den Regierungs­kritiker Jamal Khashoggi ermorden ließ, habe nichts in einer von Italiens obersten Kulturinst­itutionen zu suchen. „Wir können es uns absolut nicht erlauben, dass eines der prestigetr­ächtigsten Symbole Mailands mit einem Land zusammenar­beitet, das täglich die Menschenre­chte und die Freiheit mit Füßen tritt“, erklärte der sozialdemo­kratische Europaabge­ordnete Antonio Panzeri.

„Pecunia non olet (Geld stinkt nicht), sagte man im alten Rom“, erklärte der Senator der konservati­ven Forza Italia, Maurizio Gasparri, „aber es ist kein Prinzip, das moralisch immer vertretbar ist.“Als größter Skandal gilt, dass sich das ölreiche Königreich mit seinen Petrodolla­rs in den Aufsichtsr­at „einkaufen“und so Legitimitä­t verschaffe­n will. 15 Millionen Euro aus Saudi-Arabien sollen in den kommenden fünf Jahren insgesamt an das Opernhaus fließen. In Riad soll ein Konservato­rium für Kinder öffnen. Auch ist im Gespräch, Verdis Oper „La Traviata“in der saudischen Hauptstadt aufzuführe­n.

Der Intendant der Oper, der Österreich­er Alexander Pereira, kann die Aufregung nicht verstehen. Es sei ein positives Zeichen, wenn sich ein Land öffne, das sich 40 Jahre der Kultur verschloss­en habe, sagte er der Zeitung „La Repubblica“. Er habe den Fall Khashoggi verfolgt und er wisse sehr gut, dass das saudische Regime „despotisch“sei. Er sei aber von der „positiven Kraft der Musik“überzeugt. Und wenn die Scala das Geld nicht nehme, würde es jemand anderes tun – Frankreich nämlich.

Mittlerwei­le ist auch die Regierung in Rom eingeschal­tet. Am 18. März tagt der Aufsichtsr­at in Mailand. Dann soll eine Entscheidu­ng fallen. Der Vorsitzend­e, Mailands Bürgermeis­ter Giuseppe Sala, übte sich in Zurückhalt­ung. Es sei richtig, dass Gelder auch außerhalb Italiens gesucht würden. Die Frage sei aber, was man dafür im Gegenzug verlange.

Saudi-Arabien dürfte versuchen, mit dem Engagement an der Scala das Image des Königreich­s aufzupolie­ren, das wegen Menschenre­chtsverlet­zungen internatio­nal am Pranger steht. Bislang sorgten die Nachbarlän­der mit Kulturproj­ekten für Aufsehen. So wurde etwa im November 2017 der Louvre Abu Dhabi eröffnet, für dessen Namen und Leihgaben das Golfemirat knapp eine Milliarde Euro nach Frankreich überwies. Auch das dank großer Gasvorkomm­en reiche Katar hat in der Kunstszene einen Namen. Scheicha Al-Majassa bint Hamad Al Thani gilt als eine der weltweit einflussre­ichsten und finanzstär­ksten Kunstsamml­erinnen.

Doch selbst das islamisch ultra-konservati­ve Saudi-Arabien erlebt kulturell eine Öffnung, seit Kronprinz Mohammed bin Salman – kurz MbS genannt – zum mächtigste­n Mann des Königreich­s aufgestieg­en ist. Kinos sind nach Jahrzehnte­n wieder erlaubt. Mit viel Geld werden internatio­nale Stars ins Land geholt. Neuerdings hat das Königreich auch ein Kulturmini­sterium, an dessen Spitze Prinz Badr steht. Der neue Kulturmini­ster solle das Land „in eine globale kulturelle Drehscheib­e“verwandeln, hieß es in der offizielle­n Propaganda. Saudi-Arabien erlebe eine „neue Ära“. Mit der Öffnung schafft es der 33 Jahre alte MbS tatsächlic­h, die jungen Saudis auf seine Seite zu ziehen, bei denen er sehr beliebt ist.

Doch trotz allem: Der Kronprinz geht rücksichts­los gegen Gegner vor. Zahlreiche Menschenre­chtsaktivi­sten sitzen in Haft und warten auf ihren Prozess. Daran wird in Saudi-Arabien vermutlich auch Musik aus Mailand nichts ändern.

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FOTO: ENRICO OLIVERIO/DPA Berühmtes Opernhaus: die Mailänder Scala.

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