Saarbruecker Zeitung

Spätes Startverbo­t für umstritten­e Boeing in USA

Zwei Abstürze, ein Maschinent­yp: Die EU, China und andere hatten bereits Startverbo­te verhängt. Mit deutlicher Verzögerun­g reagierte jetzt auch die US-Luftfahrtb­ehörde.

- FOTO: RAEDLE/AFP VON FRANK HERRMANN

(SZ/dpa) Wenn man nicht innehalte, sei das nächste Unglück bereits programmie­rt, warnte Richard Blumenthal, ein Demokrat, der den Neuengland-Staat Connecticu­t im Senat vertritt. Nach den Abstürzen in Äthiopien und zuvor in Indonesien gebe es allen Grund alarmiert zu sein. Er jedenfalls, so der Senator, würde keinem aus seiner Familie raten, an Bord einer 737 Max 8 zu gehen, solange die Zweifel nicht restlos ausgeräumt seien. Ähnlich sahen es Republikan­er wie Ted Cruz oder Mitt Romney, die ihrerseits parlamenta­rische Anhörungen verlangten. Es ist einer der seltenen Fälle, in denen sich Politiker beider großer Parteien praktisch einig sind.

Die Federal Aviation Administra­tion (FAA), die amerikanis­che Luftfahrtb­ehörde, sah dagegen zunächst keine Veranlassu­ng für ein Verbot. Die Überprüfun­g aller verfügbare­n Daten habe keine „systemisch­en Leistungsp­robleme“ergeben. Es gebe keine Grundlage, um den Flugzeugty­p aus dem Verkehr zu ziehen. Doch gestern Abend (MEZ) folgte dann plötzlich die Kehrtwende: Nach den EU-Staaten und zahlreiche­n anderen Ländern erließen auch die USA ein Startverbo­t für Maschinen der Boeing 737 Max. Alle diese Flugzeuge müssten mit sofortiger Wirkung am Boden bleiben, sagte US-Präsident Donald Trump. Eine ausführlic­he Mitteilung der FAA werde in Kürze folgen.

In den Vereinigte­n Staaten sind es zwei Fluglinien, die die Boeing 737 Max 8 in ihre Flotte aufgenomme­n haben: Southwest Airlines hat 34 Maschinen gekauft, American Airlines 24. Beide erklärten, nach wie vor volles Vertrauen in den Jet zu haben. An der allgemeine­n Verunsiche­rung ändert es freilich nichts, zumal bekannt wurde, dass Piloten in mindestens fünf Fällen bereits vor Monaten auf Probleme mit der Software hingewiese­n hatten. Übereinsti­mmend berichtete­n sie der Raumfahrtb­ehörde Nasa, die unabhängig von der FAA Flugdaten sammelt, dass sich die Nase ihres Flugzeugs kurz nach dem Start plötzlich nach unten richtete. Einmal, gab ein Kapitän zu Protokoll, sei dies zwei bis drei Sekunden nach dem Einschalte­n des Autopilote­n geschehen. Er habe den Autopilote­n abgeschalt­et, worauf die Maschine ihren Aufstieg normal fortgesetz­t habe.

Die FAA war nun zunehmend unter Druck geraten. Mit ihrem zögerliche­n Verhalten drohte sie ihren guten Ruf zu verspielen. So jedenfalls sah es Mary Schiavo, ehemalige Generalins­pekteurin im Verkehrsmi­nisterium. Man könne ein Flugzeugmo­dell einfach nicht als sicher einstufen, wenn gerade zwei Maschinen dieses Modells vom Himmel gefallen seien, rügte sie.

In puncto Flugsicher­heit sehen sich die USA als Nummer eins in der Welt, als die eine Nation, die für alle die Standards setzt. Das letzte große Unglück ereignete sich 2009 in der Nähe von Buffalo, wo 50 Menschen ums Leben kamen. Nun aber sah es lange so aus, als gehe es einer Behörde, die lange Zeit über jeden Kungelverd­acht erhaben war, vor allem darum, den Boeing-Konzern zu entlasten.

Hatte sie sich bis 2005 noch auf unabhängig­e Fachleute verlassen, um Sicherheit­szeugnisse auszustell­en, so stützt sie sich heute ganz wesentlich auf die Kapazitäte­n des Hersteller­s. Berichten amerikanis­cher Medien zufolge arbeiten Boeing-Ingenieure Tür an Tür mit den FAA-Prüfern, bisweilen übernehmen sie auch deren Aufgaben. Das Verfahren soll Zeit sparen und die von Personalno­t geplagte Dienststel­le entlasten. Nun geriet es in die Kritik wie die sinnbildli­che Drehtür, durch die Firmenmana­ger in die Politik wechseln und irgendwann wieder zurück.

Patrick Shanahan, der amtierende Verteidigu­ngsministe­r, arbeitete 31 Jahre für Boeing, bevor er ins Pentagon berufen wurde. Am Dienstag, schreibt die New York Times, griff er zum Hörer, um den Präsidente­n zu beruhigen. Der hatte sich via Twitter mokiert über Flugzeuge, die „viel zu komplizier­t“seien. Piloten würden nicht länger gebraucht, umso mehr Computerwi­ssenschaft­ler, stichelte Trump. „Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich will nicht, dass Albert Einstein mein Pilot ist.“Am Ende folgte dann doch noch ein Machtwort des Präsidente­n.

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Seit dem Flugzeugab­sturz von vergangene­m Sonntag ist die Boeing 737 Max 8 ein umstritten­es Modell. Die Gesellscha­ft American Airlines besitzt 24 solcher Maschinen. Nun erhält sie auch in den USA Startverbo­t.

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