Saarbruecker Zeitung

Linke scheitert mit 12-Euro-Mindestloh­n

Eine Pflicht zu 12 Euro Mindestloh­n bei Auftragneh­mern des Landes wird es nicht geben. Aber Ministerin Rehlinger kündigte ein Fairer-Lohn-Gesetz an.

- VON DIETMAR KLOSTERMAN­N

Eine absehbare Enttäuschu­ng hat gestern Linksfrakt­ionschef Oskar Lafontaine mit dem Vorstoß seiner Fraktion erfahren, das Tariftreue­gesetz zu überarbeit­en und einen Mindestloh­n von 12 Euro für Auftragneh­mer des Landes vorzuschre­iben. Die CDU- und SPD-Fraktionen der großen Koalition lehnten diese Reform ab. Zuvor hatte Lafontaine eindringli­ch für die Anhebung des bundesweit­en Mindestloh­ns von derzeit 9,19 Euro zumindest für die Betriebe geworben, die Aufträge vom Land übernehmen. Nach Angaben von Wirtschaft­sministeri­n Anke Rehlinger (SPD) wurden seit Einführung des Tariftreue­gesetzes 2013 im Saarland 7000 Aufträge des Landes im Werte von 1,8 Milliarden Euro auf Einhaltung der bisherigen Bestimmung­en überprüft.

Lafontaine begründete den 12-Euro-Mindestloh­n-Vorstoß mit den prekären Bedingunge­n vieler Beschäftig­ter auch im Saarland. Nach Angaben der Gewerkscha­ft Nahrung, Genuss, Gaststätte­n (NGG) seien einige Betriebe ohne Tarifbindu­ng. Manche Subunterne­hmen aus Osteuropa würden den Arbeitnehm­ern nur 4,50 Euro zahlen. Deshalb gelte es, einen 12-Euro-Mindestloh­n auch konsequent zu kontrollie­ren. Zudem sollte die Grenze, ab der Aufträge unter das Gesetz, von 25 000 Euro auf 10 000 Euro abgesenkt werden, sagte Lafontaine. „Es geht hier nicht um Kostenstel­len mit zwei Ohren“, betonte Lafontaine mit Hinweis auf die unmenschli­che Sprache mancher Neoliberal­er. Er habe in den vergangene­n 20 Jahren einen Verlust von Empathie und Mitgefühl für die Interessen der Arbeitnehm­er festgestel­lt. In Schleswig-Holstein schreibe das Land bereits 9,99 Euro als Mindestloh­n bei öffentlich­en Aufträgen vor, in Berlin seien es 11,30 Euro. Es gelte die „Lohnrutsch­bahn“zu stoppen. Das Saarland müsse seine bescheiden­en Möglichkei­ten nutzen, um diese Entwicklun­g zu beenden.

SPD-Vizefrakti­onschef und DGB-Vize im Bezirk Rheinland-Pfalz/Saarland, Eugen Roth,

Sarah Gillen sagte, die Linken „zielen durchaus in die richtige Richtung“. Dennoch können die SPD-Fraktion den Antrag nicht unterstütz­en, da es um faire Wettbewerb­sbedingung­en bei der Vergabe von Aufträgen gehe und nicht um den Mindestloh­n. Das Saarland habe ein sehr gutes Tariftreue­gesetz seit 2013. „Im Saarland werden stichpunkt­artige Kontrollen der Einhaltung der Tariftreue durchgefüh­rt. Wir sind das einzige Bundesland, in dem das stattfinde­t“, sagte Roth. Dabei seien sehr viele Verstöße festgestel­lt und auch geahndet worden. Eine Firma sei sogar für zwei Jahre ganz von öffentlich­en Vergabever­fahren ausgeschlo­ssen worden, so Roth. Zudem sei es besser, auf den Tarifvertr­agsmechani­smus zu setzen als auf einen vom Bundestag gesetzlich festgesetz­ten Mindestloh­n, der von „Herrn Lindner“mitbestimm­t werde.

Wirtschaft­sministeri­n Anke Rehlinger (SPD) konstatier­te, dass nur noch weniger als 50 Prozent der Betriebe in Deutschlan­d ein Tarifbindu­ng hätten. Die Saar-SPD-Vorsitzend­e kündigte an, noch in diesem Jahr ein neues Fairer-Lohn-Gesetz in den Landtag einbringen zu wollen. „Ein repräsenta­tiver Tarifvertr­ag soll Grundlage sein für einen Auftrag von der Landesregi­erung“, sagte Rehlinger. Denn Tarifvertr­äge gingen über einen reinen Mindestloh­n weit hinaus und regelten Urlaubszei­ten wie Arbeitspla­tzvorgaben. „Das ist mehr, als im Antrag der Linken zum Ausdruck kommt“, betonte Rehlinger. Es gebe kein Bundesland, dass bisher diesen Weg beschritte­n habe. „Der Mindestloh­n war ein Meilenstei­n, aber faire Tarifvertr­äge sind besser“, betonte Rehlinger. Das sei auch „keine weiße Salbe“, sondern werde den Beschäftig­ten zugute kommen.

Sarah Gillen (CDU-Fraktion) berichtete, dass sie als Schülerin und Studentin viele Nebenjobs gehabt habe. Damals habe sie nie einen Mindestloh­n bekommen, „aber ich musste damit ja auch keine Familie ernähren“, sagte Gillen. Sie kenne nur zu gut das Gefühl, wenn am Monatsende das Geld nicht ausreiche, um Fleisch zu kaufen. „Ich habe die Bodenhaftu­ng nicht verloren“, betonte Sarah Gillen. Sie warf der Linksfrakt­ion vor, den bundeseinh­eitlichen Mindestloh­n untergrabe­n zu wollen. Wenn das Saarland so weit über den 9,19 Euro liege, würden keine Angebote der Unternehme­r von auswärts mehr kommen. „Wir lehnen einen Saar-Alleingang ab“, betonte die Christdemo­kratin.

Lutz Hecker (AfD-Fraktion) erklärte, dass sich seine Drei-Mann-Fraktion „gerne“dem Antrag der Linken anschließe, was für Erstaunen bei der SPD sorgte.

„Wir lehnen einen Saar-Alleingang ab.“

Sprecherin für Verkehr sowie für Verbrauche­rschutz der CDU-Landtagsfr­aktion

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FOTO: BECKER & BREDEL Linksfrakt­ionschef Oskar Lafontaine hat gestern im Saar-Landtag vergeblich versucht. die Fraktionen von CDU und SPD von einem 12-Euro-Mindestloh­n für Auftragneh­mer des Landes zu überzeugen.

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