Saarbruecker Zeitung

Saarbrücke­r Schüler treffen auf Kantor, Kippa und Klezmer

Helmut Eisel ludt mit „Meet Klezmer“zum interkultu­rellen Musik- und Begegnungs­projekt gegen Antisemiti­smus und Fremdenfei­ndlichkeit.

- VON DAVID LEMM

„Jungs, da vorne sind noch freie Plätze. Setzt euch dahin, dann sind wir alle zusammen“, instruiert der Kantor der Synagogeng­emeinde Saar, Benjamin Chait, die Schüler der Freien Waldorfsch­ule Saarbrücke­n-Altenkesse­l. Zum zweiten Tag des von Helmut Eisel konzipiert­en Workshops „Meet Klezmer“– am Tag zuvor fand er mit der Saarbrücke­r Gemeinscha­ftsschule Ludwigspar­k ebenfalls in der Synagoge statt – haben sich 26 musizieren­de Schülerinn­en und Schüler eingefunde­n.

Und zwar freiwillig. Denn Musiklehre­r Hubert Paech hat es den Schülern freigestel­lt, am Projekt teilzunehm­en, woraufhin sich 26 Schüler aus der Mittel- und Oberstufe gemeldet haben. „Schon auch ein bisschen, um nicht in die Schule gehen zu müssen“, räumt die 13-jährige Lea ein. Doch sie seien überrascht, soviel Interessan­tes über das Judentum erfahren zu haben, erklären sie und ihre Mitschüler­innen aus der siebten Klasse.

In der Tat absolviert­e Kantor Benjamin Chait seinen Crashkurs „Judentum“mit entwaffnen­der Verve und wird nicht müde, die „coolen Sachen“wie Kippa, Thorarolle, Menora etc. in umsichtige­r Erklärlaun­e den Schülern näher zu bringen – und ihnen damit einen unverkramp­ften Einstand nach jüdischem Maß zu bescheren. Dass der arbeitsfre­ie Schababat dazu diene, die in Zeiten von Facebook und Whatsapp oberflächl­ich gewordene Kommunikat­ion eingehend zu pflegen und zwar direkt zu seinen Mitmensche­n und Gott, ist ihm ein zentrales Anliegen. Ebenso, dass der Workshop „Spaß machen muss“, betont er, bevor er an Helmut Eisel übergibt.

Eisel stellt in gelassenem Ton die beiden von ihm eingeladen­en israelisch­en Gastmusike­r Emuna Stein (Querflöte) und Orian Shukrun (Klavier) vor. Es sei eine besondere Erfahrung für sie, lassen die beiden auf Englisch wissen, bevor sie mit Eisel eine Kostprobe ihres Könnens geben und in bester Klezmer-Manier sich gegenseiti­g mit eindrucksv­ollen Soli abwechseln und dabei immer Augenkonta­kt halten.

Das danach im Altarraum postierte Orchester macht es unterdesse­n den Profis gleich: Unter der Leitung ihres Musiklehre­rs Paech lassen die Schüler die Synagoge förmlich klingen. Ganze vier Wochen haben die Schüler einmal wöchentlic­h Eisels Arrangemen­ts einstudier­t und geübt – und das hört und sieht man anhand der Ergriffenh­eit der Musizieren­den. Ganz im Sinne von Eisels Credo, die Kommunikat­ion mit anderen Mitteln zu forcieren, um interkultu­relle und interrelig­iöse Barrieren abzubauen, agieren die jungen Musizieren­den engagiert und wachsen über sich hinaus – ganz besonders die beiden Geschwiste­r-Solisten Lena (Geige) und ihr Bruder Philipp (Cajón).

„Das Improvisie­ren ist zwar ungewohnt, aber es macht Spaß, wenn man sich traut“, gesteht Manuel an der Oboe. Denn ums Improvisie­ren geht es in der Klezmer-Musik. Die Musiker spielen sich gewisserma­ßen die Solo-Partien gegenseiti­g zu, während das Orchester das Leitmotiv fortführt und damit den Teppich fürs Entfalten ausrollt. „Du kannst nichts falsch machen. Ob schräg oder gut klingend – beides ist gut“, ermutigt Helmut Eisel, der mit der Klarinette spielend durch die Reihen streift und die jungen Musiker zum musikalisc­hen Dialog mit ihm herausford­ert.

Es gehe darum, seine Individual­ität in den Soli auszudrück­en, um sich danach wieder in die Gruppe einzuglied­ern, erklärt er das Ansinnen des Klezmer-Sounds. Neben instrument­alen Stücken bringen die Schüler dann auch ein transkribi­ertes Acappella-Stück auf Israelisch zum Lob Gottes auf die Bühne. Das große Abschlussk­onzert mit allen vier daran beteiligte­n saarländis­chen Schulen wird am kommenden Sonntag, 17. März, 18 Uhr, in der Synagoge zu hören sein.

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FOTO: DAVID LEMM Beim Klezmer-Workshop fanden sich Schüler in der Saarbrücke­r Synagoge ein, um zu musizieren und mehr über das Judentum zu lernen.

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