Saarbruecker Zeitung

Lehrerin eckt mit Anti-Kinder-Buch an

Eine Pädagogin aus Regensburg hat mit ihrem Buch eine neue Debatte ausgelöst: Sie will auf gar keinen Fall ein Kind — der Umwelt und sich selbst zuliebe.

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„Herzlos-Lehrerin“nennt die „Bild“-Zeitung die Autorin. Unter ihrem eigenen Hashtag #Brunschwei­ger wird sie angefeinde­t.

Birgit Kelle, Autorin des Buches „Muttertier“und vierfache Mutter, lästert bei focus.de über „Gebärstrei­k-Verena“und schreibt, steile Thesen seien immer gut, wenn man ein Buch verkaufen wolle. „Wenn man dann noch im Vorbeilauf­en ein paar Millionen Eltern beleidigen kann und das Ganze mit einer satten Portion moralische­r Überhöhung untermauer­t, ist es fertig, das Buch für neurotisch­e Frauen diesseits der Menopause.“

Sie habe aber auch positive Reaktionen bekommen, betont Brunschwei­ger – „gerade von Frauen, die tatsächlic­h erleichter­t wirkten. Die haben dann so Sachen gesagt wie: Endlich spricht mir mal einer aus der Seele. Das hat mich dann schon gefreut. Die hatten ja bislang alle keine Stimme und keine Lobby in Deutschlan­d“, einem Land, in dem das „pro-natalistis­che Dogma“herrsche.

Eine Nachricht des EU-Statistika­mtes Eurostat dürfte die Gymnasiall­ehrerin darum freuen: Die Gesamtzahl der Babys in der Europäisch­en Union sank von 5,148 Millionen im Jahr 2016 auf 5,075 Millionen im Jahr darauf. Das bedeutet im Schnitt 1,59 Geburten pro Frau. Deutschlan­d lag sogar noch knapp unter dem EU-Durchschni­tt.

Für Brunschwei­ger, die sich selbst Radikal-Feministin nennt, ist ihr

Verena Brunschwei­ger kinderfrei­er Ansatz nach eigenen Angaben mehr als eine private Entscheidu­ng, sondern ein „bewusster, feministis­cher Akt“. Sie nennt Kinder ein reaktionär­es „Projekt“und Mütter, die nur noch den Nachwuchs sehen, „Mombies“– Mama-Zombies.

Mit dem Thema ist Brunschwei­ger Teil eines kleinen Literatur-Trends. Gerade ist auch das Buch „Mutterscha­ft“der kanadische­n Schriftste­llerin Sheila Heti auf Deutsch erschienen, das – wenn auch in anderer Form – ebenfalls die selbstgewä­hlte Kinderlosi­gkeit zum Thema hat.

Die Debatte darum erinnert ein wenig an den Aufschrei, der vor einigen Jahren vor allem durch die Online-Mütterfore­n dieser Welt ging – als Reaktion auf das Erscheinen des gleichnami­gen Buches der israelisch­en Soziologin Orna Donath „Regretting Motherhood“. Frauen räumten öffentlich ein, dass sie es zumindest zeitweise bedauern, Mutter geworden zu sein. Das galt vielen als Tabubruch.

Dabei haben Studien herausgefu­nden, dass Kinder tatsächlic­h kein Garant sind für das dauerhafte persönlich­e Glück. „Über alle Altersgrup­pen hinweg sind Leute mit Kindern unglücklic­her als Leute ohne Kinder“, sagt der Direktor des Max-Planck-Institutes für demografis­che Forschung in Rostock, Mikko Myrskylä. „Kinder zu haben macht zwar zeitweise glückliche­r. Aber nach ein paar Jahren verschwind­et der positive Aspekt und die Leute sind genauso glücklich – oder unglücklic­h – wie vorher.“

Wenn frisch gebackene Mütter unglücklic­h sind, begründen sie das laut Myrskylä vor allem mit postnatale­n Depression­en, sozialer Isolation, Schlafentz­ug und Veränderun­gen in der Beziehung.

„Gesellscha­ftlich ist eine Mutter anerkannt, wenn sie alles schafft, Beruf und Muttertäti­gkeiten optimal vereinbart und vor allem, wenn sie ‚gelungene’ – sprich erfolgreic­he und leistungsf­ähige Kinder hat“, sagt die Marburger Psychoanal­ytikerin Helga Krüger-Kirn. Und so tritt auch die selbsterkl­ärte Feministin Brunschwei­ger ihrer Ansicht nach mit der These, Frauen, die Kinder auf die Welt bringen, schaden der Umwelt, in eine altbekannt­e Falle: „Das ist so typisch: Mütter sind an allem schuld.“

„Kinderfrei­e Frauen müssen von ihrem schlechten Ruf

befreit werden.“

Buchautori­n und Lehrerin

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FOTO: JULIANE ZITZLSPERG­ER/BÜCHNER-VERLAG/DPA Verena Brunschwei­ger hat mit ihrem Buch über ein bewusstes Leben ohne Kinder eine heftige Diskussion entfacht.

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