Landesregierung sieht Drogen-Problem im Saarland
Der Drogenbeauftragte der Landesregierung, Stephan Kolling (CDU), hat gestern mit Experten eine saarländische Studie zu Drogenrückständen im Abwasser vorgestellt – mit besorgniserregenden Ergebnissen.
SAARBRÜCKEN Der Drogenbeauftragte der Landesregierung, Staatssekretär Stephan Kolling (CDU), versuchte gar nicht erst, die Situation herunterzuspielen. „Das Saarland hat ein ernstzunehmendes Amphetamin-Problem“, bilanzierte er, als er gestern mit Experten von der Drogenhilfe und der Polizei eine neue saarländische Studie zu Drogenrückständen im Abwasser vorstellte.
Erst vor wenigen Tagen war eine europaweite Untersuchung zu dem Ergebnis gekommen, dass Saarbrücken mit 400 Milligramm Amphetamin auf 1000 Einwohner einen neuen Spitzenwert erreiche. „Die Zahl hat mich schon umgehauen“, gab Kolling zu. „So ein Ergebnis kann man nicht im zweiten Jahr in Folge unkommentiert stehen lassen. So etwas muss Folgen haben.“
Bereits im vergangenen Jahr habe man bei der TU Dresden daher eine eigene Studie in Auftrag gegeben. „Wir wollten wissen, ob es sich um einmalige Ausreißer handelte“, erläuterte er. Deshalb sei über einen längeren Zeitraum an vier Standorten geprüft worden: Zusätzlich zu den Kläranlagen in Burbach und Brebach wurden sechs Wochen lang auch die in Saarlouis und Wustweiler beprobt. Nun, da die Ergebnisse vorliegen, weiß Kolling: „Das ist ein Trend, der dauerhaft ist, und dem man sich stellen muss.“
Der aber auch viele Fragen aufwerfe: Vor allem danach, wer die Nutzer seien, ob es sich um Rückstände von legalen Amphetaminen handle, die als Psychopharmaka verordnet wurden, oder um illegale Drogen. „Wir sehen eine besorgniserregende Situation und wir brauchen Klarheit, woher dieser Trend kommt“, so Kolling.
Deshalb wolle man sich nicht nur mit Experten der Drogenberatung und Polizei enger vernetzen, sondern habe auch eine epidemiologische Studie beim Institut für Rechtsmedizin in Homburg in Auftrag gegeben: Untersucht werden hier nun insgesamt 1200 Blutproben aus den Jahren 2017 und 2018, in denen Amphetamin nachgewiesen worden war. Dabei handelt es sich um Blutproben, die bei Verkehrsordnungswidrigkeiten oder Straftaten genommen worden waren. Kontrolliert wird beispielsweise, ob bei den Nutzern ein Monokonsum vorlag, oder ob diese auch noch Alkohol, andere Drogen oder Medikamente konsumierten.
Eine Erklärung für die hohen Amphetaminwerte im Saarland könne nach Ansicht von Drogenexpertin Karin Berty auch die besondere Lage sein. „Es gibt sehr viele Grenzgänger aus Lothringen, die dort keine entsprechende Partyszene haben und hierhin zum Feiern kommen“, sagte sie. Zudem könne der Tourismus zur Prostitution eine Rolle spielen, ebenso wie der Standort mit vielen Schichtarbeitern. „Amphetamin ist eine Leistungsdroge. Sie heißt Durchhalten, lange wach bleiben, immer gut drauf sein.“Damit passe sie absolut zum Zeittrend. Zudem werde sie als Mischkonsum genutzt: „Die einen nehmen sie zur Leistungssteigerung bei der Arbeit, die anderen am Wochenende, um aus dem erlebten Druck wieder auszusteigen.“
Laut Stefan Noll, stellvertretender Leiter Kriminalitätsbekämpfung beim Landespolizeipräsidium, seien Amphetamine und Ecstasy früher hauptsächlich bei Techno- und House-Partys konsumiert worden, oder auch als Appetitzügler und zur Leistungssteigerung bei Bodybuildern. Heute jedoch ginge der regelmäßige Konsum durch alle Schichten. Bei Kontrollen hätten Konsumenten zwischen 20 und 80 Gramm Amphetamin bei sich geführt. „Was früher ein Indikator für die mittlere Händlerebene war, spricht heute eher für täglichen Konsum“, so Noll.
Für den Drogenbeauftragten Kolling ist klar: „Wir können nicht eine Suchtberatung so betreiben wie in der Vergangenheit, wenn sich das Nutzerverhalten ändert.“Gemeinsam mit Experten überlege man, wie man das Angebot weiter ausbauen und Schulen und auch Betriebe einbeziehen könne. Denn wer langfristig zu Amphetaminen greife, dem drohen gesundheitliche Schäden bis zu Psychosen. Nur die wenigsten seien noch in der Lage, zu arbeiten. Kolling: „Irgendwann rutscht man ab. Wir müssen früher ansetzen, damit es nicht so weit kommt.“
Zum Präventionsprogramm zählt auch eine neue Aufklärungskampagne: So werden ab Montag im Saarland kostenlose Postkarten mit vier verschiedenen Motiven verteilt, die auf die Gefahren von Amphetaminen, Ecstasy und neuen psychoaktiven Substanzen hinweisen und auch die Nummer einer Beratungshotline nennen.