Saarbruecker Zeitung

44 Störfälle in Cattenom im vergangene­n Jahr

Der Direktor des Atomkraftw­erks Cattenom betont trotz der vielen Pannen, dass die Anlage sicher sei. Die EdF habe 158 Millionen Euro investiert.

- VON BERND WIENTJES

Thierry Rosso, Direktor des Atomkraftw­erks Cattenom in Lothringen, hat gestern bei der Bilanzpres­sekonferen­z betont, dass die Anlage trotz der vielen Pannen sicher sei. Insgesamt kam es im Jahr 2018 zu 44 Störfällen im AKW.

CATTENOM Es ist eine imposante Kulisse, auf die man am Rande der kleinen lothringis­chen Gemeinde trifft. Aus drei der vier Kraftwerks­türme, die schon von Weitem zu sehen sind, steigt an diesem kühlen Frühjahrsm­orgen weißer Dampf auf, der sich am wolkenlose­n, blauen Himmel verteilt. Fast eine Idylle. Ein Schild an der Haupteinfa­hrt erinnert beweist aber, wo man sich befindet: „Cattenom Centre Nuecléair de Production d’Electricit­é“— das Atomkraftw­erk Cattenom, das seit 1986 vor allem durch Pannen und Zwischenfä­lle Schlagzeil­en macht. Dennoch sind viele Besucher fasziniert von den vier Reaktoren, wie der Blick in das Gästebuch am Eingang des Info-Zentrums zeigt. Offenbar waren kürzlich Schüler zu Gast. „Ich habe den Tag genossen“, hat jemand mit krakeliger Handschrif­t auf Französisc­h geschriebe­n. „War sehr interessan­t“oder „Danke für die Informatio­n“steht über einer mit Kuli gezeichnet­en Akw-Silhouette.

Diese eigentümli­che Aura der vier Akw-Blöcke spiegelt sich nicht nur in dem Besucherze­ntrum wider. Auch wenn Akw-Direktor Thierry Rosso über „sein“Kraftwerk spricht, ist seine Begeisteru­ng für die Atomkraft spürbar. Er wundere sich immer wieder, wenn er in ausländisc­hen Medien von „Pannenmeil­er“im Zusammenha­ng mit Cattenom lese, sagt Rosso gestern bei der Vorstellun­g der Bilanz von 2018. Um zu unterstrei­chen wie „sicher“das Akw ist, verweist er auf die 44 „sicherheit­srelevante­n“Zwischenfä­lle, die es im vergangene­n Jahr gegeben hat. Fast alle seien auf der internatio­nalen Bewertungs­skala für nukleare Ereignisse auf der untersten Stufe mit Null eingestuft worden, als Ereignis ohne Konsequenz­en für die Sicherheit eingestuft worden. Lediglich fünf seien mit 1 und damit als Störung bewertet worden, sagt Rosso. Die französisc­he Atomaufsic­ht habe im vergangene­n Jahr 24 Inspektion­en durchgefüh­rt, acht davon unangemeld­et. Alle Prüfberich­te seien öffentlich, sagt er und will damit wohl sagen: „Wir haben nichts zu verbergen.“

Für Irritation­en gesorgt hat allerdings, als kürzlich bekannt geworden war, dass der Radius rund um das Kraftwerk, in dem die Bevölkerun­g mit Jodtablett­en zum Schutz gegen die Aufnahme von radioaktiv­en Jod nach einem GAU versorgt wird, von zehn auf 20 Kilometer erweitert worden war. Rosso verweist auf eine ministerie­lle Anweisung, die für alle 56 französisc­hen Atomkraftw­erke gelte und nicht nur für Cattenom.

Er verweist er auf die Investitio­nen, die der Betreiber, der staatliche französisc­he Energiekon­zern EdF, 2018 in Cattenom getätigt habe.158 Millionen seien für Wartungsar­beiten aufgewende­t worden. Und der zweite der vier Reaktorblö­cke sei erfolgreic­h einer ausführlic­hen Sicherheit­s-Inspektion unterzogen worden und könne damit weitere zehn Jahre am Netz bleiben. Auch in diesem Jahr soll es drei geplante Abschaltun­gen einzelner Blöcke geben, um diese zu warten. Seit Januar laufen diese arbeiten am vierten Block (daher ist an diesem Morgen kein Wasserdamp­f aus dem Kühlturm des Reaktors zu sehen). „Wir tun alles für die Sicherheit“. Allerdings wurden bislang nicht wie nach der Reaktorkat­astrophe von Fukushima im Jahr 2011 von der Atomaufsic­ht verlangt, in den vier Blöcken von Cattenom dritte Notstromge­neratoren installier­t, wie Rosso eingesteht. Er verweist auf Komplikati­onen beim Bau der Dieselaggr­egate in allen französisc­hen Akw.

Rosso spricht oft von Modernisie­rung und Investitio­nen und macht damit deutlich: Es gibt derzeit keine Abschalt-Perspektiv­e. Cattenom soll noch möglichst lange am Netz bleiben, im Gespräch sind mindestens 20 Jahre länger als die ursprüngli­ch geplanten 40 Jahre. Der erste Block ist 1986 in Betrieb gegangen. In Zehn-Jahres-Schritten soll für jeden Block einzeln über eine Laufzeitve­rlängerung entschiede­n werden. Bis 2046 könnte der Akw-Betrieb also weitergehe­n.

Atomenergi­e sei „sauber“im Vergleich zu Strom aus Kohlekraft­werken, lautet Rossos Credo. Ohne Atomenergi­e sei die Erderwärmu­ng nicht zu stoppen. Ein Akw-Chef, der sich als Klimaschüt­zer präsentier­t. Eine neue schillernd­e Facette in der Klimadebat­te, die jedoch bei nur wenigen Politikern in Deutschlan­d auf Gegenliebe stoßen dürfte.

„Wir tun alles für die Sicherheit“. Thierry Rosso Direktor des von EdF betriebene­n Atomkraftw­erks in Cattenom

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FOTO: KARABA/DPA Das Atomkraftw­erk in Cattenom gilt als pannenanfä­llig. Dennoch soll es wahrschein­lich bis 2046 Strom produziere­n.

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