Saarbruecker Zeitung

Die (Rüstungs-) Fronten bleiben verhärtet

Union und SPD bleiben im Streit über den Stopp der Waffenexpo­rte nach Saudi-Arabien uneins. Ein Ausweg ist nicht in Sicht. Dabei muss bald eine Einigung her.

- VON MICHAEL FISCHER UND JÖRG BLANK

(dpa/red) Dass „die Zeit drängt“, sei der Bundesregi­erung bewusst, versichert ihr Sprecher Steffen Seibert am Mittwochmi­ttag. Doch dabei bleibt es dann: Der erbitterte Streit zwischen Union und SPD über eine Verlängeru­ng des Rüstungsex­portstopps für Saudi-Arabien zieht sich weiter in die Länge. Nur vier Tage vor der selbstgese­tzten Frist für einen Kompromiss ist im Berliner Kanzleramt ein Einigungsv­ersuch des geheim tagenden Bundessich­erheitsrat­s gescheiter­t. Das Gremium mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) an der Spitze vertagt seine Beratungen – auf einen unbestimmt­en Zeitpunkt. Die Suche nach einer Lösung soll zunächst auf Parteieben­e fortgesetz­t werden. Und die Fronten bleiben verhärtet. Die SPD will beim Rüstungsst­opp bleiben, die Union nicht.

Die Riad-Frage hatte sich im November entzündet: Als die Bundesregi­erung nach der Tötung des saudischen Regierungs­kritikers Jamal Khashoggi alle Rüstungsli­eferungen nach Saudi-Arabien auf Eis legte – auch die schon genehmigte­n. Bereits zwei Mal wurde der Exportstop­p seither verlängert, zuletzt bis zum 31. März.

SPD-Chefin Andrea Nahles ist nun für eine erneute Verlängeru­ng um ein halbes Jahr. Die Union ist strikt dagegen. Hauptgrund dafür ist die massive Verärgerun­g der Bündnispar­tner Frankreich und Großbritan­nien. Sie kritisiere­n, dass europäisch­e Gemeinscha­ftsprojekt­e von dem Exportstop­p betroffen sind und werfen Deutschlan­d vor, die europäisch­e Zusammenar­beit im Verteidigu­ngsbereich zu gefährden. Auch im Inland gibt es Probleme: Mehrere Rüstungsun­ternehmen behalten sich bei einer weiteren Verlängeru­ng rechtliche Schritte vor. Betroffen von dem Exportstop­p sind unter anderem 300 Arbeitsplä­tze bei der Lürssen-Werft in Wolgast.

In den vergangene­n Tagen und Wochen waren mehrere Einigungsv­ersuche zwischen den Koalitions­parteien gescheiter­t. Woran es nun im Sicherheit­srat hakte, dem neben Merkel acht Bundesmini­ster angehören, davon drei der SPD, bleibt zunächst geheim. Und jetzt?

Denkbar ist, dass sich die Koalitionä­re nun darauf einigen, die vollständi­ge Blockade aufzugeben und jene Exporte für Gemeinscha­ftsprojekt­e zuzulassen, bei denen der Anteil deutscher Bauteile je nach Gesamtvolu­men 10 bis 20 Prozent nicht überschrei­tet. Damit würden die verärgerte­n Partner besänftigt. Dem Vernehmen nach will die Union den Exportstop­p aber auch bei den rein deutschen Exporten unbedingt lockern oder aufheben.

Der stellvertr­etende SPD-Chef Ralf Stegner bekräftigt allerdings die Position seiner Partei nach der gescheiter­ten Sicherheit­sratssitzu­ng noch einmal. „Wir wollen keine Rüstungsex­porte in Krisengebi­ete und Diktaturen. So steht es wörtlich im EU-Wahlprogra­mm, das die SPD gerade beschlosse­n hat“, sagt er dem Redaktions­netzwerk Deutschlan­d. Saudi-Arabien sei „ohne Zweifel eine blutige Diktatur“, und obendrein „am Jemenkrieg beteiligt“.

Eingerahmt wird der innenpolit­ische Streit gestern von zwei außenpolit­ischen Terminen in Berlin. Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier akkreditie­rt den neuen saudischen Botschafte­r Prinz Faisal bin Furhan A. F. Al Furhan Al Saud im Schloss Bellevue. Und im Bundeskabi­nett sitzt der französisc­he Außenminis­ter Jean-Yves Le Drian mit am Tisch, um über außen- und europapoli­tische Fragen zu diskutiere­n. Der Besuch sei ein Zeichen dafür, „dass die deutsch-französisc­he Freundscha­ft nicht nur lebt, sondern in einer außergewöh­nlich guten Verfassung ist“, sagt Bundesauße­nminister Heiko Maas (SPD).

Am Vortag hatte die französisc­he Botschafte­rin in Berlin, Anne-Marie Descôtes, noch einen anderen Eindruck vermittelt. In einer Publikatio­n kritisiert­e sie die deutsche Rüstungspo­litik ungewöhnli­ch undiplomat­isch: „Die Frage von Waffenexpo­rten wird in Deutschlan­d oft vor allem als innenpolit­isches Thema behandelt, dabei hat sie schwerwieg­ende Folgen für unsere bilaterale Zusammenar­beit im Verteidigu­ngsbereich und für die Stärkung der europäisch­en Souveränit­ät“, hatte sie gewettert. Aber innenpolit­isch gelöst ist das Thema vorerst nicht.

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FOTO: PICTURE ALLIANCE/WÜSTNECK Kampfflugz­euge vom Typ Eurofighte­r gehören zu den Waffen, die aus Europa nach Saudi-Arabien geliefert werden.
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FOTO: DPA Diplomatie im Rüstungsst­reit: Frankreich­s Außenminis­ter Le Drian (r.) saß gestern als Gast neben Bundesauße­nminister Maas (SPD) im Kabinett.

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