Die (Rüstungs-) Fronten bleiben verhärtet
Union und SPD bleiben im Streit über den Stopp der Waffenexporte nach Saudi-Arabien uneins. Ein Ausweg ist nicht in Sicht. Dabei muss bald eine Einigung her.
(dpa/red) Dass „die Zeit drängt“, sei der Bundesregierung bewusst, versichert ihr Sprecher Steffen Seibert am Mittwochmittag. Doch dabei bleibt es dann: Der erbitterte Streit zwischen Union und SPD über eine Verlängerung des Rüstungsexportstopps für Saudi-Arabien zieht sich weiter in die Länge. Nur vier Tage vor der selbstgesetzten Frist für einen Kompromiss ist im Berliner Kanzleramt ein Einigungsversuch des geheim tagenden Bundessicherheitsrats gescheitert. Das Gremium mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) an der Spitze vertagt seine Beratungen – auf einen unbestimmten Zeitpunkt. Die Suche nach einer Lösung soll zunächst auf Parteiebene fortgesetzt werden. Und die Fronten bleiben verhärtet. Die SPD will beim Rüstungsstopp bleiben, die Union nicht.
Die Riad-Frage hatte sich im November entzündet: Als die Bundesregierung nach der Tötung des saudischen Regierungskritikers Jamal Khashoggi alle Rüstungslieferungen nach Saudi-Arabien auf Eis legte – auch die schon genehmigten. Bereits zwei Mal wurde der Exportstopp seither verlängert, zuletzt bis zum 31. März.
SPD-Chefin Andrea Nahles ist nun für eine erneute Verlängerung um ein halbes Jahr. Die Union ist strikt dagegen. Hauptgrund dafür ist die massive Verärgerung der Bündnispartner Frankreich und Großbritannien. Sie kritisieren, dass europäische Gemeinschaftsprojekte von dem Exportstopp betroffen sind und werfen Deutschland vor, die europäische Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich zu gefährden. Auch im Inland gibt es Probleme: Mehrere Rüstungsunternehmen behalten sich bei einer weiteren Verlängerung rechtliche Schritte vor. Betroffen von dem Exportstopp sind unter anderem 300 Arbeitsplätze bei der Lürssen-Werft in Wolgast.
In den vergangenen Tagen und Wochen waren mehrere Einigungsversuche zwischen den Koalitionsparteien gescheitert. Woran es nun im Sicherheitsrat hakte, dem neben Merkel acht Bundesminister angehören, davon drei der SPD, bleibt zunächst geheim. Und jetzt?
Denkbar ist, dass sich die Koalitionäre nun darauf einigen, die vollständige Blockade aufzugeben und jene Exporte für Gemeinschaftsprojekte zuzulassen, bei denen der Anteil deutscher Bauteile je nach Gesamtvolumen 10 bis 20 Prozent nicht überschreitet. Damit würden die verärgerten Partner besänftigt. Dem Vernehmen nach will die Union den Exportstopp aber auch bei den rein deutschen Exporten unbedingt lockern oder aufheben.
Der stellvertretende SPD-Chef Ralf Stegner bekräftigt allerdings die Position seiner Partei nach der gescheiterten Sicherheitsratssitzung noch einmal. „Wir wollen keine Rüstungsexporte in Krisengebiete und Diktaturen. So steht es wörtlich im EU-Wahlprogramm, das die SPD gerade beschlossen hat“, sagt er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Saudi-Arabien sei „ohne Zweifel eine blutige Diktatur“, und obendrein „am Jemenkrieg beteiligt“.
Eingerahmt wird der innenpolitische Streit gestern von zwei außenpolitischen Terminen in Berlin. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier akkreditiert den neuen saudischen Botschafter Prinz Faisal bin Furhan A. F. Al Furhan Al Saud im Schloss Bellevue. Und im Bundeskabinett sitzt der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian mit am Tisch, um über außen- und europapolitische Fragen zu diskutieren. Der Besuch sei ein Zeichen dafür, „dass die deutsch-französische Freundschaft nicht nur lebt, sondern in einer außergewöhnlich guten Verfassung ist“, sagt Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD).
Am Vortag hatte die französische Botschafterin in Berlin, Anne-Marie Descôtes, noch einen anderen Eindruck vermittelt. In einer Publikation kritisierte sie die deutsche Rüstungspolitik ungewöhnlich undiplomatisch: „Die Frage von Waffenexporten wird in Deutschland oft vor allem als innenpolitisches Thema behandelt, dabei hat sie schwerwiegende Folgen für unsere bilaterale Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich und für die Stärkung der europäischen Souveränität“, hatte sie gewettert. Aber innenpolitisch gelöst ist das Thema vorerst nicht.