Saarbruecker Zeitung

Afrika lässt sich von Berlin aus nicht mehr übersehen

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Wenn ein außenpolit­isches Grundsatzp­apier wie die Afrika-Strategie der Bundesregi­erung bereits nach fünf Jahren neu formuliert werden muss, dann ist etwas Gravierend­es passiert. Das ist zum einen die Migrations­krise. Sie hat schlaglich­tartig gezeigt, wie unmittelba­r sich negative Entwicklun­gen auf dem Nachbarkon­tinent auf die hiesigen Gesellscha­ften auswirken. Das andere ist das chinesisch­e Investment in Afrika. Die Konkurrenz schläft nicht, wenn man ihr das Feld überlässt. Dass China am Wohl und Wehe der afrikanisc­hen Staaten oder an einer Eindämmung der Flüchtling­sströme gelegen ist, kann man wahrlich nicht sagen. Sondern nur an der Sicherung von Rohstoffen, am liebsten gemeinsam mit örtlichen Diktatoren. Es wurde also höchste Zeit, sich stärker zu kümmern. Und dafür ein Konzept zu formuliere­n, das länger hält als fünf Jahre.

Der gewählte Ansatz unterschei­det sich wohltuend von dem Pekings. Er setzt auf Kooperatio­n statt auf Ausbeutung, auf Respekt statt auf Bevormundu­ng. Er enthält sogar ein Bekenntnis zur Aufarbeitu­ng des kolonialen Erbes. Man will stark mit der Zivilgesel­lschaft kooperiere­n, nicht nur mit Regierunge­n. Also mit den vielen jungen Menschen, die vorankomme­n wollen und wirtschaft­lich initiativ sind. Das ist nicht mehr Brunnen bauen wie früher. Und nicht Häfen und Eisenbahns­trecken errichten, wie es heute die Chinesen machen. Sondern das ist die Förderung kleiner Unternehme­n, lokaler Finanzinst­itutionen, der Bildung und guter Regierungs­führung.

In Afrika ist die Bereitscha­ft zum Multilater­alismus, der weltweit derzeit unter die Räder kommt, noch groß. Dafür steht die Afrikanisc­he Union. Es fehlt auf dem Kontinent an großen, destruktiv­en Konkurrenz­en, wie sie Asien mit China und Indien hat oder Europa mit der EU und Russland. Das kann bei der Konfliktre­gulierung helfen, aber auch bei der Bildung eines einheitlic­hen Wirtschaft­sraumes. Das Konzept baut ausdrückli­ch darauf. Für die Glaubwürdi­gkeit dieser Herangehen­sweise wäre es freilich hilfreich, wenn Deutschlan­d in der EU dafür sorgen würde, dass europäisch­e Trawler nicht mehr die Fanggründe vor Westafrika leer fischen, dass die dortigen Agrarmärkt­e nicht mehr mit Billig-Geflügel von hier geschwemmt werden, und dass die massiven Waffenexpo­rte – etwa nach Algerien – aufhören.

Die Zahl der Afrikaner wird sich bis 2050 auf zwei Milliarden verdoppeln, vier Mal so viele wie es Europäer gibt. Die Armut auf dem Kontinent wird wachsen. Auf der anderen Seite steht die große Sehnsucht nach Entwicklun­g, wie man sie zum Beispiel aktuell in Äthiopien sehen kann. Und in vielen der 54 afrikanisc­hen Staaten wächst eine Mittelschi­cht. Das lässt hoffen. Afrika ist die größte globalpoli­tische Herausford­erung, die es für Europa gibt. Ein Staat allein kann da gar nichts bewirken. Die Anwesenhei­t des französisc­hen Außenminis­ters gestern im Bundeskabi­nett zeigt, dass immerhin Berlin und Paris verstanden haben, worum es geht. Wenigstens auf dem Papier.

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