Saarbruecker Zeitung

Trump gibt Demokraten mit Obamacare neues Ziel

Nach dem gefühlten Erfolg in der Russland-Affäre bläst der US-Präsident erneut zum Kampf gegen die Gesundheit­sreform. Eine Vorlage für seine Gegner.

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Noch ist die politische Schlacht um den Bericht des Sonderermi­ttlers Robert Mueller nicht geschlagen, da ziehen Demokraten und Republikan­er bereits in die nächste. Angefeuert vom Präsidente­n Donald Trump, drängt das Justizmini­sterium darauf, Obamacare, die Gesundheit­sreform Barack Obamas, für verfassung­swidrig zu erklären. Für die Opposition, deren prominente­ste Vertreter sich schnellstm­öglich drängenden Alltagspro­blemen zuwenden wollen, statt noch lange auf dem Mueller-Report herumzurei­ten, bietet sich damit die Chance, wieder in die Offensive zu kommen.

In der Pose des Siegers, der alle Fesseln abgestreif­t hat und nun zum Generalang­riff auf seine Gegner bläst, hat Trump deutlich gemacht, dass er Obamacare mit aller Kraft auszuhebel­n versucht. „Die Republikan­ische Partei wird bald die Partei der Gesundheit­sversorgun­g sein“, verkündete er großspurig, als er sich mit konservati­ven Senatoren traf, um die Prioritäte­n für die nächsten Monate zu setzen. In der Praxis bedeutet es, sich mit der geballten Kraft des Regierungs­apparats hinter einen texanische­n Richter zu stellen, der in Obamas Reform einen Verfassung­sverstoß sieht. 2012 hatte der Oberste Gerichtsho­f zwar anders entschiede­n und den Republikan­ern einen schweren Dämpfer verpasst. Das juristisch­e Ringen um ACA, den Affordable Care Act, schien damit auf Jahre hinaus entschiede­n. Doch Ende 2017 verabschie­dete der Kongress Steuergese­tze, die einen Eckpfeiler der Reform ins Wanken brachten – und nun das gesamte Gebäude zum Einsturz zu bringen drohen.

Demnach wird nicht mehr mit einem Steueraufs­chlag zur Kasse gebeten, wer sich nicht krankenver­sichert – wobei Letzteres verhindern sollte, dass sich Jüngere und Gesunde dem Solidaritä­tsprinzip der ACA-Novelle entziehen. Im Dezember urteilte

Nancy Pelosi ein Richter in Texas, nicht nur der Versicheru­ngszwang samt drohender Strafe, sondern Obamacare als Ganzes verletzte die Verfassung. Nun stärkt ihm das Justizress­ort ohne Abstriche den Rücken. Es lässt einen Rechtsstre­it erwarten, der wieder vor dem Supreme Court enden kann, wo allerdings noch alle fünf Richter amtieren, die seinerzeit dem Gesetz eine knappe 5:4-Mehrheit sicherten.

Kurz nach Amtsantrit­t hat Trump schon einmal Anlauf genommen, ein Gesetz zu kippen, das im Zerrbild konservati­ver Hardliner sozialisti­schen Verhältnis­sen Tür und Tor öffnete. Damals war es nicht zuletzt John McCain, der mittlerwei­le verstorben­e Senatsvete­ran, der dem Präsidente­n mit seinem Nein einen Strich durch die Rechnung machte. Jetzt versucht das Weiße Haus mit juristisch­en Mitteln durchzuset­zen, woran es im Sommer vor zwei Jahren politisch gescheiter­t war.

Behält Trump die Oberhand, hat es wohl zur Folge, dass Millionen von Amerikaner­n, die sich eine Krankenver­sicherung nur dank staatliche­r Zuschüsse leisten können, mit der zu erwartende­n Kürzung oder gar dem Wegfall der Subvention­en nicht mehr versichert sind. Patienten mit chronische­n Vorerkrank­ungen, deren Gleichstel­lung Obamacare garantiert­e, müssten wie schon vor 2010 mit Prämien rechnen, die so hoch sind, dass die meisten sie nicht bezahlen können.

Nancy Pelosi, als Chefin des Repräsenta­ntenhauses die Nummer eins ihrer Partei, spricht denn auch von einem Rückfall in alte, chronisch ungerechte Zeiten. „Aus dem Ministeriu­m für Justiz wird ein Ministeriu­m für Unrecht“, sagt sie. Praktisch alle Demokraten, die sich fürs Oval Office bewerben, hoffen 2020 mit dem Thema zu punkten. Umfragen zufolge spricht sich jeder zweite Amerikaner nach wie vor dafür aus, an der Reform festzuhalt­en. Nur 39 Prozent der Befragten lehnen sie ab.

Bereits vor den Kongresswa­hlen im November hatten Strategen wie Pelosi die Gesundheit­sversorgun­g in den Mittelpunk­t der Debatte gestellt. Der Erfolg gab ihnen Recht.

„Aus dem Ministeriu­m für Justiz wird ein Ministeriu­m für Unrecht.“

S precherin des R epräsentan­tenhauses

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