Bei großen Sorgen helfen große Ohren
Regisseur Tim Burton war lange Garant für ein eigenwilliges Kino mit fantastischen Bildwelten – zuletzt enttäuschte er aber mit mäßigen Filmen. Jetzt hat er den Disney-Klassiker „Dumbo“neu verfilmt. Ein Comeback für Burton?
„Ich war nie ein großer Zirkus-Freund wegen der eingesperrten Tiere, den Clowns, den todesverachtenden Nummern, bei denen ich mich immer unwohl gefühlt habe“, sagt der 60-Jährige. „Aber die Idee dahinter hat mich natürlich berührt, sich einer schrägen Familie von Außenseitern anzuschließen, die nicht in die normale Gesellschaft passen.“So ist sein Zirkus ein Sammelbecken für skurrile, heimatlose Gestalten.
Danny DeVito, , einst „der Pinguin“in Burtons „Batman kehrt zurück“, bangt als Zirkusdirektor Max Medici um seine Existenz. Sein einstiger Star Holt Farrier (Colin Farrell) hat im Krieg einen Arm verloren und kann nicht mehr Dressurreiten. Eine Katastrophe – ebenso wie der Babyelefant, der mit riesigen Ohren geboren wird. Medici befürchtet den Spott der Zuschauer und hält das seltsame Tier geheim. Doch eines Tages beobachten Holts Kinder Milly und Joe etwas Unglaubliches: Dumbo kann dank seiner Segelohren fliegen. Medici ist begeistert und wittert viel Geld, ebenso wie der zwielichtige Unternehmer Vandevere (Michael Keaton). Mit Hilfe der Luftakrobatin Colette (Eva Green) will der Geschäftsmann Dumbo zur Hauptattraktion seines Abenteuerparks „Dreamland“machen und schmiedet einen bösen Plan.
Einige Dinge, die man aus dem fast 80 Jahre alten Zeichentrickfilm kennt, sind in der Neufassung verschwunden. Der Außenseiter Dumbo bekommt keine Hilfe von einer Zirkusmaus, sondern von den Kindern Milly (Nico Parker) und Joe (Finley Hobbins). Sie wollen den einsamen und traurigen Elefanten mit seiner Mutter zusammenbringen. Verschwunden ist auch die berühmte Szene, in der Dumbo und die Maus Champagner trinken und am Ende so betrunken sind, dass sie im Rausch rosa Elefanten und andere Wunderdinge vorbeiziehen sehen.
Die größte Veränderung ist der Blickwinkel. Statt aus der Perspektive der Tiere erzählt Burton aus Sicht der Zirkusleute. So verschieben sich die Konflikte hin zu menschlichen Problemen: die Kinder, die um ihre Mutter trauern. Ihr Vater, der nicht weiß, wie er als einarmiger Kriegsveteran seine Familie ernähren soll. Oder der Zirkusdirektor, der aus Angst vor der Pleite sogar einen Pakt mit dem intriganten Vandevere eingeht. Und nicht zuletzt die Akrobatin Colette, die von einer besseren Zukunft träumt. Burton verwebt all diese Schicksale zu einem spannenden Abenteuer, dem jedoch die Innigkeit der Vorlage fehlt. In einzelnen Momenten wird die alte Magie spürbar, etwa wenn Sharon Rooney das altbekannte Schlaflied „Baby Mine“singt, bei dem Dumbo und seine Mutter in Zärtlichkeit verbunden sind. Doch die vielen menschlichen Dramen lenken von Dumbos Schicksal ab und lassen die feine Melancholie vermissen, die den Filmklassiker durchzieht.
Zudem wirkt der Film seltsam unentschieden. Eigentlich ist „Dumbo“ein schönes Märchen für Kinder. Doch viele Szenen sind für sie zu unheimlich, vor allem in Vandeveres „Dreamland“, einem trostlosen Ort des schrillen Vergnügens, wo Gruselgestalten wie in der Geisterbahn lauern und wilde Tiere hinter Gittern dahin vegetieren. Genau hier steckt eine Botschaft des Films: In Gefangenschaft haben Tiere nichts verloren.
„Dumbo“läuftim Cinestar, Passageund UT (Sb), Eden (Hom), Cinetower (Nk), Odeon(Mzg), Thalia Bous, MovieWorld (Sls), Union(Ill), Neues Theater(Wnd), City (Leb), SchmelzerLichtspiele, Cinema Europa (Zw), Broadway Landstuhl. drei Montagabenden im Juni und Juli 2019 statt: im Staatstheater, im Theater im Schlosskeller und in der Stadtgalerie Saarbrücken.
Kricheldorf erhielt 2003 für „Kriegerfleisch“den Kleist-Förderpreis. 2004 war sie Hausautorin am Nationaltheater Mannheim, von 2009 bis 2011 am Theaterhaus Jena. Mit ihren Stücken „Die Ballade vom Nadelbaumkiller“, „Alltag & Ekstase“und „Fräulein Agnes“wurde sie bereits drei Mal (2005, 2014 und 2018) zu den Mülheimer Theatertagen eingeladen. Am Saarländischen Staatstheater war 2011 Kricheldorfs „Villa Dolorosa. Drei missratene Geburtstage“zu sehen.