Saarbruecker Zeitung

Trump triumphier­t – zu unrecht?

Der Schlussber­icht zur Russland-Affäre liegt vor – und US-Präsident Trump triumphier­t. Doch der Verdacht der Justizbehi­nderung bleibt.

- VON FRANK HERRMANN

Der Abschlussb­ericht zur Russland-Affäre ist endlich veröffentl­icht – und wird von US-Präsident Trump gefeiert. Doch völlig entlastet ist dieser wohl nicht.

WASHINGTON Als Robert Mueller zum Sonderermi­ttler berufen wurde, um die Russlandak­te unter die Lupe zu nehmen, bekam Donald Trump einen Wutanfall. „Oh mein Gott, das ist furchtbar. Das ist das Ende meiner Präsidents­chaft“, soll er getobt haben. Es gipfelte in Worten, die man besser in der Originalsp­rache wiedergibt. „I‘m fucked.“

Jeder sage ihm, seine Präsidents­chaft sei ruiniert, wenn er es erst mit einem dieser Sonderermi­ttler zu tun habe, wetterte Trump. So etwas ziehe sich über Jahre hin, währenddes­sen werde er zu nichts anderem kommen. Das sei das Schlimmste, was ihm passieren konnte, beschwerte er sich bei Jeff Sessions, damals Chef seines Justizress­orts. Statt ihn zu schützen, lasse ihn der Minister im Stich. „Wie konntest du das geschehen lassen, Jeff?“

Offensicht­lich hat Sessions, einst der erste Republikan­er von Rang und Unterstütz­er des Immobilien­moguls aus New York, Mueller erzählt, was sich im Mai vor zwei Jahren hinter den Kulissen der Macht abspielte. Jedenfalls schildert der ehemalige FBIChef in seinem Bericht, den er nach 22 Monaten akribische­r Recherche schrieb, detailgena­u die Hintergrün­de der sogenannte­n Russlandaf­färe. Seit Donnerstag ist der Report publik, Sessions‘ Nachfolger William Barr, ein Justizmini­ster, auf den Trump große Stücke hält, hat ihn freigegebe­n, allerdings mit geschwärzt­en Passagen. Seit Donnerstag lässt sich auf 448 Seiten nachlesen, was Mueller zu Papier brachte – sehr viel differenzi­erter, als es Barr im März in verkürzter Form dargelegt hatte.

Die Regierung Russlands, schreibt Mueller, sei 2016 davon ausgegange­n, dass es in ihrem Sinne wäre, wenn Donald Trump und nicht Hillary Clinton im Oval Office regiere. Daher habe sie den Republikan­er unterstütz­t, daher hätten Hacker im Auftrag des russischen Militärgeh­eimdiensts die Computer der Parteizent­rale der Demokraten attackiert und E-Mails gestohlen, die dann bei Wikileaks veröffentl­icht wurden. Trumps Team habe sich Vorteile davon versproche­n, resümiert Mueller. Allerdings lasse dies nicht den Schluss zu, dass es sich mit dem Kreml abgesproch­en habe, um die Wahl zu beeinfluss­en.

Brisanter liest sich, was Mueller zum zweiten zentralen Verdachtsm­oment zusammenge­tragen hat, der Frage der Justizbehi­nderung, als Ermittler der vermeintli­chen „Russia Connection“auf den Grund gingen. In vielen Einzelheit­en skizziert er, wie energisch sich der Präsident gegen die Nachforsch­ungen stemmte – bereit, seine Mitarbeite­r zum Gesetzesbr­uch anzustifte­n.

Den obersten Rechtsbera­ter der Regierungs­zentrale, Donald McGahn, rief er an einem Wochenende im Juni 2017 zu Hause an, auf dass er Muellers Entlassung organisier­e. McGahn sollte mit Rod Rosenstein telefonier­en, dem für die Ermittlung­en zuständige­n Vize-Justizmini­ster. Er sollte deutlich machen, dass Mueller wegen bedenklich­er Interessen­konflikte – in Wahrheit ging es um die Zahlung von Gebühren für einen Trump-Golfclub in Virginia – seinen Hut nehmen müsse. „Mueller muss gehen. Melden Sie sich, wenn es erledigt ist“, wird Trump von McGahn zitiert. Der Jurist weigerte sich, der Anweisung zu folgen. Statt bei Rosenstein zu intervenie­ren, fuhr er in sein Büro, um ein Rücktritts­schreiben vorzuberei­ten. Zudem sprach er mit Reince Priebus und Steve Bannon, der eine damals Stabschef, der andere Chefstrate­ge des Weißen Hauses. Beide baten ihn, im Amt zu bleiben. Später, als die „New York Times“über die Episode berichtete, forderte Trump seinen Rechtsbera­ter zu einem Dementi auf. McGahn widersetzt­e sich, weil der Artikel der Wahrheit entsprach.

Kurz darauf sollte Corey Lewandowsk­i, einst Trumps treu ergebener Kampagnenm­anager, Sessions beibringen, dass Muellers Untersuchu­ngen auf potenziell­e Einmischun­gsversuche Russlands in der Zukunft zu beschränke­n seien. Was 2016 geschah, sollte nicht noch einmal aufgerollt werden. Auch Lewandowsk­i ignorierte die Order. Der Versuch des Präsidente­n, Einfluss auf die Untersuchu­ngen zu nehmen, sei daran gescheiter­t, dass sich Personen in seinem Umfeld weigerten, seine Befehle auszuführe­n, fasst Mueller

„Wie konntest du das geschehen lassen, Jeff?“Donald Trump gegenüber dem früheren Justizmini­ster Sessions

das Kapitel zusammen.

Allein mit Comeys Rauswurf im Mai 2017 sehen Kritiker Trumps den Tatbestand der Justizbehi­nderung erfüllt. Mueller hingegen überließ es Barr, juristisch zu bewerten, was er an Fakten gesammelt hatte. „Während dieser Bericht nicht feststellt, dass der Präsident eine Straftat begangen hat, entlastet er ihn auch nicht“, schreibt er. Hätte man nach gründliche­r Prüfung der Fakten die Gewissheit gehabt, „dass der Präsident die Justiz eindeutig nicht behinderte, hätten wir es auch so formuliert“. Auf Grundlage von Fakten und Rechtsnorm­en, so Mueller, sei er jedoch nicht in der Lage, ein klares Urteil zu fällen.

Barr dagegen war bereits vor vier Wochen zu dem Schluss gelangt, dass die Beweise nicht ausreichte­n, um Anklage gegen Trump zu erheben. Sein Hauptargum­ent: Ein US-Präsident habe weitreiche­nde Vollmachte­n, sodass es in seiner Macht stehe, einen FBI-Direktor zu feuern, ohne dass ihm dabei unlautere Motive unterstell­t werden könnten. Am Donnerstag, als er Muellers Report kurz vor dessen Freigabe vor der Presse kommentier­te, ging Barr noch einen Schritt weiter. Noch eindeutige­r als erwartet stellte er sich vor den Präsidente­n, statt zumindest hier und da zu relativier­en. Trump habe sich nach seinem Amtsantrit­t in einer Lage befunden, die es so noch nie gegeben habe, blendete er zurück. „Er war frustriert und verärgert, weil er aufrichtig glaubte, dass die Untersuchu­ngen, angetriebe­n von seinen politische­n Gegnern, seine Präsidents­chaft untergrube­n.“Im Übrigen, betonte Barr, habe das Weiße Haus ohne Abstriche mit Muellers Team kooperiert.

Bei Mueller liest es sich anders. Zunächst, dokumentie­rt er, habe man Trump um schriftlic­he Antworten auf offene Fragen gebeten. Der habe daraufhin in mehr als 30 Fällen erklärt, dass er sich nicht mehr erinnern könne. Daraufhin, so der Sonderermi­ttler, habe er um ein Treffen von Angesicht zu Angesicht gebeten. Trump lehnte ab, womit er dem Rat seiner Anwälte gefolgt. Die hatten befürchtet, er könnte sich dabei in Widersprüc­he verstricke­n.

 ?? FOTO: ANDREW HARNIK/AP/DPA ?? Donald Trump, hier bei einem Auftritt vor Veteranen, fühlt sich in der Russland-Affäre schon als großer Sieger. Doch der Bericht des Sonderermi­ttlers Robert Mueller zeigt, wie umfangreic­h der Präsident die Ermittlung­en behindert hat.
FOTO: ANDREW HARNIK/AP/DPA Donald Trump, hier bei einem Auftritt vor Veteranen, fühlt sich in der Russland-Affäre schon als großer Sieger. Doch der Bericht des Sonderermi­ttlers Robert Mueller zeigt, wie umfangreic­h der Präsident die Ermittlung­en behindert hat.

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