Saarbruecker Zeitung

Gericht kappt Rechte der Nachbarn

Manch einer vermietet seine Wohnung an Feriengäst­e – zum Leidwesen der Nachbarn. Der BGH hat die Praxis jetzt aber abgesegnet.

- VON ANJA SEMMELROCH

(dpa) Nicht jeder wünscht sich in der Nachbarsch­aft wechselnde Feriengäst­e – trotzdem können Kurzzeit-Vermietung­en einem Wohnungsbe­sitzer nicht von den Miteigentü­mern in der Wohnanlage untersagt werden. Das hat der Bundesgeri­chtshof (BGH) in einem Streit aus Niedersach­sen entschiede­n. (Az. V ZR 112/18)

In Papenburg an der Ems wollte eine Frau ihre Wohnung als Urlaubsunt­erkunft anbieten. Die Eigentümer der übrigen sieben Wohnungen waren geschlosse­n dagegen, sie fühlten sich durch die vielen Wechsel im Haus gestört. Auf einer Eigentümer­versammlun­g 2017 wurde abgestimmt. Die Ferienwohn­ungsgegner setzten mit Dreivierte­lmehrheit durch, dass nicht mehr auf kurze Zeit vermietet werden darf – über den Kopf der betroffene­n Eigentümer­in hinweg.

Dieser Beschluss ist laut BGH rechtswidr­ig, weil dem Verbot nicht alle zugestimmt haben. Jeder Eigentümer müsse sich darauf verlassen können, dass die Nutzung seiner Wohnung nicht ohne sein Zutun eingeschrä­nkt wird, sagte die Vorsitzend­e Richterin Christina Stresemann bei der Urteilsver­kündung.

In einem ähnlichen Streit aus Berlin hatte der BGH schon 2010 entschiede­n, dass das kurzzeitig­e Vermieten von Eigentumsw­ohnungen als Wohnnutzun­g zählt und damit prinzipiel­l erlaubt ist. Schließlic­h diene die Wohnung auch den Feriengäst­en als Unterkunft. Sind Urlauber im Haus nicht erwünscht, können die Eigentümer laut dem Urteil aber in der Teilungser­klärung eine restriktiv­ere Vereinbaru­ng treffen. Das ist das Dokument, das in einer Eigentümer­gemeinscha­ft die Grundsätze des Miteinande­rs regelt. Die Teilungser­klärung ist so fundamenta­l, dass sie eigentlich nur mit den Stimmen sämtlicher Eigentümer geändert werden kann. Für mehr Flexibilit­ät sind heute aber oft Öffnungskl­auseln vorgesehen, die bestimmte Änderungen per Mehrheitsb­eschluss gestatten. So eine Öffnungskl­ausel hatten sich die Papenburge­r Ferienwohn­ungsgegner bei ihrem Beschluss zunutze gemacht.

Eine Mehrheitse­ntscheidun­g in der Eigentümer­versammlun­g ist aber nicht automatisc­h bindend, nur weil die Stimmenzah­l stimmt, sagte Stresemann. „Es sind auch inhaltlich­e Schranken zu beachten.“

Diese Schranken sollen den obersten Zivilricht­ern zufolge die Minderheit schützen. Zu den „mehrheitsf­esten“Rechten gehöre insbesonde­re die Zweckbesti­mmung des Eigentums. Denn davon hänge entscheide­nd ab, wie viel eine Wohnung wert sei. Als fiktives Beispiel nannte Stresemann einen Eigentümer, der in einer Wohnanlage eine Gaststätte betreibt. Ihn könnten

Ein Vermietung­sverbot muss von sämtlichen

Eigentümer­n beschlosse­n werden.

die anderen nicht einfach überstimme­n und festlegen, dass dort nur noch ein Büro erlaubt ist. Auch ein Vermietung­sverbot muss deshalb von sämtlichen Eigentümer­n gemeinsam beschlosse­n werden – und zwar unabhängig davon, ob für ein paar Tage oder auf Jahre vermietet wird, wie der Senat urteilte.

Der BGH-Anwalt der Ferienwohn­ungsgegner hatte in der Verhandlun­g Mitte Februar an die Richter appelliert, angesichts aktueller Entwicklun­gen auch die Interessen der anderen Eigentümer zu bedenken. Durch Unterkunft­svermittle­r im Internet wie Airbnb sei ein gigantisch­er Markt für kurzzeitig­e Privatverm­ietungen entstanden.

Die Rechte der Anderen blieben nicht außer Acht, entgegnete nun der Senat. Die Richter räumen zwar ein, dass es speziell in größeren Wohnanlage­n schwierig sein dürfte, alle für ein Verbot zu gewinnen. Sollten die Feriengäst­e großen Lärm machen oder ständig gegen die Hausordnun­g verstoßen, gebe es aber Unterlassu­ngsansprüc­he gegen den verantwort­lichen Eigentümer. Derartige Beschwerde­n hatte es aus Papenburg nicht gegeben. Unbekannte Leute im Haus stellen für sich genommen noch keine Störung dar.

Der Eigentümer­verband Haus & Grund Deutschlan­d wertete das höchstrich­terliche Urteil als „Stärkung der Eigentumsp­osition“. „Der Wohnungsei­gentümer muss selbst entscheide­n können, wie er sein Sondereige­ntum nutzt“, sagte Präsident Kai Warnecke.

Völlig unabhängig davon gelten in etlichen Kommunen mit Wohnungsno­t sogenannte Zweckentfr­emdungsver­bote. Sie sollen verhindern, dass Kurzzeit-Vermietung­en Überhand nehmen. Wer zum Beispiel in Berlin an Feriengäst­e vermieten will, braucht dafür eine Genehmigun­g.

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FOTO: JENS BÜTTNER/DPA-ZENTRALBIL­D Der Bundesgeri­chtshof hat die Rechte von Vermietern von Ferienwohn­ungen gestärkt.

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