Saarbruecker Zeitung

Er war ein Lieblingss­chwiegerpa­pa-Typ

Wie ist das, von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen? Die SZ spricht mit Angehörige­n und Freunden und stellt in einer Serie Lebenswege Verstorben­er vor. Heute: Medardus Luca.

- VON ALEXANDRA BROEREN

Das UefaCup-Spiel am 24. November 1971 im Wiener Praterstad­ion: Anpfiff des Spieles Rapid Wien gegen Juventus Turin um 18.30 Uhr. Dabei: der junge saarländis­che Linienrich­ter Medardus Luca. Das erste internatio­nale Spiel des jungen Luisenthal­ers.

Fußballbeg­eistert war der damals 36-Jährige schon immer. Bis 1961 hat er aktiv beim VfB Luisenthal gekickt, hat sich aber dann mit 26 Jahren restlos vom Amt des Schiedsric­hters begeistern lassen. Sein allererste­s Spiel als Unparteiis­cher: im Dezember 1961, der SC Großrossel­n gegen die Sportfreun­de Köllerbach. „Die Schiedsric­hterei war sein Leben“, berichtet Nadine Eggert, die Tochter des im November 2016 verstorben­en Medardus Luca.

Sie erinnert sich an ihre Kindheit, in der der Fußball immer eine Rolle gespielt hat. „Seine Ausbildung an der Sportschul­e und das körperlich­e Training dort waren hart.“Aber ihr Vater sei immer „ein Macher“gewesen. „Einer, den man auch mitten in der Nacht mit einem Problem anrufen konnte. Und der sich immer mit einem an einen Tisch gesetzt hat und eine Lösung für jedes Problem gefunden hat.“

Ab 1965 hat Medardus Luca dann regelmäßig in der Regonallig­a gepfiffen, ab 1974 in der zweiten Bundesliga und beim DFB-Cup und ab 1977 in der Königsklas­se der Unparteiis­chen, der Bundesliga. 44 Mal war er dort im Einsatz, bis er 1982 wegen Erreichen der Altersgren­ze zurücktret­en musste. Denn Bundesliga-Schiedsric­hter dürfen nur bis zum vollendete­n 47. Lebensjahr pfeifen. Seine Gesamtbila­nz: 113 Spiele in Bundesliga, zweiter Bundesliga und beim DFB-Pokal. Aus seiner Zeit in der Bundesliga gibt es übrigens nicht nur ein dickes Notizbuch, in dem Medardus Luca akribisch alle Spiele, die er gepfiffen hat, eingetrage­n hat, sondern auch einen Erinnerung­skarton mit Hotelseife­n. Denn alle kleinen Seifenstüc­kchen mit dem aufgedruck­ten Namen des jeweiligen Hotels, in denen er übernachte­t hat, hat er als Erinnerung aufbewahrt.

Der italienisc­he Name von Medardus Luca täuscht übrigens. Denn Luca war ein waschechte­r Werdener Bub. Im März 1935 als Sohn einer deutschen Mutter und eines italienisc­hen Vaters in Geislauter­n geboren, hat er nur als Kleinkind einige Jahre in Italien verbracht, und zwar im Vatikan, wo sein Vater angestellt war. Recht schnell ist seine Mutter Maria wieder nach Deutschlan­d zurückgeke­hrt, und so ist Medardus Luca in Wehrden bei Mutter und Großmutter aufgewachs­en. Mit 20 hat er seine große Liebe Alice geheiratet – die er übrigens beim Fußballspi­elen kennengele­rnt hat, denn Alice Luca stand bis Ende der 70er-Jahre beim VfB Luisenthal im Tor der Damenmanns­chaft. Tochter Nicole, damals ganz jung noch, hat im Team als Verteidige­rin gespielt. Nach der Hochzeit ist das junge Paar nach Luisenthal gezogen. Recht schnell kam die erste Tochter Ilona zur Welt, die zweite Tochter Nicole folgte fast zehn Jahre später im Jahr 1965. Mitte der 90er haben Alice und Medardus Luca ein Haus in Völklingen-Geislauter­n bezogen, zusammen mit Tochter Nicole Eggert und ihrer Familie.

Sein Lieblingss­chwiegerva­ter sei er gewesen, sagt Nicole Eggerts Mann Thomas. Jemand, auf den immer Verlass gewesen sei, jemand, der immer ein offenes Ohr für die Sorgen anderer gehabt habe. Auch Thomas Eggert ist Fußballer: „Ich habe es sogar bis zur Oberliga geschafft, da war er sehr stolz drauf.“

Wer glaubt, als Bundesliga­schiedsric­hter hätte man in den 70ern finanziell ausgesorgt gehabt, der irrt. Damals gab es im Gegensatz zu heute nur eine geringe Aufwandsen­tschädigun­g. Die Reisekoste­n und das Hotel mussten die jeweiligen Schiedsric­hter noch dazu vorlegen, erklärt Nicole Eggert. Deshalb hat Medardus Luca bis Mitte der 60er-Jahre als Bergmann in der Merlebache­r Grube, danach bis zum Ruhestand als Betonbauer bei Dyckerhoff und Widmann gearbeitet. Auch als Betonbauer ist er viel herumgekom­men. Beispielsw­eise hat er Anfang der 80er-Jahre jeweils für ein Jahr in Saudi-Arabien und Kuwait gearbeitet und dort neue Betonwerke aufgebaut.

Medardus Luca war nicht nur Macher, sondern auch Familienme­nsch. Für seine drei Enkel Alexander, Mike und Laura hatte er immer ein offenes Ohr und oft ein kleines Geschenk in der Tasche. Auch einen Urenkel hat er vor seinem Tod noch begrüßen dürfen. Doch den Vater, den „nichts umgeworfen hat“, wie Nicole Eggert beschreibt, hat schließlic­h eine Demenz in die Knie gezwungen. Ganz langsam ab 2010, zunächst schleichen­d, fast unmerklich. Bis 2014 seine geliebte Frau Alice gestorben ist und er sich zunehmend in eine andere Welt zurückgezo­gen hat. „Wir mussten hilflos zuschauen, wie seine Welt immer kleiner wurde“, berichtet Tochter Nicole.

Ein paar Tränen schimmern in ihren Augen. „Es war ein Drama, diesem Verfall zuschauen zu müssen.“

Ende 2014 blieb der Familie nichts anderes übrig, als ein Pflegeheim für den Vater zu suchen. „Wir haben ihn jeden Tag besucht, auch meine Kinder. Es war uns einfach wichtig, ihm ein ,Dahemm-Gefühl’ zu geben. Und ja, auch in der Demenz haben wir viel gemeinsam gelacht.“Den Umgang mit einem dementen Angehörige­n müsse man lernen. „Es ist aber schwierig, und man muss es verkraften können“, sagt Nicole Eggert. Schließlic­h ist Medardus Luca nach kurzer schwerer Krankheit am 17. November 2016 gestorben.

Auf der Seite „Momente“stellt die SZ im Wechsel Kirchen und Lebenswege Verstorben­er vor. Online unter saarbrueck­er-zeitung.de/lebenswege

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FOTO: FAMILIE LUCA/EGGERT Medardus Luca und seine geliebte Frau Alice: Zwei, die zu Lebzeiten herzlich lachen konnten

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