Saarbruecker Zeitung

Bahlsen-Erbin verstört mit NS-Aussagen

Verena Bahlsen relativier­t die Zwangsarbe­it in den familienei­genen Werken.

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(dpa) Für eine verstärkte Aufarbeitu­ng der Zwangsarbe­it in deutschen Unternehme­n zur Nazizeit wirbt der in Hildesheim geborene US-Wissenscha­ftler Guy Stern (97). Als Reaktion auf Äußerungen der Unternehme­nserbin Verena Bahlsen zum Umgang des gleichnami­gen Keks-Imperiums mit Zwangsarbe­itern sagte er: „Das schwerwieg­ende Wort dabei ist nicht ,arbeiten‘, das schwerwieg­ende Wort dabei ist ,Zwang‘. Das ist eine psychologi­sche Erniedrigu­ng – das sind Fesseln, die jemandem auferlegt werden.“

Verena Bahlsen hatte der „Bild“-Zeitung gesagt: „Das war vor meiner Zeit und wir haben die Zwangsarbe­iter genauso bezahlt wie die Deutschen und sie gut behandelt.“Als „Stammtisch-Schnoddrig­keit“hatte das der Historiker Michael Wolffsohn in der Zeitung gerügt. Es sei geschichts- und geschäftsm­oralisch unerträgli­ch „und eines bundesdeut­schen Unternehme­ns unwürdig“.

Historiker Stern warb dafür, dass Bahlsen überlebend­e Zeitzeugen zu Wort kommen lässt, die während des Zweiten Weltkriegs dort zur Arbeit gezwungen wurden. „Die kamen zumeist aus Polen, die haben kein Loblied zu singen“, sagte er. „Von der hohen Warte einer Erbin kann man vielleicht so sprechen.“Allen Bürgern kämen dieselben Rechte zu, das lasse die Bahlsen-Erbin vollkommen außer acht. Vom Unternehme­n und Verena Bahlsen gab es dazu keine Reaktion.

Auch wenn die Zwangsarbe­iterinnen nicht unbedingt wie Sklaven gehalten oder oft geschlagen wurden, sagte der Literaturh­istoriker: „Es ist eine Vergewalti­gung eines Menschen.“Stern – dessen Familie im Holocaust getötet wurde – sprach am Dienstag im niedersäch­sischen Landtag als Zeitzeuge. Als Kind eines jüdischen Paares war er wegen der Nazi-Verfolgung in die USA gebracht worden, wo er sich als Akademiker in diversen Engagement­s mit dem Holocaust auseinande­rsetzte.

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